Story 
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Eine tolle Geschichte von Alina über einen Vampir. 
Wer sich die Seiten ausdrucken möchte, dann nur zur eigenen Nutzung. Es ist ohne schriftliche Genehmigung der Autorin / des Autors nicht erlaubt, den Roman und Teile daraus zu vervielfältigen, systematisch auszuwerten oder auf gedrucktem bzw. elektronisch gespeichertem Weg zu verbreiten.
Viel Spaß beim Lesen!
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Dawn

Morgengrauen

Es war einmal vor langer, langer Zeit. Fangen so nicht die meisten Geschichten an? Warum das so ist? Weil, wenn sie im Hier und Jetzt statt fänden, wir uns eingestehen müssten, dass sie entweder nicht wahr sein können oder, dass sie so wahr sind, dass es uns innerlich zerreißen würde, wenn wir es zugäben. Deswegen beginnt diese Geschichte nicht mit einer dieser hohlen Phrasen, und sie wird auch nicht mit „Sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“ schließen. Sie soll auch keine Moral vermitteln, oder eine Metapher für das Leben enthalten. Sie soll einfach nur existieren. Genau wie wir! Einfach nur ohne Anfang und ohne Ende vorhanden sein...

Da saß er nun. Seine Beine hingen über den Rand der Klippen, es schien fast so, als würden sie gar nicht zu ihm gehören, als wäre der kühle Nachtwind allein dafür verantwortlich, dass sie sanft vor und zurück schwangen. Das war es wohl, was dieses Bild so abstrakt erscheinen ließ. Die klaren Züge seines Gesichts und sein starker, wohlgeformter Oberkörper wollten einfach nicht zu dem geschmeidigem ruhigen Schaukeln seiner Beine passen. Auf den ersten Blick bot sich einem ein friedliches Bild von einem extravaganten Mann, der im milden
Schein des Mondes, vor einer romantischen Kulisse auf schroffem Stein seinen Gedanken nachhing.

Doch dem der es wagte an der Oberfläche zu kratzen um das offensichtlich Verborgene freizulegen, dem bot sich ein Anblick des Grauens. Wunden so tief wie nur die Ewigkeit sie reißen kann, zeichneten die sonst so makellos weiße Haut. Das Herz dieses Wesens konnte nicht mehr schlagen, zu schwer waren die Verletzungen. Die Augen waren der einzige Beweis dafür, dass noch Leben in dieser toten Hülle steckte. Sie waren auf eine Weise blau die sie wie aus purem Eis geschliffen erscheinen lies. Es war ihnen noch ein Funken des Glitzerns längst vergangener Macht geblieben. Seine Kleidung verwies wie seine Augen auf Wohlstand und Einfluss. Das Hemd war aus weißer Seide, das rote Jackett darüber aus feinstem Samt. Es war geschnitten wie einer dieser anmutigen alten Gehröcke. Alles in Allem hatte er das Antlitz eines wohlhabenden Gutsherren. Sein Gesicht war so eben und fein wie das eines Engels, und doch lag etwas dunkles wie ein Fluch darüber. Das Blut schimmerte rot durch seine gläserne Haut. Sein Blut war es das ihm diese düstere Aura verlieh. Es beherrschte sein ganzes Aussehen. Sogar sein Blick gierte danach. Als wenn all diese Merkmale noch nicht reichten um ihn zu verraten, blitzten zwischen seinen vollen Lippen zwei Reihen perfekter weißer Zähne durch. Die Eckzähne traten spitz und scharf hervor. Wie die Fänge eines mächtigen Raubtiers. Man sah ihnen an, dass er sich über die Jahrhunderte hinweg immer wieder in rosiges Fleisch geschlagen und es seiner Jugend beraubt hatte.

Der Tot war seine Art zu überleben. Wie sein Leben war auch sein Leiden unendlich.

Genau das war der Grund weshalb er allein umgeben von einer steinernen Wüste auf den Anbruch des Tages wartete. Wie alle Geschöpfe der Nacht verbarg er seine Identität unter dem Deckmantel der Dunkelheit. Der tröstende Schein des warmen Sonnenlichts war ihm auf ewig versagt. Schon ein Strahl davon würde genügen um seine dämonische Hülle mit seiner sterblichen Seele in der Hölle zu vereinen. Damals als er als Kind der Dunkelheit neugeboren worden war, schien es ihm ein  angemessener Preis dafür jung zu sterben und ewig zu leben. Doch heute, nachdem er mehrere Jahrhunderte ohne jede Hoffnung auf Veränderung oder Liebe, gefangen in einem Körper der weder Leben noch Tot kannte, wurde ihm schmerzlich die Höhe dieses Preises bewusst.

Er war des Lebens müde. Mehr als alles andere sehnte er sich nach Erlösung. Dabei war ihm die Hölle mit all ihren Qualen lieber, als diese Einöde der Gefühlslosigkeit. Sein Wunsch nach Veränderung wird sich mit dem Morgengrauen erfüllen. Gerade mal ein Häufchen Asche wird von diesem kaltblütigem Räuber übrig bleiben. Der Wind wird seine Überreste in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Dadurch wird er über sein Ende hinaus die Menschen in Angst und Schrecken versetzen. Jedes Staubkorn in den

Augen eines Unschuldigen wird diesen um seinen Schlaf berauben und seine Träume der Finsternis weihen. Das Wesen, das sich nichts mehr wünschte, als dem Bösen zu entfliehen, wird in einem Kreislauf des Lebens und des Todes den Schwarzen Samen der Verdammnis in reine Herzen streuen.

 
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