Roman 
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Diese Geschichte ist wieder von Gruftine.
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Viel Spaß beim Lesen!
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A n g e l - Jäger in der Finsternis (2)

 

Eigene Stories zur Serie, erfunden von:

Meike Benner

Frühling 2002

 

R e l i k t d e s B ö s e n

 

Inhalt: Angel ist diesmal allein in seiner Agentur, da seine Freunde mit anderen Fällen beschäftigt sind. Er bekommt einen Anruf von Benjamin, dem Archivar der ältesten Bibliothek in Dublin, Irland. Er ist ein alter Freund von Angel und half ihm mit Chroniken über beseelte Vampire, als Angel kurz darauf seinen Fluch erhielt, über die schweren Stunden hinweg. Diesmal braucht Benjamin Angels Hilfe. Er soll nach Dublin reisen, um jemanden zu beschützen. Mitten im Gespräch bricht die Verbindung plötzlich zusammen. Angel bekommt noch mit, wie Benjamin gegen etwas kämpft. So macht der Vampir mit dem Gewissen sich auf nach seiner alten Heimat Irland. Er ahnt nicht, daß diese Reise sein Schicksal beeinflussen wird...

 

1.  Alltagstrott

 

Es war kurz vor Mitternacht, als in der Agentur „Angel Investigations“ die Lichter ausgingen. Jetzt, wo es Anfang Herbst war, häuften sich Cordelia Chase Visionen nicht mehr so sehr, wie früher. Die Freunde, die für dem Vampir mit dem Gewissen arbeiteten hatten gerade eigene Fälle zu bewältigen, so das ihr Boß, Angel, allein in dem Gebäude war. So hatte er endlich einmal Zeit für sich und auch Gelegenheit, alte Chroniken neu aufzulisten, zu ordnen und durchzusehen.

Im Laufe seines untoten Daseins hatte Angel viele Chroniken gesammelt. Uralte Schätze waren sogar darunter, wie eine über 1000 Jahre alte Blutbibel, die angeblich der erstgeborene Meister der Vampire mit seinem eigenen Blut geschrieben haben soll. Oder auch Zauberbücher, wo viele Sprüche oder Prophezeiungen über den Höllenschlund standen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Angel saß, im Schein von dicken, weißen Kerzen, in seinem Arbeitszimmer. Auf dem langen Tisch lagen viele Bücher ausgebreitet, gestapelt und offen herum. Angel beugte sich gerade mit der Lupe über eine alte Inschrift und versuchte sie zu entziffern, als ihn das Telefon aus seiner Konzentration riß. Der Vampir trug ein dunkelrotes Seidenhemd, eine schwarze Jeans und seit neustem auch eine schmale Brille mit blaugetönten Gläsern. Er paßte sich der heutigen Zeit an, da diese Brillen zur Zeit sehr in Mode kamen.

Der 245jährige Vampir tastete nach dem schwarzen Telefon, das unaufhörlich schrillte, ohne die Lupe über der Schrift abzusetzen. Er nahm den Hörer an sein Ohr und meldete sich kurz mit dem Standartsatz: „Angel Investigations, was kann ich für Sie tun?“ Kurze Stille herrschte. Ein Rauschen und Klicken war in der Leitung zu hören. Angel runzelte die Stirn, legte die Lupe hin und wiederholte seinen Satz erneut. In kurzen Abständen vernahm er eine rauhe Stimme, weit weg, die seinen Namen aussprach. Er glaubte, diese Stimme zu kennen. Er stand auf: „Hallo? Sprechen Sie lauter, die Verbindung ist sehr schlecht...“ Dann verstummte das Rauschen und Knacken. Die Leitung war klar. „Hallo, Angel. Hier ist Ben. Benjamin. Es ist lange her....“ Der Mann am anderen Ende verstummte, um Angel Zeit zu geben, sich zu erinnern. Angel atmete tief ein und schloß kurz die Augen. Benjamin O´Rourke war ein Market-Dämon. Er sah aus wie eine Mischung aus Echse und Mensch. Vor über 100 Jahren hatten die beiden ihre erste Begegnung, kurz nachdem Angel verflucht worden war. Er irrte ziellos durch die Straßen Dublins und landete schließlich in einer verfallenen Bibliothek. Ben sprach ihn an und wußte sofort, was mit Angel los war. Er versorgte ihn mit den ersten Chroniken über Vampire, die wie er verflucht worden waren. Sie freundeten sich an. Ben versorgte Angel von da an mit vielen Büchern, was natürlich nicht ganz ungefährlich war, da diese sehr wertvoll waren und jedes Verschwinden im Archiv natürlich nicht auffallen durfte. Es existierten natürlich naturgetreue Kopien von Originalen, die kaum voneinander zu unterscheiden waren. Angel hatte selten Kopien von Ben erhalten, da viele Bücher natürlich auch Magie in sich trugen.

Es schien jahrhundertelang her zu sein, seitdem sich die beiden alten Freunde zum letzten Mal gesehen hatten. Angel rieb sich die Stirn, setzte sich erst einmal hin. Endlich fand er Worte: „Ben? Benjamin O`Rourke? Du rufst extra aus Dublin an? Darum ist die Leitung so schlecht....wie wahr, es ist wirklich sehr lange her, alter Freund! Was ist los?“ Bens Stimme klang jetzt ganz nah. Doch er sprach leise. „Bist Du allein? Hast Du Zeit? Du mußt mich besuchen, wenn es geht, nimm die erste Maschine heute noch. Ich brauche Dich, alter Freund. Es ist etwas passiert....Du mußt jemanden für mich schützen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit noch bleibt...und ich kann nicht sagen, ob Du mich noch lebend antreffen wirst....wenn das nicht der Fall ist, warte in der Hellshire Bibliothek auf sie...bitte, Angel...es ist sehr wichtig....unser aller Leben hängt davon ab...unsere Zukunft....“ Ben verstummte. „Wer ist sie, Ben? Und die Bibliothek steht immer noch? Was ist passiert?“ Bens Atem wurde plötzlich schneller. Das Knacken in der Leitung und das Rauschen war wieder da. Angel versuchte Ben zum lauteren Sprechen zu bewegen, doch die Leitung schien mehr und mehr zusammenzubrechen. „Stell keine Fragen, hilf mir! Bitte, Angel! Ich kann jetzt nicht mehr reden...ich fühle sie kommen....Du mußt Dich sofort auf dem Weg machen, bitte....oh, nein..es ist zu spät...“

Angel wurde nervös. Etwas stimmte nicht. Ben war älter als er und er besaß seherische Fähigkeiten. Er war in Gefahr und noch jemand. Er konnte nicht verhindern, das Ben etwas geschah. Er hörte ein Rascheln und Ben stöhnte plötzlich weiter weg immer wieder: „Nein...bitte....ich sage nichts...auch wenn ich dafür sterbe...Du wirst sie niemals finden...niemals!“ Etwas krachte, zersplitterte. Angel mußte schlucken. Er hörte eine andere Stimme in Dämonensprache, die er nicht verstand, fluchen. Dann brach die Leitung zusammen und das Freizeichen war nur noch zu hören.

Angel schrie nur noch Bens Namen in den Hörer, als er mitbekam, das ihm anscheinend jemand bedrohte. Als die Leitung zusammenbrach starrte er den Hörer an und seine Gedanken kreisten um seinen alten Freund, der wahrscheinlich gerade um sein Leben kämpfte.

Der Vampir mit der Seele fackelte nicht lange. Er ließ den Hörer einfach fallen, lief aus dem Arbeitszimmer in die Eingangshalle und ging zu Cordelias Arbeitsplatz am Empfang. Er nahm ein Notizzettel zur Hand, griff sich einen Bleistift und kritzelte eine Nachricht für seine Freunde auf das Papier.

Er rannte zu dem Kleiderständer, an dem sein Ledermantel hing, lief in seinen Wohnraum im Keller, um ein paar Sachen zusammenzupacken. Dann sprintete er nach draußen. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen, als er in seinen Wagen sprang und losbrauste. Die Reifen quietschten. Sein Weg führte ihn zum L. A. National Airport. Sein Ziel: Dublin. Auch wenn ihm bewußt war, daß er Ben vielleicht nicht lebend vorfinden wurde. Er tat das, was er tun mußte. Und nichts und niemand konnte ihn davon abhalten. Mit ernster Miene und Gedanken an Ben fuhr er in die Nacht hinaus....

 

V

 

2.  Erinnerungen an alte Zeiten

 

 

Angel wußte nicht, wie er in den Gepäckraum des Flugzeugs gelangte, alles lief wie in Zeitraffer ab. Sogar seinen Wagen durfte er diesmal in den Laderaum mitnehmen. Da dieser ein Verdeck hatte, konnte Angel diesmal bequem schlafen, falls Sonnenstrahlen in den Raum fielen. Die Scheiben waren getönt und Angel war schon Stammkunde bei einer Autowerkstatt, die ihn sofort mit dunklen Scheiben versorgten, da der Vampir dort Freunde hatte, die wußten, wer er war.

So lag er nun längs auf den Sitzen hinter seinem Lenkrad, sah an die Decke des Flugzeugs und holte sich Erinnerungen an Ben, indem er ganz fest an ihn dachte und die Zeit, die sie damals miteinander verbracht hatten....

 

Dublin a.d. 1560: Anfang November im Regen. Die Straßen waren nach Anbruch der Dunkelheit wie leer gefegt. Gerüchte kursierten. Die Angst ging um. Die letzten Menschen huschten wie aufgescheuchte Mäuse in ihre Löcher. Die Laternen beleuchteten die engen Gassen Dublins, dünne Nebelschwaden zogen sich über die Stadt. Mit Einbruch der Nacht krochen sie aus ihren Verstecken.

Man munkelte, das die Geister Verstorbener durch die Gassen liefen und nach ihren Angehörigen suchten. Viele Menschen zogen die Vorhänge ihrer Wohnung zu, verrammelten die Türen, hingen auch Kreuze oder Kruzifixe davor, im Glauben, die Geister so zu verscheuchen.

In letzter Zeit verschwanden viele junge Frauen, Männer und auch Kinder. Einige tauchten wieder auf, allerdings blaß und starr, mit Wunden an den Hälsen und keinen Tropfen Blut im Körper. Der Name „Nosferatu“ wurde geflüstert.

 

In dieser Nacht irrte ein Wesen durch Dublins Straßen, das vor wenigen Tagen noch für Schlagzeilen in den Zeitungen gesorgt hatte. Dort scheute man auch nicht den Namen „Vampir“ auszusprechen. Doch das war alles Vergangenheit, denn das Wesen hatte kein Sinn mehr im Töten gefunden. Es konnte nicht mehr töten. Es war verflucht. Wie ein Penner versteckte er sich in dunklen Ecken, in Hinterhöfen oder anderen düsteren Schlupfwinkeln. Einzig sein Anblick, wie ein heruntergekommener Landstreicher mit zerfledderter Kleidung, zerzaustem, langem Haar, ließen die Menschen vor ihm weglaufen. Nicht zuletzt sein Geruch und sein ab und zu verändertes Gesicht, das dem einer Fratze glich, verschafften ihm Respekt bei mutigen Männern, die sich ihm entgegenstellten.

Das Wesen nannte man in bekannten Kreisen Angelus. Er wurde mit 2 Begleitern, einer Frau und einem Mann oft in Kneipen gesehen, wo sie jedoch nie etwas zu sich nahmen, sondern immer mit Begleitung von jungen Mädchen in der Nacht verschwanden. Nun war er allein. Und er war verändert.

Mit herabhängenden Schultern, gesenktem Kopf und vor sich hin sprechend ging er gerade aus. Die Menschen, die ihm entgegenkamen, wechselten sofort die Straßenseite, drehten um oder sahen ihm einfach nur hinterher. Einige blieben stehen, als sie den Mann sahen und dieser hob die Hände, sagte, das er ihnen nichts tun würde, er wollte wissen, wo ein bestimmter Ort war: Die Hellshire Bibliothek. Von anderen Wesen hatte er nämlich gehört, das dort Lektüre war, die seinen jetzigen Zustand erklärte.

Die Sterblichen wiesen ihm den Weg. Er begann zu rennen, solange, bis ihm der Schweiß ausbrach. Er rannte schneller, als ein normaler Mensch und er atmete nicht. Als das Wesen vor der Bibliothek stand, lehnte er sich an die Tür, die merkwürdigerweise nicht verschlossen war. Sofort fiel ihm ein strenger Geruch auf, den er nur von Dämonen kannte. Er hatte etwas über einen Archivar gehört, der zu dieser Gattung gehören sollte. Die Tür knarrte und das Wesen ging einfach hinein. Es war dunkel. Links und rechts von ihm türmten sich riesige, schmale, lange Regale, die bis zur Decke reichten, vor ihm auf. Gefüllt mit Büchern. Gehüllt in Staub und Spinnweben. Sie sah verlassen und verkommen aus. Und doch fühlte er eine andere Existenz. Je weiter er ging, um so mehr konnte er sie spüren. Dicke, weiße Kerzen standen überall auf dem Boden, sie erleuchteten die Bibliothek mit einer gemütlichen Atmosphäre. In der Mitte des Raumes stand ein Sekretär aus Eichenholz, dahinter saß, in einer schwarzen Kutte mit Kapuze gehüllt, eine große Gestalt.

Das Wesen blieb stehen. Die Gestalt hob den Kopf. Ein grünes Gesicht, mit schwarzen Flecken auf den Wangen, gelben Augen und spitzen Zähnen sah dem Wesen in die Augen. Eine schmale Zunge zischelte plötzlich zwischen den Zähnen hindurch und verschwand einen Augenaufschlag später auch wieder. Die Gestalt erhob sich: „Ein Untoter zu später Stunde? Dein Geruch ist erbärmlich. Du bist nicht wie die anderen. Du suchst etwas über den Fluch, nicht wahr? Den Fluch der Zigeuner!“ Das Wesen schluckte. Er nickte nur. Die Gestalt nahm die Kapuze vom Kopf. Ein kahler, ovaler Schädel kam zum Vorschein. Spitze Ohren lagen eng an dem Schädel. Lange, dünne Finger mit spitzen, kurzen Nägeln winkten ihn zu sich: „Keine Angst, mein Freund, ich gebe Dir genug Lektüre, damit Du Antworten findest. Ich heiße Ben. Benjamin O´Rourke. Und mit wem hab ich das Vergnügen?“ Das Wesen näherte sich dem Market-Dämon, der sofort auf eine Leiter gestiegen war und einige dicke Wälzer hervorholte. Viele waren groß und schwer und in fremder Sprache. „Ich bin...Angel.“ stammelte der Vampir mit zitternder Stimme.

 

Und so lernten Ben und Angel sich damals kennen. Angel kam regelmäßig in die Hellshire Bibliothek wenn er sein Wissen über andere Dämonen, seinen Fluch oder Sprüche, Rituale oder Gebräuche der alten Welt, wissen wollte. Ben erklärte ihm natürlich auch, wer er war, woher er kam und was ihn in diese Bibliothek trieb. Er wurde von seinem Volk in diese Dimension verbannt, weil er als Archivar Gesetze gebrochen hatte. Er behielt einige wichtige Bücher ein, die für viele Dämonen der Schlüssel zur Macht waren. Er war Bewahrer von vielen alten Relikten aus verschiedenen Epochen der Zeit und als ranghöhere Dämonen davon Wind bekamen, setzten sie alles daran, Ben diese Bücher abzukaufen. Sie boten ihm Schätze an, wie Blutkelche, Schmuck oder sonstige Opfergaben der Menschen. Einiges nahm Ben tatsächlich an sich, nicht nur, um herauszufinden, was es mit diesen Relikten auf sich hatte, sondern auch, weil es sein Hobby war, Dinge zu sammeln, zu archivieren und darüber Buch zu führen. Die Dämonen waren nicht alle immer schlau und brauchten Jahrhunderte, um herauszufinden, das viele Bücher nicht der Echtheit entsprachen...

Seit über 500 Jahren lebte Ben nun schon in dieser Welt. Er selbst war einige tausend Jahre alt und kannte eigentlich nur seine Bücher und diejenigen, welche sich in seine Bibliothek verirrten, um etwas zu borgen. Nicht nur Dämonen aller Art wußten durch Propaganda von Bens Bibliothek, auch  Menschen fanden den Weg zu ihm. Auch Auserwählte, die vom Schicksal heimgesucht wurden, alte Relikte zu schützen, die Unheil über die Welt brachten. Es war nicht ganz ungefährlich für Ben und diese Menschen, wenn das Relikt dort verwahrt wurde. Denn wenn die mächtigsten und gefährlichsten Dämonen die Erde heimsuchten, war nicht nur die Stadt in Gefahr. Oft auch die gesamte Menschheit, ja sogar die Welt. Doch dank der Bücher wußte Ben oft schon, durch die Prophezeiungen, was sich ereignete.

So auch dieses Ereignis, was Ben dazu veranlaßte, Angel um Hilfe zu bitten. Der Market-Dämon hatte in letzter Zeit düstere Visionen, war schweißnaß aufgewacht und vergrub sich hinter seinen Büchern um etwas über diese Vorahnungen herauszufinden...

 

Angel rieb sich die Augen, denn Tränen hatten sich darin gesammelt, als er von diesen Erinnerungen übermannt wurde. Eine wohlige Schwere überkam seinen Körper. Es wurde hell. Und der Vampir fiel in einen unruhigen Schlaf. Wilde Träume verfolgten ihn, ließen ihn sich hin und her werfen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät......

 

V

 

3.  Die Last der Schuld

 

Dublin National Airport: Als das Flugzeug landete, riß Angel die Augen auf. Er mußte eine Viertelstunde warten, bis sich die Laderampe des Gepäckabteils öffnete. Angel ließ den Wagen sofort an und fuhr rückwärts hinaus. Mit quietschenden Reifen brauste er auf den Highway in Richtung Stadt.

Es war über 150 Jahre her, vielleicht sogar noch länger, seit Angel das letzte Mal in seiner alten Geburtsstadt gewesen war. Er war keine 20, als es mit ihm bergabging und wo er die letzten Jahre seiner Sterblichkeit in Dublin verbrachte. Ein paar Jahre später traf er auf Darla....

Er fuhr schnurstracks geradeaus und übersah sogar absichtlich rote Ampeln. Der Gegenverkehr konnte ihm noch gerade so ausweichen, das kein Unfall zustande kam. Angel hatte nur noch Ben vor Augen. Natürlich konnte er es nicht ändern, wenn ihm etwas zugestoßen war. Doch er würde diese Person, von der Ben sprach, beschützen, egal was kommen mag. Das war Angel ihm schuldig.

Je länger er fuhr, um so bekannter kam ihm die Gegend vor. Er schluckte und wischte sich kurz ein paar Tränen aus dem Gesicht. Dann endlich fand er die Straße in der die Hellshire Bibliothek stand. Wie sie sich in den Jahren wohl verändert hatte?

 

V

 

Der Wagen hinterließ eine lange Bremsspur, als Angel an den Straßenrand fuhr, um zu parken. Einige Fußgänger sahen sich nach ihm um und ihre Schritte wurden schneller, als sie beobachteten, das der Mann aus dem Wagen sprang und direkt vor dem Eingang zur Hellshire Bibliothek landete.

Angel beachtete nicht, was um ihn herum geschah. Er hatte andere Sorgen. Er hoffte, daß die Tür auch diesmal noch offentstand. In zwei Stunden wurde es hell. Angel drückte sich gegen die hölzerne Tür, die mit vielen Inschriften verziert war. Sie ging auf.

Als er in die Eingangshalle lief, blieb er stehen. Langsam ging er weiter. Bevor er nach Ben rief, wollte er sich vergewissern, ob die Person oder Personen, die Ben anscheinend angegriffen haben, noch da waren.

Die Regale waren jetzt nicht mehr so hoch, wie damals. Tische mit Computern, Sitzecken und moderne Lampen war die moderne Ausstattung der uralten Bibliothek. Nur die schweren, schwarzen, eisernen Lüster erinnerten an die Zeit von damals. Selbst die Kerzen waren weiß, groß und dick, wie früher.

Wandgemälde und Malereien an den Wänden selbst fielen Angel ins Auge. Gedankenversunken schlich er durch die schmalen Gänge. Verließ sich auf seinen Instinkt und spitzte Augen, Ohren und Nase, um wachsam zu sein, wenn Gefahr drohte. Er witterte Blut. Kurz vor ihm vernahm er plötzlich ein leichtes Husten. „Ben?“ Angels Schritte wurden schneller. Als er zu der Stelle kam, wo er das Geräusch vernommen hatte, sah er umgestürzte Regale, zerrissene Bücher. Ein Kampf hatte stattgefunden. Er ging weiter. „Ben, bist Du verletzt? Ich bin hier...“ weiter kam der Vampir nicht. Er wich zurück, denn eine unsichtbare Barriere hielt ihn davon ab, weiterzugehen. Es war ein Schutz gegen Feinde. Eine andere Stimme, fast wie die eines Kindes, war zu hören. Ein Mädchen weinte und flüsterte jemandem etwas zu. Plötzlich war die Barriere verschwunden. Angel konnte den Weg fortsetzen. Er stieg über umgestürzte Regale und zerstörte Stühle und Tische. Dort lag sein alter Freund, Benjamin O´Rurke. Er hatte eine schwarze Kutte an, doch darunter trug er einen modernen Herrenanzug. In der Mitte des Brustkorbes war viel Blut. Dann entdeckte er ein etwa 12jähriges Mädchen, lange, blonde Haare, blaß, blaue Augen, in einem Jeansanzug. Sie hielt etwas Glitzerndes an die Wunde des Archivars. Als sie Angel erblickte, verschwand das merkwürdige Etwas sofort hinter ihrem Rücken. Angel stutzte. Im Gesicht des Mädchens waren zwei chinesische Schriftzeichen in Schwarz eintätowiert. Ein Wort bedeutete „Bewahrer“, das andere „Kelchkind Solmons“. Bevor Angel zum Reden ansetzen konnte, hob Ben schwach die Hand: „Du bist gekommen, alter Freund...ich wußte...auf Dich ist...Verlaß. Komm her zu mir....es geht zuende...“ er ließ die Hand sinken. Das Mädchen schluckte, wollte sich erheben, um die beiden allein zu lassen, doch Ben hielt sie zurück: „Bleib, Kisha. Das ist der Mann von dem ich Dir erzählte. Er ist...ein Vampir...keine Angst, er hat eine Seele...er wird...Dich beschützen....bleib...wir haben keine...Zeit mehr...“

Kisha wischte sich verstohlen eine Träne fort. Sie nickte ihm zu. Sie sah zu Angel und winkte ihn zu sich: „Komm, hör ihm einfach zu. Wenn er es nicht schafft, Dir alles zu erklären, werde ich das übernehmen.“ Angel lächelte das kleine Mädchen, was Ben anscheinend am Herzen lag, kurz an.

Er kam näher und beugte sich zu Ben hinunter: „Oh, Ben, es tut mir so leid. Geht es?“ Er sah das dunkle Blut auf Bens Brust. Es war fast schwarz. Ben hustete und auch aus seinem Mund kam etwas Blut. „Angel, Du bist da, das allein zählt. Es geht um die Kleine. Kisha. Sie ist etwas Besonderes. Liebes, zeig ihm den Kelch...“ Er hustete, verzog das Gesicht vor Schmerzen.

Kisha holte den Kelch hinter ihrem Rücken hervor. Da Ben immer noch hustete, setzte Kisha an: „Ich bin Bewahrer des Kelchs Solmons, ein Blutkelch von höchster Macht. Nur todgeweihte Kinder sind auserwählt, diese Bürde auf sich zu nehmen. Ich habe Leukämie im Endstadium gehabt, als ich berufen wurde. Wir werden mit der Aufgabe betreut, mächtige Relikte vor den ranghöchsten Dämonen zu schützen. Denn diese wollen die Relikte zur Nutzung ihrer Macht besitzen. Wenn diese Dämonen die Relikte in die Hände bekämen...wäre das fatal. Du kennst sicher die Gesetze, denen sich auch ranghohe Dämonen fügen müssen, Vampir? Kinder sind heilig. Nur für Blutopfer oder als Nahrung dienen sie ihnen, wenn die Dämonen das absolute Böse verkörpern. Wenn sie wissen, daß wir in Besitz dieser Relikte sind, würden sie uns töten. Doch unser Schicksal ist besiegelt. Sobald unser Beschützer stirbt, werden wir einem neuen Beschützer übergeben. Sobald der Kelch in gute Hände gerät, ist unsere Aufgabe erfüllt. Wir sterben. Ben dachte, Du wärst der Geeignete, um mich vor den Dämonenherrschern zu beschützen und das Relikt an Dich zu nehmen. Denn sie schicken nicht ihre Diener oder menschliche Hüllen auf die Jagd nach uns und dem Kelch. Sie kommen selbst. Ben hat mich mit seinem Leben beschützt. Du siehst ja, was der Preis ist...“ sie verstummte und begann zu weinen.

Angel mußte schlucken und das Gehörte erst einmal verarbeiten. Dieses Kind hatte eine Menge auf sich genommen. Ben hörte auf zu husten. Er hob den Kopf und setzte zum Sprechen an. Es war nur ein leises Krächzen: „Bitte...gib acht auf sie....es war ein Kelmoch hier, Angel. Du weißt, wer...was sie anrichten...Kisha ist stark und hat Willenskraft. Sie beherrscht die Telekinese und hat versucht....mich zu schützen...der Kelmoch hat...mich mit seinen spitzen Fingerhaken durchbohrt...Du weißt, sie haben vergiftete Enden...“Angel schluckte erneut den dicken Klos hinunter und nickte. „Ich weiß, Ben. Es ist also Kisha, die ich schützen soll und diesen...Kelch. Aber wieso wird Kisha sterben, wenn...“ Er nahm den Kelch in die Hand. Er war schwer, mit vielen verschiedenen Schriften und Edelsteinen verziert. Blut klebte an der Innenseite. Kisha nahm ihm den Kelch aus der Hand. „Als Vampir weißt Du ja, was Blut für einen Wert hat. Dieses Blut was Du siehst, ist von Ben und mir. Solmon war eine Heiligenstätte für Auserwählte und die ranghöchsten Dämonen aller Dimensionen. Wenn sich ihr Blut in diesem Kelch zu einem vermischt, wächst die Macht des Kelches ebenso. Dieser goldene Becher ist dazu in der Lage, die Welt zu zerstören, Angel. Das Blut vieler ist hier drin. Der Kelch saugt den Lebenssaft in sich auf und mit ihm auch die Macht und Eigenschaften jedes einzelnen Dämons. Er speichert die Kräfte derer, die ihm sein Blut geben. Sowohl im Guten, als auch im Bösen. Doch das Böse ist übermächtig. Wir, die Bewahrer, hüten diese Relikte seit Jahrhunderten. Für diese Aufgabe werden wir unsterblich gemacht. Wenn sie beendet ist, können wir friedlich einschlafen. Ohne Schmerzen.“ Angel nickte.

Er bekam gehörigen Respekt vor diesem Kind. „Und...was ist mit...ihrer Familie?“ Ben schüttelte den Kopf. „Sie werden in der Erinnerung gelassen, ihr Kind sei gestorben. Oft passiert es auch, daß die Eltern mitbekommen, wie die Krieger Solmons sie in eine andere Dimension holen. Doch die Erwachsenen werden natürlich mit einem Zauber belegt, der sie vergessen läßt. Nur ganz wenige Kinder werden schon mit der Berufung geboren und sofort nach der Geburt mitgenommen. In einigen Kulturen bereitet man auch die gesamte Familie auf die Bürde ihres Kindes vor. Doch das passiert nicht mehr sooft. Es ist gefährlich...“ Er legte sich zurück und schloß die Augen. Er atmete flach....

Kisha begann leise zu weinen. Sie flüsterte: „Geh noch nicht...bitte...ich hab Angst.“ Der Archivar schüttelte leicht den Kopf: „Du brauchst Dich nicht zu fürchten. Angel ist nicht wie andere, das kannst Du spüren. Ich weiß...es bringt nicht...viel, wegzulaufen...sie finden...euch überall...doch...wenn sich Dein...Schicksal erfüllt...“ er brach ab. Kisha nickte nur und sah Angel an.

Auch der Vampir kämpfte mit den Tränen. Sein alter Freund Ben war gestorben. Kisha umarmte den alten Dämon kurz, steckte den Kelch in ihren Rucksack, ging zum Telefon, um jemanden anzurufen. „Wen willst Du erreichen?“ Kisha sprach leise: „Theo. Ben sagt, im Falle seines Todes soll ich ihn anrufen. Alles weitere wird veranlaßt. Wir müssen gehen. Ich kenne einen Geheimgang. Wir sind zwar eigentlich nirgendwo sicher, doch....wir können uns Zeit verschaffen.“

Angel nickte nur. Kisha war nicht nur tapfer und clever, sie wußte auch, was sie wollte und ließ sich nicht davon abbringen. Angel erkannte fast sich selbst in diesem Kind. Als Kisha fertig war, umarmte sie Angel einfach nur. „Danke. Du warst sein Freund. Zu meinem wirst Du.“ Angel war gerührt über diese Geste. Er strich dem Mädchen übers Haar. „Laß uns gehen.“

Ohne noch einmal einen Blick auf Ben zu werfen, liefen die beiden durch die langen Gäne, hinter eine Regalwand. Dort zog Kisha ein großes, rotes Buch heraus und die Wand glitt zur Seite. „Wow. Ein Geheimgang.“ staunte Angel. Es führten schmale Steintreppen nach unten. Als Kisha mit Angel hindurchging, schloß sich die Wand hinter ihnen.

Kisha griff nach Angels Hand. „Dort liegt eine Pechfackel. Wir müssen immer in Bewegung bleiben. Ich weiß nicht, was passiert, aber....sie können schneller hier sein, als wir denken. Oder es.“ Angel nahm die Pechfackel und fand auch Streichhölzer unter einem Stein. Kisha mußte diese Fluchtwege des öfteren benutzt haben: „So lernte ich Ben kennen. Es war vor ein paar hundert Jahren. Eine Lesung fand statt und ich war auf der Flucht vor einem Kardesch. Als Ben mich sah, ich war voller Blut...allerdings nicht meines...nahm er mich sofort mit und schickte mich in diese Gänge....“ sie weinte wieder. Angel hob die Fackel hoch und nickte: „Ist schon gut, Kisha. Laß uns gehen.“

 

V

 

Eigentlich war Angel jetzt Kishas Beschützer und Führer. Doch er hatte das Gefühl, daß er selbst Schutz brauchte und diesen auch erhielt. Kisha war eine uralte Dame in einem jungen Körper, so schien es ihm. Er hatte das Gefühl, nicht allein zu sein. Und soetwas passierte dem Vampir selten. Das ausgerechnet ein auserwähltes Kind, was zum Sterben verurteilt war, nachdem seine Aufgabe erfüllt wurde, hätte er nie erwartet. Dieses Mädchen lebte für ihre Aufgabe jeden Augenblick. Er wußte nicht, welchen Gefahren sie ausgesetzt waren. Wieviele Dämonen höheren Ranges auf sie einstürmen oder welche Macht sie hatten. Die Menge der Gegner, gegen Kisha sich schon geschützt hatte, wollte Angel sich gar nicht erst ausmahlen. Sie liefen stumm und schnell durch die engen, langen Gänge.

Angel roch ab und zu fremde Gestalten, die sich anscheinend in diesen unterirdischen Gewölben ein zuhause geschaffen hatten. Kisha sah sich nervös nach allen Seiten um und winkte Angel immer wieder heran, ihr zu folgen. Sie kamen zu einer weiteren Treppe, die steil nach unten führte. „Je tiefer wir kommen, um so gefährlicher kann es werden. Es ist länger her, seit ich das letzte Mal hier untergetaucht bin. Ich weiß nicht, was uns erwartet. Es können Horden dort lauern oder ein einzelnes Wesen. Ich kann ein Schutzschild um uns aufbauen oder etwas gegen ihn schleudern oder ihn durch schnelle Bewegungen verwirren. Doch ob es ausreicht...“ sie hörte auf zu flüstern.

Ihre großen Augen blickten den Vampir ernst an. „Ich bin bei Dir, Kisha, egal was passiert. Ich beschütze Dich und werde verhindern, daß uns beiden etwas geschieht. Du bist sehr tapfer.“ Kisha lächelte kurz: „Ich weiß. Und alles nur, wegen einem Gefäß, daß die Welt zerstören kann.“ Sie lief weiter voraus.

Angel lief hinter der Kleinen her. Der Geruch wurde immer strenger. Das gefiel ihm gar nicht. Etwas sehr Altes schien da unten auf sie zu warten. Er schüttelte den Gedanken von sich, daß die Zwei nicht mehr lebend dort herauskommen würden....

 

V

 

4.  Angstgefühle

 

Die beiden Unsterblichen liefen jetzt schon eine Dreiviertelstunde durch die engen Gänge. Als sie die steile Treppe hinunter gelaufen waren, teilte sich der Raum in mehrere Abzweigungen. Kisha ging zielstrebig nach links. „Gleich kommen wir in eine große Kammer. Dort ist ein enormer Schatz an besonders wertvollen Büchern, die weder den Sterblichen, noch den Dämonen auszuhändigen ist. Früher hieß es, das ein uralter Lindwurm die Bücher bewacht haben soll. Doch heutzutage glaube ich nicht, daß noch Drachen in diesen Gewölben Bücher bewachen. Angel blieb stehen. Er hielt Kisha kurz am Arm fest. „Riechst Du nichts?“ Kisha riß sich los. „Was soll das? Wir dürfen nicht stehen bleiben.“ Doch sie schnupperte kurz. Sah nach oben. Dicke Spinnenweben hingen von der Decke. Sie schüttelte den Kopf. „Ich würde es spüren, wenn wir in Gefahr sind. Komm jetzt. Ich weiß auch nicht, was hier unten ist. Wonach riecht es denn?“

Angel hielt sich den Handrücken vor die Nase: „Je weiter wir gehen, um so schlimmer wird es. Alt...krank....ich schätze, es ist nicht nett zu uns...was immer es auch ist.“ Kisha verdrehte die Augen: „Ben sagte schon, Du bist manchmal merkwürdig. Das liegt an der Seele, die Du hast, nicht wahr? Naja, wenn Du keine hättest, könntest Du mich nicht beschützen. Apropos beschützen. Was ist nun? Wollen wir weitergehen oder soll ich lieber ohne Dich weitergehen. Je länger wir zögern, um so...“ weiter kam Kisha nicht, denn ein Geräusch ließ die beiden zusammenzucken. Ein dunkles, bedrohliches Knurren, es schien von allen Seiten zu kommen, unterbrach Kisha. Angel ließ die Fackel zu Boden fallen und lehnte sich an die Wand. Kisha sah nach oben, nahm beide Arme hoch, murmelte etwas auf Latein und ein violettes Schutzschild in Form eines Kreises bildete sich um die beiden. Angel berührte es und fühlte reine Energie. Es war ein ziemlich starkes Kraftfeld. Die Kleine hat ganz schön was drauf, dachte er. Kisha schmiegte sich an seine Brust. Sie zitterte. Sie sah Angel an und sprach in Gedanken zu ihm: „Sag nichts, denk nichts, beweg dich nicht. Alles, was jetzt auf uns zukommt, es kann uns wittern, aber nicht sehen. Ich habe uns unsichtbar gemacht. Es hält hoffentlich länger, als sonst. Ich kann es nicht immer kontrollieren.“ Sie kniff die Augen zusammen. Angel konnte ihre Angst spüren und auch riechen.

Auch er schloß die Augen. Es gab kein Entrinnen. Sie konnten sich nicht verstecken und an Weglaufen war nicht zu denken. Sie mußten sich dem stellen, was da fauchte. Das Knurren war nicht mehr zu hören. Etwas schleifte in unregelmäßigen Abständen schwerfällig und ganz in der Nähe der Zwei jetzt  auf dem Boden und kam näher. War es doch ein Lindwurm? Ein Wächter? Die beiden sahen sich nach allen Seiten um. Ihnen stockte der Atem, als die Wände plötzlich aufbrachen. Steine bröckelten zu Boden...eine Knochenhand nach der anderen kam zum Vorschein, dann Arme...Brustkörbe...die Toten waren auferstanden. Eingemauerte Menschen oder andere Wesen krochen aus den Wänden. Der Boden unter ihnen brach auf. Tausende Kriechtiere, wie Käfer, Spinnen, Ratten, Würmer in allen Größen liefen, krochen in Panik davon.

Als Angel das sah, hielt auch er Kisha fest. Noch nie hatte er sich so ausgeliefert gefühlt. So hilflos. Ein toller Beschützer bist Du, stehst hier mit einem Kind und Dir schlottern die Knie! Doch er wußte nicht, was er tun sollte. Er versuchte, an Buffy zu denken. An seine große, alte Liebe. Wenn sie doch jetzt hier wäre...Es kam näher. Es schnaufte. Knurrte laut. Der Gestank war unerträglich geworden. Beide tränten die Augen. Sie hielten sich Mund und Nase zu. Kisha umarmte Angel so fest, das er sogar Schmerz empfand. Doch er ließ es geschehen. Und da sahen sie, was auf sie zu kroch.....

 

V

 

5.  Im Angesicht des Bösen

 

 

Die Blicke von Angel und Kisha gingen in die Höhe. Angel hielt sich die Nase zu, denn der Geruch konnte auch dem Kraftfeld nicht standhalten. Kisha drückte so fest gegen Angels Brustkorb und zitterte stark, das der Vampir nach Luft japste. Es wurde dunkel um sie herum. Ein Zischeln war zu hören. „Die Schlange von Solmon. Oh, nein.“ Flüsterte Kisha leise. Angel und Kisha blickten zu einer etwa 5 Meter hohen Schlange, die einer Kobra ähnlich sah. Ihr v-förmiger, riesiger Kopf zuckte nach links und rechts. Ihre gelben Augen glühten im Dunkel. Ihre schwarze, lange Zunge peitschte vor und zurück. Sie kam mit ihrem Kopf zu den beiden hinunter, langsam und bedrohlich. Als ihre Zunge das Kraftfeld berührte, gab es einige kleine zuckende, helle Blitze. Die Schlange fauchte und zuckte zurück. Dann hörten die beiden ihre Stimme. Sie sprach in Gedanken zu ihnen: „Ich weiß nicht, wer ihr seid. Ich weiß nur, was ihr in eurem Besitz habt. Gebt es heraus und ihr werdet leben. Weigert ihr euch, werdet nicht nur ihr es sein, die den Tod erleidet.“ Es war die rauchige, tiefe Stimme einer Frau. Kisha löste sich aus Angels Umarmung und hielt ihr den Kelch entgegen mit zitternden Händen. Sie sprach mit fester Stimme: „Ich bin die Bewahrerin des Kelches Solmons und ich werde nicht zulassen, daß Du ihn bekommst!“ Sie schloß die Augen und murmelte Beschwörungen, die Angel nicht verstand. Der Kopf der Schlange zuckte immer noch hin und her und ihre Zunge peitschte gefährlich schnell vor und zurück. Ihr Schwanz hob sich und bewegte sich pfeilartig auf das Kraftfeld zu. Angel hörte das Kind in Gedanken zu sich sprechen: „Sie will das Kraftfeld mit ihrem Schwanz zerstören, dort ist die meiste Energie. Doch den Tod findet sie, wenn man ihre Augen angreift. Wenn das Kraftfeld deaktiviert ist, laufe ich zu der großen Kammer. Sie kann von innen verriegelt werden. Versuch Du, mit Steinen oder ähnlichem, ihre Augen zu treffen. Ich versuche mit Telekinese Staub aufzuwirbeln, das macht sie für einen Moment orientierungslos. Einverstanden?“ Angel hörte die Worte auf sich einprasseln und nickte einfach. Er war überwältigt von diesem Monster. Er fühlte ihre Macht und das sie uralt sein mußte.

Plötzlich prallte etwas Hartes und Schweres gegen das Kraftfeld. Funken sprühten, Blitze zuckten und dann war das Feld verschwunden. Kisha kniff die Augen zusammen, bewegte die Arme im Laufen nach allen Seiten. Staub wirbelte auf, Steine flogen und auch alles andere, was aus dem Wänden gekrochen kam, flog der riesigen Schlange entgegen.

Angel griff nach zwei großen Brocken, die ziemlich spitz aussahen und warf sie nach der Schlange. Er verfehlte die Augen nur knapp, behielt den Schwanz im Auge. Ihr Kopf schnellte gefährlich vor, ihre gewaltigen langen, spitzen Zähne offenbarten sich und kamen dem Gesicht des Vampirs gefährlich nahe.

Angel tastete schnell nach neuen Steinen und ließ die Schlange so nah wie möglich an sich heran. Er hörte erneut ihre Stimme in seinen Gedanken: „Ein Vampir mit Seele ist eine Schande. Du wirst sterben!“ Gerade, als die Schlange ihr Maul öffnen wollte, als würde sie Angel verschlingen, schoß der Vampir mit beiden Armen nach vorne und schmiß mit ganzer Kraft zwei spitze Steine in Richtung ihrer Augen.

Diesmal traf er. Die Schlange zischte und fauchte, prallte zurück...ihr Kopf und ihr Körper schlackerten hin und her, so daß die Wände von allen Seiten Risse bekamen. Der Boden unter seinen Füßen wurde immer glitschiger, er trat auf Würmer, Käfer, es wurde immer mehr. Alle rannten so schnell wie möglich in eine Richtung davon.

Auch Angel nutzte diese Gelegenheit. Er lief, stolperte, wuchtete sich hoch und sah eine große Tür, vor der Fackeln standen. Angel pochte dagegen: „Kisha, bist du da drin?“ schrie er. Die Tür glitt nach links, Angel huschte hinein.

Erschöpft ließ er sich auf den Boden sinken. Kisha umarmte ihn und weinte. „Du lebst. Gottseidank.“ Angel roch an dem Kind, das es ihr nicht gut ging. Sie war schwach. Er hob ihr Kinn an, sah ihr in die Augen: „Geht es Dir nicht gut?“ Kisha lächelte schwach. „Deine Aufgabe ist erfüllt. Du hast mich beschützt. Meine Aufgabe ist auch beendet. Ich habe den Kelch mit meinem Leben bewacht.“ Sie holte ihn hervor und reichte ihn Angel. „Wenn Du ihm ein paar Tropfen Deines Blutes gibst, Angel, wird das Gute in diesem Relikt gestärkt. Du mußt..ihn..solange aufbewahren, bis...der neue Bewahrer kommt und...“ sie brach ab. Sie sank auf die Knie. Angel wußte, das Kishas Aufgabe nun erfüllt war. Sie starb.

Angel hob sie auf die Arme und legte sie auf einen steinernen Tisch, der in der Mitte der Kammer stand. Er weinte. „Geh nicht...ich will nicht, das Du einfach so gehst..oh, Kisha..“ Er streichelte ihr durchs Haar. Sie wurde sehr blaß. „Versprich mir...das Du...den Kelch an Dich..nimmst...gib ihm..Dein Blut...“ sie neigte den Kopf zur Seite, atmete noch einmal tief ein...und dann ging sie hinüber in eine andere Welt. „Kisha, nein!“ Angel war so erschüttert, das er sie an sich drückte und in den Armen wiegte. Er ließ seinen Gefühlen freien Lauf....

 

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6.  Das Schicksal der Helden

 

Der Vampir mit Seele wußte nicht, wie lange er das verstorbene Kind weinend in seinen Armen hielt. Er begriff plötzlich, das nicht nur er den Kampf gegen das Böse angenommen hatte. Auch Kinder wurden nicht verschont. Unschuldige Kinder. Dieses Mädchen löste ihn Angel ungewollte Gefühle aus. Er wußte, daß nichts endgültig war. Er spürte ein Band zwischen Kisha und sich. Sie gab ebenso wenig auf, wie er. Sie kämpfe bis zum Tod, nahm ihn in Kauf. Sie war sich bewußt, daß sie sterben würde. Ob auserwählt oder nicht. Die Mächte der Ewigkeit hatten auch vor Kindern nicht halt gemacht, sie in ihre Welt zu holen. Denn Kinder sind die Pfeiler der Zukunft. Angel ließ sie los, betrachtete sie still. Er nahm ihr die Tasche ab und ließ das Kind einfach auf der Steinplatte liegen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ er die Kammer.

Die Schlange lag tot und bereits verwesend auf dem Boden.  Aus ihren verletzten Augen sickerte schwarzes Blut. Angel stupste sie noch einmal an, um sicher zu gehen, das sie auch wirklich tot war. Als sie sich nicht rührte, stieg er über das gefährliche Schwanzende und verließ den Geheimgang auf dieselbe Weise, wie sie hineingelangten. Die Toten und das Ungeziefer lagen vereinzelt verstreut im Weg. Sobald Angel auf eins der Knochen trat, zerfiel alles zu Staub.

Als er in der Halle ankam, war Ben verschwunden. Ebenso die Zerstörung der Möbel war beseitigt und durch neue ersetzt worden. Kisha hatte recht. Es wurde dafür gesorgt, das keine Spuren des Chaos sichtbar waren. So machte sich Angel wieder auf den Heimweg in seine Agentur.

 

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Schweigend stieg Angel in seinen Wagen. Es war gegen 3 Uhr morgens, als er die Bibliothek verließ. An Cordi, Wes und Gunn dachte er nicht. Sie würden wahrscheinlich auf ihn warten, wenn sie den Zettel gelesen hatten. Der Vampir fühlte jeden Knochen einzeln. Er war erschöpft und traurig. Er hatte einen Freund verloren. Und ein Kind. Er begann Kisha zu mögen, doch dann starb sie. Wie lange sie wohl schon als Unsterbliche existierte? Ihre Augen verrieten Angel, das sie sogar älter war, als er. Er konnte nicht in ihre Gedanken eindringen. Das wollte er auch nicht. Er fühlte, das Kisha froh gewesen war, das er für sie da gewesen ist. Um das Geschehene nicht zu sehr an die Oberfläche dringen zu lassen, trat Angel aufs Gas und erreichte den Flughafen innerhalb von 30 Minuten.

Erst als er im Flugzeug saß, begann er sich in den Sitz zu drücken, die Augen zu schließen und etwas auszuruhen. Kishas Tasche hatte er fest vor seinen Armen verschränkt. Er würde dieses bedeutsame Relikt beschützen. Solange, bis ein neues Kind erschien, um seine Aufgabe zu erfüllen. Das hatte er Kisha versprochen. Als ihm die Schlange von Solmon noch einmal im Traum erschien, schreckte Angel kurz hoch. Sein Nachbar, ein fettleibiger Mann mit dicker Hornbrille und Schweiß auf der Stirn, sah ihn merkwürdig an: „Alles ok, Mister?“ Angel mußte unwillkürlich lächeln. Er schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht. Aber danke der Nachfrage, Mister.“

Der Dicke hob die Schultern und widmete sich wieder seinem angebissenem Sandwitch, das in seinen dicken Wurstfingern fast verschwand. Angel fand den Geruch des Fleisches mehr als nur widerlich. Doch er behielt die Nerven. Das Blut des dicken Mannes war um so süßer. Doch da Angel ja nicht töten konnte, entspannte er sich wieder und verschlief den Rest des Fluges bis nach L. A.

 

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Die Stimme des Captains weckte Angel aus seinem Dämmerschlaf. Sein Kopf brummte und er fühlte sich wie gerädert. Er drückte die Tasche an sich und fühlte die Umrisse des Blutkelches. „Mr., was ist los mit Ihnen? Wollen Sie nicht aussteigen? Wir sind in L.A!“ hörte er die Stimme des dicken Mannes neben sich. Sein Atem roch nach Schnaps. Angewidert sah er zur anderen Seite, nickte und erhob sich. Es war kurz vor sechs Uhr. Die Sonne würde bald aufgehen. Angel stieg schnellstmöglich in sein Auto und brauste mit quietschenden Reifen zurück zur Agentur. Kishas Gesicht immer wieder vor Augen, kamen Angel die Tränen, ob er wollte oder nicht. Wie sooft gab er sich die Schuld, nicht geholfen haben zu können. Wie sooft grübelte er, was hätte sein können, wenn sie noch leben würde. Früher oder später hätte sich ihr Schicksal erfüllt. Angel fühlte sich unwichtig. Er sah ein, das es noch andere Dinge im Leben gab, als den Helden zu spielen. Er war hier in diesem Fall einfach nur ein Freund und Helfer. Der wahre Held in dieser Geschichte war Kisha. Sie hatte eine große Aufgabe und eine Last zu tragen. Sie zahlte einen hohen Preis. Und das sogar freiwillig. Sie war einzigartig. Und es gab noch mehr Kinder wie sie.

Als Angel endlich bei seiner Agentur ankam, sah er innen Licht brennen. Die Sonne kam langsam hinter den Wolkenkratzern hervor. Angel stieß die Tür auf und viel auf die Knie. Die Tasche glitt von seinen Schultern und der Kelch rollte heraus, über den Boden. Angel wurde von seinen Gefühlen überwältigt. Der sonst so kühle Vampir begann, laut zu schluchzen. Er weinte. Er schlug mit den Händen auf dem Boden und rief Kishas Namen immer wieder. Der Kelch führte jedoch plötzlich ein seltsames Eigenleben. Er begann zu leuchten und sich vom Boden abzuheben. Gleißendes Licht umgab das Relikt, hell und strahlend. Angel wurde dermaßen geblendet, daß er sich die Augen zuhalten mußte. Und das Licht tat ihm sogar körperlich weh! Er fühlte tausend Nadeln, die immer wieder auf seinen gesamten Körper einzustechen schienen. Sein Weinen ging in ein Schreien über....Der Kelch erhob sich über ihm und strahlte immer heller und heller.....Angels Schmerzen wurden immer stärker...er schrie....

 

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7.  Blutzoll

 

Wesley und Cordi saßen in Decken gewickelt im Arbeitszimmer und waren eingenickt. Erst, als Cordelia die Schreie vernahm, erwachte sie aus ihrem Tiefschlaf. „Wes? Wes! Hörst Du das? Es klingt nach...Angel!!!“ Sie sprang sofort auf, lief zu ihrem Partner, der sich die Augen rieb und überrascht zu Cordelia blickte, die ihn an den Schultern rüttelte. „Hörst Du das nicht??? Angel ist zurück! Es kommt aus der Eingangshalle! Er hat Schmerzen!“ Wesley erhob sich natürlich sofort und nickte Cordelia zu. Beide liefen in Richtung der Hilfeschreie. Sie fanden Angel, zusammengekauert auf dem Boden vor der Tür. Auch sie mußten sich die Augen zu halten, da dieses Licht den ganzen Raum erfüllte. „Was ist das?“ Cordelia tastete sich zu Angel. Er rief immer einen Namen: „Kisha, oh bitte...“ Cordi fühlte seine Hände. Sie waren eiskalt. „Angel, ich bin’s! Was ist los? Was hast Du?“ Als Angel Cordis Gesicht ertastete, hielt er sich krampfhaft an ihr fest. Er zitterte. Sein gesamter Körper verkrampfte. Wesley lehnte an der Wand und blinzelte: „Oh, mein Gott, das ist ein Blutkelch-Ritual! Es..ist der Kelch von Solmon! Mein Gott! Wir...müssen ihm unser Blut geben, Cordelia...und zwar..sofort!!!! Versuch, Angel herzubringen...“

Wesley tastete sich an der Wand entlang. Der Kelch schwebte in seiner Körperhöhe. Er sah keine andere Möglichkeit, als seine Brille auf den Boden zu werfen, die zerbrochenen Gläser durch seine Hand zu ziehen. Seine Hand trug blutige Striemen. Er hielt sie über das uralte Relikt. Die ersten Blutstropfen erreichten den Boden. Das Licht wurde langsam schwächer. Cordelia versuchte, Angel, der immer noch Schmerzen zu haben schien, da er sich krümmte, zu dem Kelch hinzuziehen. Wesley redete laut und bestimmt auf den Vampir ein: „Angel...was immer Du auch erlebt hast, um wen immer Du trauerst, laß los. Es ist alles gut. Der Kelch absorbiert Deine Energie und Deine Gedanken. Denk nicht schlecht von Dir, hörst Du! Der Blutkelch von Solmon ist uralt, Angel! Er absorbiert alle Arten von Energien und je stärker die böse ist, um so mehr Macht hat er! Cordi, bring ihn her...gib mir deine Hand!“ Cordi schob Angel vor sich her, der japste nach Luft und hielt ihre Taille dermaßen fest umschlungen, das sie nach Luft rang. Als sie Wesleys Hand zu fassen bekam, fühlte sie einen leichten Schmerz und das sie naß war. „Was machst Du da? Was ist das? Was soll das?“ Wesley führte ihre Hand, die jetzt ebenfalls blutete, zu dem Relikt. Als ein paar Tropfen an den inneren Rand des Kelches gelangten, wurde das Licht wieder schwächer. Der Kelch sank langsam zu Boden. Wesley bekam Angel zu fassen. Angel war immer noch voller Schmerz und Trauer, das er noch nicht begriff. Wesley umfaßte mit beiden Händen sein Gesicht: „Angel! Sieh mich an! Hörst Du mich? Laß sie los! Laß Kisha gehen! Du kannst nichts mehr ändern! Du bist bei uns! Wir lieben Dich hörst Du???“ Er begann ebenso zu weinen. Er schlug Angel vor Verzweiflung ins Gesicht, verpaßte ihm eine Ohrfeige! „Wesley!“ rief Cordelia empört. Doch es half. Angel sah ihn an. Aus Reflex schlug er Wesley ebenso. „Was ist...wieso...Wes, Cordi...ich...“ doch bevor der verwirrte Untote weitersprechen konnte, hatte Wesley auch schon seine linke Hand gepackt, sie gedrückt, denn es befanden sich Glassplitter darin und die verletzte, blutende Hand Angels über den Kelch gehalten. Etwas Blut sickerte in den Kelch und das Licht verschwand genauso plötzlich, wie es gekommen war. Der Kelch sank zu Boden. Das Blut der Drei wurde vollkommen absorbiert.

Angel war Wesley und Cordelia so dankbar, daß er sie beide an sich drückte. „Es tut mir leid, ich war...“ Er verstummte. Er war so schwach, das seine Freunde ihn stützten. Sie legten ihn in sein Schlafzimmer, wo sie ihn mit Blut versorgten. Angel war so aufgewühlt, das er ihnen erzählte, wie er an den Blutkelch von Solmon gelangte. Erstaunt war er, daß Wesley sofort erkannte, worum es sich bei dem Relikt handelte. Dieser winkte ab: „Ich habe schon mehrere Blutkelche gesehen und dessen Rituale vollzogen, da kannte ich Dich noch gar nicht. Dieser Kelch hat eine unvorstellbare Macht. Er vereint Gut und Böse in sich, Angel. Wenn er in die falschen Hände gerät, kann das Auswirkungen auf die gesamte Erde haben. Kisha ist erlöst und sie starb in Frieden. Es war unsere Pflicht, mit Blut zu zahlen. Wenn Gunn kommt, wird er sicher auch noch ein paar Tropfen dafür hergeben. Ich versuche morgen früh gleich, etwas über diesen Theo herauszufinden, den Kisha angerufen hat. Vielleicht können wir Ben und ihr die letzte Ehre erweisen...“

Cordelia betrachtete den Blutkelch und fühlte sich ganz und gar nicht wohl in seiner Nähe. Ihr Kopf begann verdächtig zu schmerzen. Als wenn sie eine Vision erwarten würde. Doch die blieb aus. Sie beschloß, bei Angel zu bleiben, solange er sie brauchte. So aufgewühlt hatte sie ihren einstigen Boß schon lange nicht mehr erlebt. Wesley beschloß, Giles anzurufen, um zu beraten, wo man dieses wertvolle Relikt am besten aufbewahren könne. Der Zauberladen wäre wahrscheinlich keine so gute Wahl.

Angel fühlte sich dermaßen ermattet und er spürte auch, daß es hell war. So überkam ihn automatisch die Vampirstarre und er ruhte. Cordelia saß noch lange neben ihm, bis Wesley sie hochhob und auf die Couch im Arbeitszimmer legte und mit seiner Jacke zudeckte. Er informierte Gunn über das Geschehen, der sich sofort auf den Weg in die Agentur machte. Wesley fuhr nachhause, um einige Bücher zu wälzen. Sie mußten eigentlich ständig in Bewegung sein, denn hinter dem Kelch waren keine einfachen Dämonen oder dessen Diener her. Besonders in L. A lauerte die größte Gefahr. Wesley machte sich Sorgen. Auch Angels Verhalten wunderte ihn. Dieses Erlebnis schien den sonst so coolen Vampir verändert zu haben. Wesley bedachte auch, daß Angel niemals eigene Kinder haben kann. Es war zuviel für ihn. Es kam wahrscheinlich alles auf einmal. Wenn Angel nicht seine Aufgabe erfüllen konnte, fühlte er sich wie ein Versager. Das kam Wesley nur allzu bekannt vor. Er mußte an sich selbst denken.

Zuhause endlich angekommen, wälzte er sofort uralte Bücher über Blutrituale und Relikte. Er rief Giles an, der sehr aufgeregt drauf los plapperte, als Wes ihm die Geschichte schilderte: „Bist Du sicher, daß der Kelch echt ist? Weißt Du, wie wertvoll dieses Relikt ist? Kannst Du Dir vorstellen, welche Ausmaße es annimmt, wenn das Ding in falsche Hände gerät? Ist die Wächterin des Kelches zerstört worden? Diese Schlange? Und wo werden die Überreste der Bewahrer des Kelches verscharrt? Habt ihr Kontakt mit diesem Theo aufgenommen?“ Wesley konnte kaum unterbrechen: „Ich habe diesem Theo ein Telegramm überbringen lassen. Ich hoffe, er meldet sich. Wir wollen Kisha und Ben die letzte Ehre erweisen.“ Giles wurde wieder ruhiger: „Es gibt einen alten Friedhof für besondere Kinder, Auserwählte. Er ist an einem heiligen Ort in Dublin. Dort müßten sie Kisha und Ben hingebracht haben. Ich schicke Willow zu euch, sie nimmt sich des Kelches an. Es gibt ein gutes Versteck für ihn, bis der neue Bewahrer kommt. Wir werden ihm alle unser Blut geben. Je mehr desto besser...“ Wesley war froh, mit Giles gesprochen zu haben. Von den neusten Entwicklungen in Sunnydale wußte Wes allerdings noch nichts....Giles klang irgendwie betrübt. Doch er fragte nicht weiter.

Als auch ihn am frühen Nachmittag die Müdigkeit übermannte, schlief er über seinen Büchern gebeugt, ein.

 

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8.  Das letzte Geleit

 

Gunn traf am nächsten Morgen mit ernster Miene in der Agentur ein. Er sah Cordelia und Wesley in Angels Arbeitszimmer schlafen. Sofort fiel ihm der Blutkelch ins Auge. Er war noch etwas geschlaucht von seinem letzten Fall, der in den Bronx stattgefunden hatte. Eine üble Vampirbande hatte es ausschließlich auf schwarze Obdachlose abgesehen. Gunn hatte vier von acht Vampiren im Alleingang getötet. Gerade als Gunn auf den Kelch zugehen wollte, um sich ihn näher anzusehen, hörte er Wesleys Stimme hinter sich: „Gut, das Du gesund zurück bist, Gunn. Wir haben einiges erlebt. Angel ist vollkommen am Ende. Und alles wegen eines Blutkelches und eines auserwählten Kindes. Wärst Du bereit, Dein Blut herzugeben?“ Gunn zuckte mit den Schultern. Er nahm ein Messer, schnitt sich damit in den linken Daumen und ließ das Blut in den Kelch tropfen. „Wow, ein Kelch der Blut trinkt.“ Brachte er nur leise hervor.

Cordelia kam mit dunklen Rändern unter den Augen, zerzauster Frisur und einem Becher Kaffee in der Hand ins Arbeitszimmer. „Da ist ein Fax von Theo Gardener.“ Wesley ging mit Cordelia aus dem Zimmer. Angel schlief immer noch wie ein Stein. Er rührte sich nicht. Nur seine Augen zuckten hin und her. Er träumte.

Cordi reichte Wes einen Becher Kaffee und Gunn bediente sich selbst. Er lutschte wie ein Baby an seinem angeschnittenen Daumen und bekam von Cordi sogar ein Pflaster. „Danke Dir.“ Sagte Gunn betont höflich. Cordi sah kurz gen Himmel und lächelte ihn frech an. Wes las aufmerksam das Fax von Kishas und Bens Freund durch: „Verehrte Freunde, das was sie für Kisha und Ben getan haben, war mehr als ein Blutopfer. Die Körper der beiden werden in 3 Tagen gegen Mitternacht auf dem heiligem Friedhof Auserwählter bestattet. Er nennt sich „The Hill of Honer“. Ihr könnt mit Euren Freunden daran teilnehmen. Bewahrt das Relikt des Bösen gut auf, bis ein neues Kind für ihn bestimmt ist. Theo.“

Wes hob den Kopf und sah alle fragend an. Cordelia nickte, Gunn ebenso. Angel kam verschlafen hinzu. Wesley reichte ihm das Fax. „Ich werde Ben und Kisha die letzte Ehre erweisen. Ich brauche euch wahrscheinlich nicht zu fragen, ob ihr...“ Cordelia lächelte Angel an und reichte ihm einen Becher mit Blut. „Guten Morgen, Angel. Geht es Dir besser? Natürlich kommen wir mit.“ Gunn klopfte dem Vampir auf die Schultern: „Ich hab diesem Gold-Ding auch mein Blut gegeben. Alles klar mit Dir?“ Gunn sah ihn besorgt an. Angel winkte natürlich ab, tat cool: „Leute, mir geht es gut, ok?“ Wesley sah betreten zu Boden. Er hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen wegen der Ohrfeige: „Angel, ich..es tut mir leid, daß ich..“ begann er. Angel trank einen Schluck aus dem Becher und schüttelte den Kopf: „Es war nötig, Wesley. Du hast ja recht gehabt. Ich bin Dir sogar dankbar dafür, ok? Und jetzt laß uns einen Platz für den Kelch suchen. Er hat keine besonders gute Wirkung auf uns alle. Ich hoffe, daß Willow bald eintrifft.“

 

 

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Als die Hexe aus Sunnydale in der Agentur eintraf ging es auf den Spätnachmittag zu. Sie war auffallend blas. Angel empfing sie mit ernster Miene. Er spürte, daß sie etwas bewegte, doch sie verbarg es. Angel kannte Willow und war so einfühlsam, daß er nicht in ihre Gedanken eindrang. Sie umarmten sich kurz. Er übergab der Hexe den Kelch, welcher gut eingewickelt in der Tasche verstaut war. „Danke, daß Du Dich des Kelches annimmst, Will.“ Sagte Angel aufrichtig und auch mit Erleichterung. Willow Rosenberg lächelte kurz. Dann sagte sie ernst: „Ich werde mein Blut nicht in diesen Kelch lassen. Da ich auch mit schwarzer Magie in Berührung kam, ist es wahrscheinlich nicht so gut, wenn mein Blut für den Kelch eine dermaßen schlimme Auswirkung haben könnte.“ Angel war erstaunt und betroffen über diese Worte. Willow wurde sich ihrer Macht bewußt. Da sie auch mit den Kräften des Bösen umging, konnte ihr Blut natürlich nicht vorteilhaft für ein Relikt sein, das sich von diesen Kräften ernährte.

Sie nahm die Tasche an sich, drehte sich um und blickte nicht zurück Angel erkannte seine Freundin kaum. Sie hatte sich sehr verändert. Aus ihr war eine ernst zunehmende Hexe geworden. Hoffentlich keine Gegnerin, dachte er bei sich....

 

 

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Drei Tage später in Dublin auf dem Heiligenfriedhof: Angel, Wesley, Cordi und Gunn standen vor den zwei Särgen, Bens war schwarz, Kishas, deutlich kleiner und weiß, beide mit den Zeichen versehen, die in Kishas Gesicht tätowiert waren: „Bewahrer des Kelchs von Solmon“. Theo Gardner war ein Rapec-Dämon, er hatte den Kopf eines Löwen und den Körper eines Menschen. Er war in einer traditionellen roten Kutte gekleidet, die dieselben Zeichen trug, wie die beiden Särge. Mit tiefer, ernster Stimme hielt er eine bewegende Rede. Als Wes, Gunn und Cordi mit einer Schaufel Erde über die inzwischen in die Erde versenkten Särge verstreuten und sich dann entfernten, verharrte Angel noch etwas. „Ruht in Frieden.“ Flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. Wind kam plötzlich auf. Angel schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, stand eine weiße kleine Gestalt in wallendem Nebel gehüllt vor ihm. Kishas Geist!

Angel sah die Gestalt an. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. Er versuchte, zu sprechen, bekam aber keinen Ton hervor. Er hörte Kishas Stimme noch ein letztes Mal: „Du bist nicht allein, Angel. Du trägst keine Schuld an meinem Tod. Du bist ein guter Beschützer gewesen. Ich danke Dir.“ Dann fühlte Angel Kisha noch ein letztes Mal. Ihren Duft. Ihre Nähe. Der Geist flog durch Angel hindurch. Der Vampir atmete tief ein. Er wischte sich die Tränen fort, erhob sich, drehte sich um. Cordi, Wes und Gunn standen hinter ihm. Er ging auf sie zu. Sie umarmten sich schweigend. Noch nie fühlte Angel sich so geborgen, wie in diesem Augenblick mit seinem Team. Er brauchte sie. Sie brauchten ihn. Angel tat es gut, zu hören, das er nicht allein war. Und er wußte es. Noch am selben Abend flogen die Vier wieder zurück zur Agentur. Kaum kamen sie an, klingelte das Telefon....wieder ein neuer Fall, ein neues Abenteuer für die sie alles riskieren würden. Das war ihr Job. Ihre Bestimmung. Angel verschwand in seinem Schlafraum. Willow machte ihm Sorgen. Was verbarg sie. Wesley sagte, das Giles ebenfalls betrübt klang. Er war drauf und dran, Giles anzurufen. Doch dann ließ er es. Er legte sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Als er Gunn und Wesley seinen Namen schreien hörte, wurde er schlagartig wieder in die Realität geholt. Er lief ins Büro und sah Cordelia am Boden liegen. Sie hatte wieder eine Vision. Als er zu ihr laufen wollte, um ihr aufzuhelfen, hielt Wes ihm am Arm fest: „Nicht! Sieh sie Dir an!“ Als Cordelia den Kopf hob, starrte der erschrockene Angel in das Gesicht eines Vampirs...eines sehr alten Vampirs..“ Gunn wich zurück, lehnte sich an die Wand. Sie sprach mit veränderter Stimme zu Angel: „Ich werde mir den Kelch holen, koste es, was es wolle!“ Dann verschwand das Vampirgesicht wieder und Cordelia sah wieder normal aus. Sie hielt sich ihre Schläfen, die pochten wie verrückt und sah in erschrockene Gesichter: „Angel, was...Gunn Du siehst ja aus, als wenn Du ein Gespenst gesehen hast, Wes ist weiß wie die Wand...was zum Teufel ist in Euch gefahren? Ich bins doch!“

Angel half der ratlosen Cordelia Chase auf die Beine. „Vorhin warst Du es nicht...Du..hattest das Gesicht einer...Vampirin. Einer sehr alten Vampirin...“ Ungläubig schüttelte Cordi den Kopf, umfaßte ihr Gesicht und rannte in die Küche, wo ein Spiegel hing. Keine Spur von Veränderung. Wes wiederholte, was Cordi gesagt hatte, als sie verändert war. „Oh nein. Meine Vision....etwas ist hinter dem Kelch her...etwas sehr altes....durch ein Ritual soll es wieder erweckt werden...“

Angel war geschockt. Denn dieses Vampirgesicht kam ihm irgendwie bekannt vor. Als Angelus hatte er Bekanntschaft damit gemacht...ein neues, gefährliches Abenteuer begann, kaum, das daß andere vorbei war...Der Vampir wurde schlagartig von seiner Vergangenheit eingeholt. Wie es weitergehen würde, welche alte Macht sich hinter dem Vampirgesicht verbarg, mochte Angel nicht laut denken.

Kaum erholt, stürzten sich die vier Freunde wieder in die Arbeit. Cordelias besorgte Blicke in den Spiegel und das ständige Abtasten ihres Gesichtes verrieten ihre Angst, das ihr dieses Erlebnis noch einmal widerfährt. Zurecht, wie sich bald herausstellen würde...

 

ENDE

 

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