Roman |
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Diese
Geschichte ist wieder von Gruftine. Wer sich die Seiten ausdrucken möchte, dann nur zur eigenen Nutzung. Es ist ohne schriftliche Genehmigung der Autorin / des Autors nicht erlaubt, den Roman und Teile daraus zu vervielfältigen, systematisch auszuwerten oder auf gedrucktem bzw. elektronisch gespeichertem Weg zu verbreiten. Viel Spaß beim Lesen! |
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A
n g e l - Jäger in der Finsternis (2) Eigene Stories zur
Serie, erfunden von: Meike Benner Frühling 2002 R
e l i k t d e s B ö s e n Inhalt: Angel ist
diesmal allein in seiner Agentur, da seine Freunde mit anderen Fällen
beschäftigt sind. Er bekommt einen Anruf von Benjamin, dem Archivar der
ältesten Bibliothek in Dublin, Irland. Er ist ein alter Freund von
Angel und half ihm mit Chroniken über beseelte Vampire, als Angel kurz
darauf seinen Fluch erhielt, über die schweren Stunden hinweg. Diesmal
braucht Benjamin Angels Hilfe. Er soll nach Dublin reisen, um jemanden
zu beschützen. Mitten im Gespräch bricht die Verbindung plötzlich
zusammen. Angel bekommt noch mit, wie Benjamin gegen etwas kämpft. So
macht der Vampir mit dem Gewissen sich auf nach seiner alten Heimat
Irland. Er ahnt nicht, daß diese Reise sein Schicksal beeinflussen
wird... 1.
Alltagstrott Es war kurz vor
Mitternacht, als in der Agentur „Angel Investigations“ die Lichter
ausgingen. Jetzt, wo es Anfang Herbst war, häuften sich Cordelia Chase
Visionen nicht mehr so sehr, wie früher. Die Freunde, die für dem
Vampir mit dem Gewissen arbeiteten hatten gerade eigene Fälle zu bewältigen,
so das ihr Boß, Angel, allein in dem Gebäude war. So hatte er endlich
einmal Zeit für sich und auch Gelegenheit, alte Chroniken neu
aufzulisten, zu ordnen und durchzusehen. Im Laufe seines
untoten Daseins hatte Angel viele Chroniken gesammelt. Uralte Schätze
waren sogar darunter, wie eine über 1000 Jahre alte Blutbibel, die
angeblich der erstgeborene Meister der Vampire mit seinem eigenen Blut
geschrieben haben soll. Oder auch Zauberbücher, wo viele Sprüche oder
Prophezeiungen über den Höllenschlund standen in der Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Angel saß, im
Schein von dicken, weißen Kerzen, in seinem Arbeitszimmer. Auf dem
langen Tisch lagen viele Bücher ausgebreitet, gestapelt und offen
herum. Angel beugte sich gerade mit der Lupe über eine alte Inschrift
und versuchte sie zu entziffern, als ihn das Telefon aus seiner
Konzentration riß. Der Vampir trug ein dunkelrotes Seidenhemd, eine
schwarze Jeans und seit neustem auch eine schmale Brille mit blaugetönten
Gläsern. Er paßte sich der heutigen Zeit an, da diese Brillen zur Zeit
sehr in Mode kamen. Der 245jährige
Vampir tastete nach dem schwarzen Telefon, das unaufhörlich schrillte,
ohne die Lupe über der Schrift abzusetzen. Er nahm den Hörer an sein
Ohr und meldete sich kurz mit dem Standartsatz: „Angel Investigations,
was kann ich für Sie tun?“ Kurze Stille herrschte. Ein Rauschen und
Klicken war in der Leitung zu hören. Angel runzelte die Stirn, legte
die Lupe hin und wiederholte seinen Satz erneut. In kurzen Abständen
vernahm er eine rauhe Stimme, weit weg, die seinen Namen aussprach. Er
glaubte, diese Stimme zu kennen. Er stand auf: „Hallo? Sprechen Sie
lauter, die Verbindung ist sehr schlecht...“ Dann verstummte das
Rauschen und Knacken. Die Leitung war klar. „Hallo, Angel. Hier ist
Ben. Benjamin. Es ist lange her....“ Der Mann am anderen Ende
verstummte, um Angel Zeit zu geben, sich zu erinnern. Angel atmete tief
ein und schloß kurz die Augen. Benjamin O´Rourke war ein Market-Dämon.
Er sah aus wie eine Mischung aus Echse und Mensch. Vor über 100 Jahren
hatten die beiden ihre erste Begegnung, kurz nachdem Angel verflucht
worden war. Er irrte ziellos durch die Straßen Dublins und landete
schließlich in einer verfallenen Bibliothek. Ben sprach ihn an und wußte
sofort, was mit Angel los war. Er versorgte ihn mit den ersten Chroniken
über Vampire, die wie er verflucht worden waren. Sie freundeten sich
an. Ben versorgte Angel von da an mit vielen Büchern, was natürlich
nicht ganz ungefährlich war, da diese sehr wertvoll waren und jedes
Verschwinden im Archiv natürlich nicht auffallen durfte. Es existierten
natürlich naturgetreue Kopien von Originalen, die kaum voneinander zu
unterscheiden waren. Angel hatte selten Kopien von Ben erhalten, da
viele Bücher natürlich auch Magie in sich trugen. Es schien
jahrhundertelang her zu sein, seitdem sich die beiden alten Freunde zum
letzten Mal gesehen hatten. Angel rieb sich die Stirn, setzte sich erst
einmal hin. Endlich fand er Worte: „Ben? Benjamin O`Rourke? Du rufst
extra aus Dublin an? Darum ist die Leitung so schlecht....wie wahr, es
ist wirklich sehr lange her, alter Freund! Was ist los?“ Bens Stimme
klang jetzt ganz nah. Doch er sprach leise. „Bist Du allein? Hast Du
Zeit? Du mußt mich besuchen, wenn es geht, nimm die erste Maschine
heute noch. Ich brauche Dich, alter Freund. Es ist etwas passiert....Du
mußt jemanden für mich schützen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit noch
bleibt...und ich kann nicht sagen, ob Du mich noch lebend antreffen
wirst....wenn das nicht der Fall ist, warte in der Hellshire Bibliothek
auf sie...bitte, Angel...es ist sehr wichtig....unser aller Leben hängt
davon ab...unsere Zukunft....“ Ben verstummte. „Wer ist sie, Ben?
Und die Bibliothek steht immer noch? Was ist passiert?“ Bens Atem
wurde plötzlich schneller. Das Knacken in der Leitung und das Rauschen
war wieder da. Angel versuchte Ben zum lauteren Sprechen zu bewegen,
doch die Leitung schien mehr und mehr zusammenzubrechen. „Stell keine
Fragen, hilf mir! Bitte, Angel! Ich kann jetzt nicht mehr reden...ich fühle
sie kommen....Du mußt Dich sofort auf dem Weg machen, bitte....oh,
nein..es ist zu spät...“ Angel wurde
nervös. Etwas stimmte nicht. Ben war älter als er und er besaß
seherische Fähigkeiten. Er war in Gefahr und noch jemand. Er konnte
nicht verhindern, das Ben etwas geschah. Er hörte ein Rascheln und Ben
stöhnte plötzlich weiter weg immer wieder: „Nein...bitte....ich sage
nichts...auch wenn ich dafür sterbe...Du wirst sie niemals
finden...niemals!“ Etwas krachte, zersplitterte. Angel mußte
schlucken. Er hörte eine andere Stimme in Dämonensprache, die er nicht
verstand, fluchen. Dann brach die Leitung zusammen und das Freizeichen
war nur noch zu hören. Angel schrie
nur noch Bens Namen in den Hörer, als er mitbekam, das ihm anscheinend
jemand bedrohte. Als die Leitung zusammenbrach starrte er den Hörer an
und seine Gedanken kreisten um seinen alten Freund, der wahrscheinlich
gerade um sein Leben kämpfte. Der Vampir mit
der Seele fackelte nicht lange. Er ließ den Hörer einfach fallen, lief
aus dem Arbeitszimmer in die Eingangshalle und ging zu Cordelias
Arbeitsplatz am Empfang. Er nahm ein Notizzettel zur Hand, griff sich
einen Bleistift und kritzelte eine Nachricht für seine Freunde auf das
Papier. Er rannte zu
dem Kleiderständer, an dem sein Ledermantel hing, lief in seinen
Wohnraum im Keller, um ein paar Sachen zusammenzupacken. Dann sprintete
er nach draußen. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen, als er in seinen
Wagen sprang und losbrauste. Die Reifen quietschten. Sein Weg führte
ihn zum L. A. National Airport. Sein Ziel: Dublin. Auch wenn ihm bewußt
war, daß er Ben vielleicht nicht lebend vorfinden wurde. Er tat das,
was er tun mußte. Und nichts und niemand konnte ihn davon abhalten. Mit
ernster Miene und Gedanken an Ben fuhr er in die Nacht hinaus.... V 2.
Erinnerungen an alte Zeiten Angel wußte
nicht, wie er in den Gepäckraum des Flugzeugs gelangte, alles lief wie
in Zeitraffer ab. Sogar seinen Wagen durfte er diesmal in den Laderaum
mitnehmen. Da dieser ein Verdeck hatte, konnte Angel diesmal bequem
schlafen, falls Sonnenstrahlen in den Raum fielen. Die Scheiben waren
getönt und Angel war schon Stammkunde bei einer Autowerkstatt, die ihn
sofort mit dunklen Scheiben versorgten, da der Vampir dort Freunde
hatte, die wußten, wer er war. So lag er nun längs
auf den Sitzen hinter seinem Lenkrad, sah an die Decke des Flugzeugs und
holte sich Erinnerungen an Ben, indem er ganz fest an ihn dachte und die
Zeit, die sie damals miteinander verbracht hatten.... Dublin a.d. 1560: Anfang November im Regen. Die Straßen waren nach Anbruch der Dunkelheit
wie leer gefegt. Gerüchte kursierten. Die Angst ging um. Die letzten
Menschen huschten wie aufgescheuchte Mäuse in ihre Löcher. Die
Laternen beleuchteten die engen Gassen Dublins, dünne Nebelschwaden
zogen sich über die Stadt. Mit Einbruch der Nacht krochen sie aus ihren
Verstecken. Man munkelte,
das die Geister Verstorbener durch die Gassen liefen und nach ihren
Angehörigen suchten. Viele Menschen zogen die Vorhänge ihrer Wohnung
zu, verrammelten die Türen, hingen auch Kreuze oder Kruzifixe davor, im
Glauben, die Geister so zu verscheuchen. In letzter Zeit
verschwanden viele junge Frauen, Männer und auch Kinder. Einige
tauchten wieder auf, allerdings blaß und starr, mit Wunden an den Hälsen
und keinen Tropfen Blut im Körper. Der Name „Nosferatu“ wurde geflüstert.
In dieser Nacht
irrte ein Wesen durch Dublins Straßen, das vor wenigen Tagen noch für
Schlagzeilen in den Zeitungen gesorgt hatte. Dort scheute man auch nicht
den Namen „Vampir“ auszusprechen. Doch das war alles Vergangenheit,
denn das Wesen hatte kein Sinn mehr im Töten gefunden. Es konnte nicht
mehr töten. Es war verflucht. Wie ein Penner versteckte er sich in
dunklen Ecken, in Hinterhöfen oder anderen düsteren Schlupfwinkeln.
Einzig sein Anblick, wie ein heruntergekommener Landstreicher mit
zerfledderter Kleidung, zerzaustem, langem Haar, ließen die Menschen
vor ihm weglaufen. Nicht zuletzt sein Geruch und sein ab und zu verändertes
Gesicht, das dem einer Fratze glich, verschafften ihm Respekt bei
mutigen Männern, die sich ihm entgegenstellten. Das Wesen
nannte man in bekannten Kreisen Angelus. Er wurde mit 2 Begleitern,
einer Frau und einem Mann oft in Kneipen gesehen, wo sie jedoch nie
etwas zu sich nahmen, sondern immer mit Begleitung von jungen Mädchen
in der Nacht verschwanden. Nun war er allein. Und er war verändert. Mit herabhängenden
Schultern, gesenktem Kopf und vor sich hin sprechend ging er gerade aus.
Die Menschen, die ihm entgegenkamen, wechselten sofort die Straßenseite,
drehten um oder sahen ihm einfach nur hinterher. Einige blieben stehen,
als sie den Mann sahen und dieser hob die Hände, sagte, das er ihnen
nichts tun würde, er wollte wissen, wo ein bestimmter Ort war: Die
Hellshire Bibliothek. Von anderen Wesen hatte er nämlich gehört, das
dort Lektüre war, die seinen jetzigen Zustand erklärte. Die Sterblichen
wiesen ihm den Weg. Er begann zu rennen, solange, bis ihm der Schweiß
ausbrach. Er rannte schneller, als ein normaler Mensch und er atmete
nicht. Als das Wesen vor der Bibliothek stand, lehnte er sich an die Tür,
die merkwürdigerweise nicht verschlossen war. Sofort fiel ihm ein
strenger Geruch auf, den er nur von Dämonen kannte. Er hatte etwas über
einen Archivar gehört, der zu dieser Gattung gehören sollte. Die Tür
knarrte und das Wesen ging einfach hinein. Es war dunkel. Links und
rechts von ihm türmten sich riesige, schmale, lange Regale, die bis zur
Decke reichten, vor ihm auf. Gefüllt mit Büchern. Gehüllt in Staub
und Spinnweben. Sie sah verlassen und verkommen aus. Und doch fühlte er
eine andere Existenz. Je weiter er ging, um so mehr konnte er sie spüren.
Dicke, weiße Kerzen standen überall auf dem Boden, sie erleuchteten
die Bibliothek mit einer gemütlichen Atmosphäre. In der Mitte des
Raumes stand ein Sekretär aus Eichenholz, dahinter saß, in einer
schwarzen Kutte mit Kapuze gehüllt, eine große Gestalt. Das Wesen blieb
stehen. Die Gestalt hob den Kopf. Ein grünes Gesicht, mit schwarzen
Flecken auf den Wangen, gelben Augen und spitzen Zähnen sah dem Wesen
in die Augen. Eine schmale Zunge zischelte plötzlich zwischen den Zähnen
hindurch und verschwand einen Augenaufschlag später auch wieder. Die
Gestalt erhob sich: „Ein Untoter zu später Stunde? Dein Geruch ist
erbärmlich. Du bist nicht wie die anderen. Du suchst etwas über den
Fluch, nicht wahr? Den Fluch der Zigeuner!“ Das Wesen schluckte. Er
nickte nur. Die Gestalt nahm die Kapuze vom Kopf. Ein kahler, ovaler Schädel
kam zum Vorschein. Spitze Ohren lagen eng an dem Schädel. Lange, dünne
Finger mit spitzen, kurzen Nägeln winkten ihn zu sich: „Keine Angst,
mein Freund, ich gebe Dir genug Lektüre, damit Du Antworten findest.
Ich heiße Ben. Benjamin O´Rourke. Und mit wem hab ich das Vergnügen?“
Das Wesen näherte sich dem Market-Dämon, der sofort auf eine Leiter
gestiegen war und einige dicke Wälzer hervorholte. Viele waren groß
und schwer und in fremder Sprache. „Ich bin...Angel.“ stammelte der
Vampir mit zitternder Stimme. Und so lernten
Ben und Angel sich damals kennen. Angel kam regelmäßig in die
Hellshire Bibliothek wenn er sein Wissen über andere Dämonen, seinen
Fluch oder Sprüche, Rituale oder Gebräuche der alten Welt, wissen
wollte. Ben erklärte ihm natürlich auch, wer er war, woher er kam und
was ihn in diese Bibliothek trieb. Er wurde von seinem Volk in diese
Dimension verbannt, weil er als Archivar Gesetze gebrochen hatte. Er
behielt einige wichtige Bücher ein, die für viele Dämonen der Schlüssel
zur Macht waren. Er war Bewahrer von vielen alten Relikten aus
verschiedenen Epochen der Zeit und als ranghöhere Dämonen davon Wind
bekamen, setzten sie alles daran, Ben diese Bücher abzukaufen. Sie
boten ihm Schätze an, wie Blutkelche, Schmuck oder sonstige Opfergaben
der Menschen. Einiges nahm Ben tatsächlich an sich, nicht nur, um
herauszufinden, was es mit diesen Relikten auf sich hatte, sondern auch,
weil es sein Hobby war, Dinge zu sammeln, zu archivieren und darüber
Buch zu führen. Die Dämonen waren nicht alle immer schlau und
brauchten Jahrhunderte, um herauszufinden, das viele Bücher nicht der
Echtheit entsprachen... Seit über 500
Jahren lebte Ben nun schon in dieser Welt. Er selbst war einige tausend
Jahre alt und kannte eigentlich nur seine Bücher und diejenigen, welche
sich in seine Bibliothek verirrten, um etwas zu borgen. Nicht nur Dämonen
aller Art wußten durch Propaganda von Bens Bibliothek, auch
Menschen fanden den Weg zu ihm. Auch Auserwählte, die vom
Schicksal heimgesucht wurden, alte Relikte zu schützen, die Unheil über
die Welt brachten. Es war nicht ganz ungefährlich für Ben und diese
Menschen, wenn das Relikt dort verwahrt wurde. Denn wenn die mächtigsten
und gefährlichsten Dämonen die Erde heimsuchten, war nicht nur die
Stadt in Gefahr. Oft auch die gesamte Menschheit, ja sogar die Welt.
Doch dank der Bücher wußte Ben oft schon, durch die Prophezeiungen,
was sich ereignete. So auch dieses
Ereignis, was Ben dazu veranlaßte, Angel um Hilfe zu bitten. Der
Market-Dämon hatte in letzter Zeit düstere Visionen, war schweißnaß
aufgewacht und vergrub sich hinter seinen Büchern um etwas über diese
Vorahnungen herauszufinden... Angel rieb sich
die Augen, denn Tränen hatten sich darin gesammelt, als er von diesen
Erinnerungen übermannt wurde. Eine wohlige Schwere überkam seinen Körper.
Es wurde hell. Und der Vampir fiel in einen unruhigen Schlaf. Wilde Träume
verfolgten ihn, ließen ihn sich hin und her werfen. Hoffentlich war es
noch nicht zu spät...... V 3.
Die Last der Schuld Dublin National Airport: Als das Flugzeug landete, riß Angel die Augen auf. Er mußte eine
Viertelstunde warten, bis sich die Laderampe des Gepäckabteils öffnete.
Angel ließ den Wagen sofort an und fuhr rückwärts hinaus. Mit
quietschenden Reifen brauste er auf den Highway in Richtung Stadt. Es war über
150 Jahre her, vielleicht sogar noch länger, seit Angel das letzte Mal
in seiner alten Geburtsstadt gewesen war. Er war keine 20, als es mit
ihm bergabging und wo er die letzten Jahre seiner Sterblichkeit in
Dublin verbrachte. Ein paar Jahre später traf er auf Darla.... Er fuhr
schnurstracks geradeaus und übersah sogar absichtlich rote Ampeln. Der
Gegenverkehr konnte ihm noch gerade so ausweichen, das kein Unfall
zustande kam. Angel hatte nur noch Ben vor Augen. Natürlich konnte er
es nicht ändern, wenn ihm etwas zugestoßen war. Doch er würde diese
Person, von der Ben sprach, beschützen, egal was kommen mag. Das war
Angel ihm schuldig. Je länger er
fuhr, um so bekannter kam ihm die Gegend vor. Er schluckte und wischte
sich kurz ein paar Tränen aus dem Gesicht. Dann endlich fand er die
Straße in der die Hellshire Bibliothek stand. Wie sie sich in den
Jahren wohl verändert hatte? V Der Wagen
hinterließ eine lange Bremsspur, als Angel an den Straßenrand fuhr, um
zu parken. Einige Fußgänger sahen sich nach ihm um und ihre Schritte
wurden schneller, als sie beobachteten, das der Mann aus dem Wagen
sprang und direkt vor dem Eingang zur Hellshire Bibliothek landete. Angel beachtete
nicht, was um ihn herum geschah. Er hatte andere Sorgen. Er hoffte, daß
die Tür auch diesmal noch offentstand. In zwei Stunden wurde es hell.
Angel drückte sich gegen die hölzerne Tür, die mit vielen Inschriften
verziert war. Sie ging auf. Als er in die
Eingangshalle lief, blieb er stehen. Langsam ging er weiter. Bevor er
nach Ben rief, wollte er sich vergewissern, ob die Person oder Personen,
die Ben anscheinend angegriffen haben, noch da waren. Die Regale
waren jetzt nicht mehr so hoch, wie damals. Tische mit Computern,
Sitzecken und moderne Lampen war die moderne Ausstattung der uralten
Bibliothek. Nur die schweren, schwarzen, eisernen Lüster erinnerten an
die Zeit von damals. Selbst die Kerzen waren weiß, groß und dick, wie
früher. Wandgemälde
und Malereien an den Wänden selbst fielen Angel ins Auge.
Gedankenversunken schlich er durch die schmalen Gänge. Verließ sich
auf seinen Instinkt und spitzte Augen, Ohren und Nase, um wachsam zu
sein, wenn Gefahr drohte. Er witterte Blut. Kurz vor ihm vernahm er plötzlich
ein leichtes Husten. „Ben?“ Angels Schritte wurden schneller. Als er
zu der Stelle kam, wo er das Geräusch vernommen hatte, sah er umgestürzte
Regale, zerrissene Bücher. Ein Kampf hatte stattgefunden. Er ging
weiter. „Ben, bist Du verletzt? Ich bin hier...“ weiter kam der
Vampir nicht. Er wich zurück, denn eine unsichtbare Barriere hielt ihn
davon ab, weiterzugehen. Es war ein Schutz gegen Feinde. Eine andere
Stimme, fast wie die eines Kindes, war zu hören. Ein Mädchen weinte
und flüsterte jemandem etwas zu. Plötzlich war die Barriere
verschwunden. Angel konnte den Weg fortsetzen. Er stieg über umgestürzte
Regale und zerstörte Stühle und Tische. Dort lag sein alter Freund,
Benjamin O´Rurke. Er hatte eine schwarze Kutte an, doch darunter trug
er einen modernen Herrenanzug. In der Mitte des Brustkorbes war viel
Blut. Dann entdeckte er ein etwa 12jähriges Mädchen, lange, blonde
Haare, blaß, blaue Augen, in einem Jeansanzug. Sie hielt etwas
Glitzerndes an die Wunde des Archivars. Als sie Angel erblickte,
verschwand das merkwürdige Etwas sofort hinter ihrem Rücken. Angel
stutzte. Im Gesicht des Mädchens waren zwei chinesische Schriftzeichen
in Schwarz eintätowiert. Ein Wort bedeutete „Bewahrer“, das andere
„Kelchkind Solmons“. Bevor Angel zum Reden ansetzen konnte, hob Ben
schwach die Hand: „Du bist gekommen, alter Freund...ich wußte...auf
Dich ist...Verlaß. Komm her zu mir....es geht zuende...“ er ließ die
Hand sinken. Das Mädchen schluckte, wollte sich erheben, um die beiden
allein zu lassen, doch Ben hielt sie zurück: „Bleib, Kisha. Das ist
der Mann von dem ich Dir erzählte. Er ist...ein Vampir...keine Angst,
er hat eine Seele...er wird...Dich beschützen....bleib...wir haben
keine...Zeit mehr...“ Kisha wischte
sich verstohlen eine Träne fort. Sie nickte ihm zu. Sie sah zu Angel
und winkte ihn zu sich: „Komm, hör ihm einfach zu. Wenn er es nicht
schafft, Dir alles zu erklären, werde ich das übernehmen.“ Angel lächelte
das kleine Mädchen, was Ben anscheinend am Herzen lag, kurz an. Er kam näher
und beugte sich zu Ben hinunter: „Oh, Ben, es tut mir so leid. Geht
es?“ Er sah das dunkle Blut auf Bens Brust. Es war fast schwarz. Ben
hustete und auch aus seinem Mund kam etwas Blut. „Angel, Du bist da,
das allein zählt. Es geht um die Kleine. Kisha. Sie ist etwas
Besonderes. Liebes, zeig ihm den Kelch...“ Er hustete, verzog das
Gesicht vor Schmerzen. Kisha holte den
Kelch hinter ihrem Rücken hervor. Da Ben immer noch hustete, setzte
Kisha an: „Ich bin Bewahrer des Kelchs Solmons, ein Blutkelch von höchster
Macht. Nur todgeweihte Kinder sind auserwählt, diese Bürde auf sich zu
nehmen. Ich habe Leukämie im Endstadium gehabt, als ich berufen wurde.
Wir werden mit der Aufgabe betreut, mächtige Relikte vor den ranghöchsten
Dämonen zu schützen. Denn diese wollen die Relikte zur Nutzung ihrer
Macht besitzen. Wenn diese Dämonen die Relikte in die Hände bekämen...wäre
das fatal. Du kennst sicher die Gesetze, denen sich auch ranghohe Dämonen
fügen müssen, Vampir? Kinder sind heilig. Nur für Blutopfer oder als
Nahrung dienen sie ihnen, wenn die Dämonen das absolute Böse verkörpern.
Wenn sie wissen, daß wir in Besitz dieser Relikte sind, würden sie uns
töten. Doch unser Schicksal ist besiegelt. Sobald unser Beschützer
stirbt, werden wir einem neuen Beschützer übergeben. Sobald der Kelch
in gute Hände gerät, ist unsere Aufgabe erfüllt. Wir sterben. Ben
dachte, Du wärst der Geeignete, um mich vor den Dämonenherrschern zu
beschützen und das Relikt an Dich zu nehmen. Denn sie schicken nicht
ihre Diener oder menschliche Hüllen auf die Jagd nach uns und dem
Kelch. Sie kommen selbst. Ben hat mich mit seinem Leben beschützt. Du
siehst ja, was der Preis ist...“ sie verstummte und begann zu weinen. Angel mußte
schlucken und das Gehörte erst einmal verarbeiten. Dieses Kind hatte
eine Menge auf sich genommen. Ben hörte auf zu husten. Er hob den Kopf
und setzte zum Sprechen an. Es war nur ein leises Krächzen: „Bitte...gib
acht auf sie....es war ein Kelmoch hier, Angel. Du weißt, wer...was sie
anrichten...Kisha ist stark und hat Willenskraft. Sie beherrscht die
Telekinese und hat versucht....mich zu schützen...der Kelmoch
hat...mich mit seinen spitzen Fingerhaken durchbohrt...Du weißt, sie
haben vergiftete Enden...“Angel schluckte erneut den dicken Klos
hinunter und nickte. „Ich weiß, Ben. Es ist also Kisha, die ich schützen
soll und diesen...Kelch. Aber wieso wird Kisha sterben, wenn...“ Er
nahm den Kelch in die Hand. Er war schwer, mit vielen verschiedenen
Schriften und Edelsteinen verziert. Blut klebte an der Innenseite. Kisha
nahm ihm den Kelch aus der Hand. „Als Vampir weißt Du ja, was Blut für
einen Wert hat. Dieses Blut was Du siehst, ist von Ben und mir. Solmon
war eine Heiligenstätte für Auserwählte und die ranghöchsten Dämonen
aller Dimensionen. Wenn sich ihr Blut in diesem Kelch zu einem
vermischt, wächst die Macht des Kelches ebenso. Dieser goldene Becher
ist dazu in der Lage, die Welt zu zerstören, Angel. Das Blut vieler ist
hier drin. Der Kelch saugt den Lebenssaft in sich auf und mit ihm auch
die Macht und Eigenschaften jedes einzelnen Dämons. Er speichert die Kräfte
derer, die ihm sein Blut geben. Sowohl im Guten, als auch im Bösen.
Doch das Böse ist übermächtig. Wir, die Bewahrer, hüten diese
Relikte seit Jahrhunderten. Für diese Aufgabe werden wir unsterblich
gemacht. Wenn sie beendet ist, können wir friedlich einschlafen. Ohne
Schmerzen.“ Angel nickte. Er bekam gehörigen
Respekt vor diesem Kind. „Und...was ist mit...ihrer Familie?“ Ben
schüttelte den Kopf. „Sie werden in der Erinnerung gelassen, ihr Kind
sei gestorben. Oft passiert es auch, daß die Eltern mitbekommen, wie
die Krieger Solmons sie in eine andere Dimension holen. Doch die
Erwachsenen werden natürlich mit einem Zauber belegt, der sie vergessen
läßt. Nur ganz wenige Kinder werden schon mit der Berufung geboren und
sofort nach der Geburt mitgenommen. In einigen Kulturen bereitet man
auch die gesamte Familie auf die Bürde ihres Kindes vor. Doch das
passiert nicht mehr sooft. Es ist gefährlich...“ Er legte sich zurück
und schloß die Augen. Er atmete flach.... Kisha begann
leise zu weinen. Sie flüsterte: „Geh noch nicht...bitte...ich hab
Angst.“ Der Archivar schüttelte leicht den Kopf: „Du brauchst Dich
nicht zu fürchten. Angel ist nicht wie andere, das kannst Du spüren.
Ich weiß...es bringt nicht...viel, wegzulaufen...sie finden...euch überall...doch...wenn
sich Dein...Schicksal erfüllt...“ er brach ab. Kisha nickte nur und
sah Angel an. Auch der Vampir
kämpfte mit den Tränen. Sein alter Freund Ben war gestorben. Kisha
umarmte den alten Dämon kurz, steckte den Kelch in ihren Rucksack, ging
zum Telefon, um jemanden anzurufen. „Wen willst Du erreichen?“ Kisha
sprach leise: „Theo. Ben sagt, im Falle seines Todes soll ich ihn
anrufen. Alles weitere wird veranlaßt. Wir müssen gehen. Ich kenne
einen Geheimgang. Wir sind zwar eigentlich nirgendwo sicher, doch....wir
können uns Zeit verschaffen.“ Angel nickte
nur. Kisha war nicht nur tapfer und clever, sie wußte auch, was sie
wollte und ließ sich nicht davon abbringen. Angel erkannte fast sich
selbst in diesem Kind. Als Kisha fertig war, umarmte sie Angel einfach
nur. „Danke. Du warst sein Freund. Zu meinem wirst Du.“ Angel war
gerührt über diese Geste. Er strich dem Mädchen übers Haar. „Laß
uns gehen.“ Ohne noch
einmal einen Blick auf Ben zu werfen, liefen die beiden durch die langen
Gäne, hinter eine Regalwand. Dort zog Kisha ein großes, rotes Buch
heraus und die Wand glitt zur Seite. „Wow. Ein Geheimgang.“ staunte
Angel. Es führten schmale Steintreppen nach unten. Als Kisha mit Angel
hindurchging, schloß sich die Wand hinter ihnen. Kisha griff
nach Angels Hand. „Dort liegt eine Pechfackel. Wir müssen immer in
Bewegung bleiben. Ich weiß nicht, was passiert, aber....sie können
schneller hier sein, als wir denken. Oder es.“ Angel nahm die
Pechfackel und fand auch Streichhölzer unter einem Stein. Kisha mußte
diese Fluchtwege des öfteren benutzt haben: „So lernte ich Ben
kennen. Es war vor ein paar hundert Jahren. Eine Lesung fand statt und
ich war auf der Flucht vor einem Kardesch. Als Ben mich sah, ich war
voller Blut...allerdings nicht meines...nahm er mich sofort mit und
schickte mich in diese Gänge....“ sie weinte wieder. Angel hob die
Fackel hoch und nickte: „Ist schon gut, Kisha. Laß uns gehen.“ V Eigentlich war
Angel jetzt Kishas Beschützer und Führer. Doch er hatte das Gefühl,
daß er selbst Schutz brauchte und diesen auch erhielt. Kisha war eine
uralte Dame in einem jungen Körper, so schien es ihm. Er hatte das Gefühl,
nicht allein zu sein. Und soetwas passierte dem Vampir selten. Das
ausgerechnet ein auserwähltes Kind, was zum Sterben verurteilt war,
nachdem seine Aufgabe erfüllt wurde, hätte er nie erwartet. Dieses Mädchen
lebte für ihre Aufgabe jeden Augenblick. Er wußte nicht, welchen
Gefahren sie ausgesetzt waren. Wieviele Dämonen höheren Ranges auf sie
einstürmen oder welche Macht sie hatten. Die Menge der Gegner, gegen
Kisha sich schon geschützt hatte, wollte Angel sich gar nicht erst
ausmahlen. Sie liefen stumm und schnell durch die engen, langen Gänge. Angel roch ab
und zu fremde Gestalten, die sich anscheinend in diesen unterirdischen
Gewölben ein zuhause geschaffen hatten. Kisha sah sich nervös nach
allen Seiten um und winkte Angel immer wieder heran, ihr zu folgen. Sie
kamen zu einer weiteren Treppe, die steil nach unten führte. „Je
tiefer wir kommen, um so gefährlicher kann es werden. Es ist länger
her, seit ich das letzte Mal hier untergetaucht bin. Ich weiß nicht,
was uns erwartet. Es können Horden dort lauern oder ein einzelnes
Wesen. Ich kann ein Schutzschild um uns aufbauen oder etwas gegen ihn
schleudern oder ihn durch schnelle Bewegungen verwirren. Doch ob es
ausreicht...“ sie hörte auf zu flüstern. Ihre großen
Augen blickten den Vampir ernst an. „Ich bin bei Dir, Kisha, egal was
passiert. Ich beschütze Dich und werde verhindern, daß uns beiden
etwas geschieht. Du bist sehr tapfer.“ Kisha lächelte kurz: „Ich
weiß. Und alles nur, wegen einem Gefäß, daß die Welt zerstören
kann.“ Sie lief weiter voraus. Angel lief
hinter der Kleinen her. Der Geruch wurde immer strenger. Das gefiel ihm
gar nicht. Etwas sehr Altes schien da unten auf sie zu warten. Er schüttelte
den Gedanken von sich, daß die Zwei nicht mehr lebend dort herauskommen
würden.... V 4.
Angstgefühle Die beiden
Unsterblichen liefen jetzt schon eine Dreiviertelstunde durch die engen
Gänge. Als sie die steile Treppe hinunter gelaufen waren, teilte sich
der Raum in mehrere Abzweigungen. Kisha ging zielstrebig nach links.
„Gleich kommen wir in eine große Kammer. Dort ist ein enormer Schatz
an besonders wertvollen Büchern, die weder den Sterblichen, noch den Dämonen
auszuhändigen ist. Früher hieß es, das ein uralter Lindwurm die Bücher
bewacht haben soll. Doch heutzutage glaube ich nicht, daß noch Drachen
in diesen Gewölben Bücher bewachen. Angel blieb stehen. Er hielt Kisha
kurz am Arm fest. „Riechst Du nichts?“ Kisha riß sich los. „Was
soll das? Wir dürfen nicht stehen bleiben.“ Doch sie schnupperte
kurz. Sah nach oben. Dicke Spinnenweben hingen von der Decke. Sie schüttelte
den Kopf. „Ich würde es spüren, wenn wir in Gefahr sind. Komm jetzt.
Ich weiß auch nicht, was hier unten ist. Wonach riecht es denn?“ Angel hielt
sich den Handrücken vor die Nase: „Je weiter wir gehen, um so
schlimmer wird es. Alt...krank....ich schätze, es ist nicht nett zu
uns...was immer es auch ist.“ Kisha verdrehte die Augen: „Ben sagte
schon, Du bist manchmal merkwürdig. Das liegt an der Seele, die Du
hast, nicht wahr? Naja, wenn Du keine hättest, könntest Du mich nicht
beschützen. Apropos beschützen. Was ist nun? Wollen wir weitergehen
oder soll ich lieber ohne Dich weitergehen. Je länger wir zögern, um
so...“ weiter kam Kisha nicht, denn ein Geräusch ließ die beiden
zusammenzucken. Ein dunkles, bedrohliches Knurren, es schien von allen
Seiten zu kommen, unterbrach Kisha. Angel ließ die Fackel zu Boden
fallen und lehnte sich an die Wand. Kisha sah nach oben, nahm beide Arme
hoch, murmelte etwas auf Latein und ein violettes Schutzschild in Form
eines Kreises bildete sich um die beiden. Angel berührte es und fühlte
reine Energie. Es war ein ziemlich starkes Kraftfeld. Die Kleine hat
ganz schön was drauf, dachte er. Kisha schmiegte sich an seine Brust.
Sie zitterte. Sie sah Angel an und sprach in Gedanken zu ihm: „Sag
nichts, denk nichts, beweg dich nicht. Alles, was jetzt auf uns zukommt,
es kann uns wittern, aber nicht sehen. Ich habe uns unsichtbar gemacht.
Es hält hoffentlich länger, als sonst. Ich kann es nicht immer
kontrollieren.“ Sie kniff die Augen zusammen. Angel konnte ihre Angst
spüren und auch riechen. Auch er schloß
die Augen. Es gab kein Entrinnen. Sie konnten sich nicht verstecken und
an Weglaufen war nicht zu denken. Sie mußten sich dem stellen, was da
fauchte. Das Knurren war nicht mehr zu hören. Etwas schleifte in
unregelmäßigen Abständen schwerfällig und ganz in der Nähe der Zwei
jetzt auf dem Boden und kam näher. War es doch ein Lindwurm? Ein Wächter?
Die beiden sahen sich nach allen Seiten um. Ihnen stockte der Atem, als
die Wände plötzlich aufbrachen. Steine bröckelten zu Boden...eine
Knochenhand nach der anderen kam zum Vorschein, dann Arme...Brustkörbe...die
Toten waren auferstanden. Eingemauerte Menschen oder andere Wesen
krochen aus den Wänden. Der Boden unter ihnen brach auf. Tausende
Kriechtiere, wie Käfer, Spinnen, Ratten, Würmer in allen Größen
liefen, krochen in Panik davon. Als Angel das
sah, hielt auch er Kisha fest. Noch nie hatte er sich so ausgeliefert
gefühlt. So hilflos. Ein toller Beschützer bist Du, stehst hier mit
einem Kind und Dir schlottern die Knie! Doch er wußte nicht, was er tun
sollte. Er versuchte, an Buffy zu denken. An seine große, alte Liebe.
Wenn sie doch jetzt hier wäre...Es kam näher. Es schnaufte. Knurrte
laut. Der Gestank war unerträglich geworden. Beide tränten die Augen.
Sie hielten sich Mund und Nase zu. Kisha umarmte Angel so fest, das er
sogar Schmerz empfand. Doch er ließ es geschehen. Und da sahen sie, was
auf sie zu kroch..... V 5.
Im Angesicht des Bösen Die Blicke von
Angel und Kisha gingen in die Höhe. Angel hielt sich die Nase zu, denn
der Geruch konnte auch dem Kraftfeld nicht standhalten. Kisha drückte
so fest gegen Angels Brustkorb und zitterte stark, das der Vampir nach
Luft japste. Es wurde dunkel um sie herum. Ein Zischeln war zu hören.
„Die Schlange von Solmon. Oh, nein.“ Flüsterte Kisha leise. Angel
und Kisha blickten zu einer etwa 5 Meter hohen Schlange, die einer Kobra
ähnlich sah. Ihr v-förmiger, riesiger Kopf zuckte nach links und
rechts. Ihre gelben Augen glühten im Dunkel. Ihre schwarze, lange Zunge
peitschte vor und zurück. Sie kam mit ihrem Kopf zu den beiden
hinunter, langsam und bedrohlich. Als ihre Zunge das Kraftfeld berührte,
gab es einige kleine zuckende, helle Blitze. Die Schlange fauchte und
zuckte zurück. Dann hörten die beiden ihre Stimme. Sie sprach in
Gedanken zu ihnen: „Ich weiß nicht, wer ihr seid. Ich weiß nur, was
ihr in eurem Besitz habt. Gebt es heraus und ihr werdet leben. Weigert
ihr euch, werdet nicht nur ihr es sein, die den Tod erleidet.“ Es war
die rauchige, tiefe Stimme einer Frau. Kisha löste sich aus Angels
Umarmung und hielt ihr den Kelch entgegen mit zitternden Händen. Sie
sprach mit fester Stimme: „Ich bin die Bewahrerin des Kelches Solmons
und ich werde nicht zulassen, daß Du ihn bekommst!“ Sie schloß die
Augen und murmelte Beschwörungen, die Angel nicht verstand. Der Kopf
der Schlange zuckte immer noch hin und her und ihre Zunge peitschte gefährlich
schnell vor und zurück. Ihr Schwanz hob sich und bewegte sich
pfeilartig auf das Kraftfeld zu. Angel hörte das Kind in Gedanken zu
sich sprechen: „Sie will das Kraftfeld mit ihrem Schwanz zerstören,
dort ist die meiste Energie. Doch den Tod findet sie, wenn man ihre
Augen angreift. Wenn das Kraftfeld deaktiviert ist, laufe ich zu der großen
Kammer. Sie kann von innen verriegelt werden. Versuch Du, mit Steinen
oder ähnlichem, ihre Augen zu treffen. Ich versuche mit Telekinese
Staub aufzuwirbeln, das macht sie für einen Moment orientierungslos.
Einverstanden?“ Angel hörte die Worte auf sich einprasseln und nickte
einfach. Er war überwältigt von diesem Monster. Er fühlte ihre Macht
und das sie uralt sein mußte. Plötzlich
prallte etwas Hartes und Schweres gegen das Kraftfeld. Funken sprühten,
Blitze zuckten und dann war das Feld verschwunden. Kisha kniff die Augen
zusammen, bewegte die Arme im Laufen nach allen Seiten. Staub wirbelte
auf, Steine flogen und auch alles andere, was aus dem Wänden gekrochen
kam, flog der riesigen Schlange entgegen. Angel griff
nach zwei großen Brocken, die ziemlich spitz aussahen und warf sie nach
der Schlange. Er verfehlte die Augen nur knapp, behielt den Schwanz im
Auge. Ihr Kopf schnellte gefährlich vor, ihre gewaltigen langen,
spitzen Zähne offenbarten sich und kamen dem Gesicht des Vampirs gefährlich
nahe. Angel tastete
schnell nach neuen Steinen und ließ die Schlange so nah wie möglich an
sich heran. Er hörte erneut ihre Stimme in seinen Gedanken: „Ein
Vampir mit Seele ist eine Schande. Du wirst sterben!“ Gerade, als die
Schlange ihr Maul öffnen wollte, als würde sie Angel verschlingen,
schoß der Vampir mit beiden Armen nach vorne und schmiß mit ganzer
Kraft zwei spitze Steine in Richtung ihrer Augen. Diesmal traf
er. Die Schlange zischte und fauchte, prallte zurück...ihr Kopf und ihr
Körper schlackerten hin und her, so daß die Wände von allen Seiten
Risse bekamen. Der Boden unter seinen Füßen wurde immer glitschiger,
er trat auf Würmer, Käfer, es wurde immer mehr. Alle rannten so
schnell wie möglich in eine Richtung davon. Auch Angel
nutzte diese Gelegenheit. Er lief, stolperte, wuchtete sich hoch und sah
eine große Tür, vor der Fackeln standen. Angel pochte dagegen: „Kisha,
bist du da drin?“ schrie er. Die Tür glitt nach links, Angel huschte
hinein. Erschöpft ließ
er sich auf den Boden sinken. Kisha umarmte ihn und weinte. „Du lebst.
Gottseidank.“ Angel roch an dem Kind, das es ihr nicht gut ging. Sie
war schwach. Er hob ihr Kinn an, sah ihr in die Augen: „Geht es Dir
nicht gut?“ Kisha lächelte schwach. „Deine Aufgabe ist erfüllt. Du
hast mich beschützt. Meine Aufgabe ist auch beendet. Ich habe den Kelch
mit meinem Leben bewacht.“ Sie holte ihn hervor und reichte ihn Angel.
„Wenn Du ihm ein paar Tropfen Deines Blutes gibst, Angel, wird das
Gute in diesem Relikt gestärkt. Du mußt..ihn..solange aufbewahren,
bis...der neue Bewahrer kommt und...“ sie brach ab. Sie sank auf die
Knie. Angel wußte, das Kishas Aufgabe nun erfüllt war. Sie starb. Angel hob sie
auf die Arme und legte sie auf einen steinernen Tisch, der in der Mitte
der Kammer stand. Er weinte. „Geh nicht...ich will nicht, das Du
einfach so gehst..oh, Kisha..“ Er streichelte ihr durchs Haar. Sie
wurde sehr blaß. „Versprich mir...das Du...den Kelch an
Dich..nimmst...gib ihm..Dein Blut...“ sie neigte den Kopf zur Seite,
atmete noch einmal tief ein...und dann ging sie hinüber in eine andere
Welt. „Kisha, nein!“ Angel war so erschüttert, das er sie an sich
drückte und in den Armen wiegte. Er ließ seinen Gefühlen freien
Lauf.... V 6.
Das Schicksal der Helden Der Vampir mit
Seele wußte nicht, wie lange er das verstorbene Kind weinend in seinen
Armen hielt. Er begriff plötzlich, das nicht nur er den Kampf gegen das
Böse angenommen hatte. Auch Kinder wurden nicht verschont. Unschuldige
Kinder. Dieses Mädchen löste ihn Angel ungewollte Gefühle aus. Er wußte,
daß nichts endgültig war. Er spürte ein Band zwischen Kisha und sich.
Sie gab ebenso wenig auf, wie er. Sie kämpfe bis zum Tod, nahm ihn in
Kauf. Sie war sich bewußt, daß sie sterben würde. Ob auserwählt oder
nicht. Die Mächte der Ewigkeit hatten auch vor Kindern nicht halt
gemacht, sie in ihre Welt zu holen. Denn Kinder sind die Pfeiler der
Zukunft. Angel ließ sie los, betrachtete sie still. Er nahm ihr die
Tasche ab und ließ das Kind einfach auf der Steinplatte liegen. Ohne
sich noch einmal umzudrehen, verließ er die Kammer. Die Schlange
lag tot und bereits verwesend auf dem Boden.
Aus ihren verletzten Augen sickerte schwarzes Blut. Angel stupste
sie noch einmal an, um sicher zu gehen, das sie auch wirklich tot war.
Als sie sich nicht rührte, stieg er über das gefährliche Schwanzende
und verließ den Geheimgang auf dieselbe Weise, wie sie hineingelangten.
Die Toten und das Ungeziefer lagen vereinzelt verstreut im Weg. Sobald
Angel auf eins der Knochen trat, zerfiel alles zu Staub. Als er in der
Halle ankam, war Ben verschwunden. Ebenso die Zerstörung der Möbel war
beseitigt und durch neue ersetzt worden. Kisha hatte recht. Es wurde dafür
gesorgt, das keine Spuren des Chaos sichtbar waren. So machte sich Angel
wieder auf den Heimweg in seine Agentur. V Schweigend
stieg Angel in seinen Wagen. Es war gegen 3 Uhr morgens, als er die
Bibliothek verließ. An Cordi, Wes und Gunn dachte er nicht. Sie würden
wahrscheinlich auf ihn warten, wenn sie den Zettel gelesen hatten. Der
Vampir fühlte jeden Knochen einzeln. Er war erschöpft und traurig. Er
hatte einen Freund verloren. Und ein Kind. Er begann Kisha zu mögen,
doch dann starb sie. Wie lange sie wohl schon als Unsterbliche
existierte? Ihre Augen verrieten Angel, das sie sogar älter war, als
er. Er konnte nicht in ihre Gedanken eindringen. Das wollte er auch
nicht. Er fühlte, das Kisha froh gewesen war, das er für sie da
gewesen ist. Um das Geschehene nicht zu sehr an die Oberfläche dringen
zu lassen, trat Angel aufs Gas und erreichte den Flughafen innerhalb von
30 Minuten. Erst als er im
Flugzeug saß, begann er sich in den Sitz zu drücken, die Augen zu
schließen und etwas auszuruhen. Kishas Tasche hatte er fest vor seinen
Armen verschränkt. Er würde dieses bedeutsame Relikt beschützen.
Solange, bis ein neues Kind erschien, um seine Aufgabe zu erfüllen. Das
hatte er Kisha versprochen. Als ihm die Schlange von Solmon noch einmal
im Traum erschien, schreckte Angel kurz hoch. Sein Nachbar, ein
fettleibiger Mann mit dicker Hornbrille und Schweiß auf der Stirn, sah
ihn merkwürdig an: „Alles ok, Mister?“ Angel mußte unwillkürlich
lächeln. Er schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht. Aber danke der
Nachfrage, Mister.“ Der Dicke hob
die Schultern und widmete sich wieder seinem angebissenem Sandwitch, das
in seinen dicken Wurstfingern fast verschwand. Angel fand den Geruch des
Fleisches mehr als nur widerlich. Doch er behielt die Nerven. Das Blut
des dicken Mannes war um so süßer. Doch da Angel ja nicht töten
konnte, entspannte er sich wieder und verschlief den Rest des Fluges bis
nach L. A. V Die Stimme des
Captains weckte Angel aus seinem Dämmerschlaf. Sein Kopf brummte und er
fühlte sich wie gerädert. Er drückte die Tasche an sich und fühlte
die Umrisse des Blutkelches. „Mr., was ist los mit Ihnen? Wollen Sie
nicht aussteigen? Wir sind in L.A!“ hörte er die Stimme des dicken
Mannes neben sich. Sein Atem roch nach Schnaps. Angewidert sah er zur
anderen Seite, nickte und erhob sich. Es war kurz vor sechs Uhr. Die
Sonne würde bald aufgehen. Angel stieg schnellstmöglich in sein Auto
und brauste mit quietschenden Reifen zurück zur Agentur. Kishas Gesicht
immer wieder vor Augen, kamen Angel die Tränen, ob er wollte oder
nicht. Wie sooft gab er sich die Schuld, nicht geholfen haben zu können.
Wie sooft grübelte er, was hätte sein können, wenn sie noch leben würde.
Früher oder später hätte sich ihr Schicksal erfüllt. Angel fühlte
sich unwichtig. Er sah ein, das es noch andere Dinge im Leben gab, als
den Helden zu spielen. Er war hier in diesem Fall einfach nur ein Freund
und Helfer. Der wahre Held in dieser Geschichte war Kisha. Sie hatte
eine große Aufgabe und eine Last zu tragen. Sie zahlte einen hohen
Preis. Und das sogar freiwillig. Sie war einzigartig. Und es gab noch
mehr Kinder wie sie. Als Angel
endlich bei seiner Agentur ankam, sah er innen Licht brennen. Die Sonne
kam langsam hinter den Wolkenkratzern hervor. Angel stieß die Tür auf
und viel auf die Knie. Die Tasche glitt von seinen Schultern und der
Kelch rollte heraus, über den Boden. Angel wurde von seinen Gefühlen
überwältigt. Der sonst so kühle Vampir begann, laut zu schluchzen. Er
weinte. Er schlug mit den Händen auf dem Boden und rief Kishas Namen
immer wieder. Der Kelch führte jedoch plötzlich ein seltsames
Eigenleben. Er begann zu leuchten und sich vom Boden abzuheben. Gleißendes
Licht umgab das Relikt, hell und strahlend. Angel wurde dermaßen
geblendet, daß er sich die Augen zuhalten mußte. Und das Licht tat ihm
sogar körperlich weh! Er fühlte tausend Nadeln, die immer wieder auf
seinen gesamten Körper einzustechen schienen. Sein Weinen ging in ein
Schreien über....Der Kelch erhob sich über ihm und strahlte immer
heller und heller.....Angels Schmerzen wurden immer stärker...er
schrie....
V 7.
Blutzoll Wesley und
Cordi saßen in Decken gewickelt im Arbeitszimmer und waren eingenickt.
Erst, als Cordelia die Schreie vernahm, erwachte sie aus ihrem
Tiefschlaf. „Wes? Wes! Hörst Du das? Es klingt nach...Angel!!!“ Sie
sprang sofort auf, lief zu ihrem Partner, der sich die Augen rieb und überrascht
zu Cordelia blickte, die ihn an den Schultern rüttelte. „Hörst Du
das nicht??? Angel ist zurück! Es kommt aus der Eingangshalle! Er hat
Schmerzen!“ Wesley erhob sich natürlich sofort und nickte Cordelia
zu. Beide liefen in Richtung der Hilfeschreie. Sie fanden Angel,
zusammengekauert auf dem Boden vor der Tür. Auch sie mußten sich die
Augen zu halten, da dieses Licht den ganzen Raum erfüllte. „Was ist
das?“ Cordelia tastete sich zu Angel. Er rief immer einen Namen:
„Kisha, oh bitte...“ Cordi fühlte seine Hände. Sie waren eiskalt.
„Angel, ich bin’s! Was ist los? Was hast Du?“ Als Angel Cordis
Gesicht ertastete, hielt er sich krampfhaft an ihr fest. Er zitterte.
Sein gesamter Körper verkrampfte. Wesley lehnte an der Wand und
blinzelte: „Oh, mein Gott, das ist ein Blutkelch-Ritual! Es..ist der
Kelch von Solmon! Mein Gott! Wir...müssen ihm unser Blut geben,
Cordelia...und zwar..sofort!!!! Versuch, Angel herzubringen...“ Wesley tastete
sich an der Wand entlang. Der Kelch schwebte in seiner Körperhöhe. Er
sah keine andere Möglichkeit, als seine Brille auf den Boden zu werfen,
die zerbrochenen Gläser durch seine Hand zu ziehen. Seine Hand trug
blutige Striemen. Er hielt sie über das uralte Relikt. Die ersten
Blutstropfen erreichten den Boden. Das Licht wurde langsam schwächer.
Cordelia versuchte, Angel, der immer noch Schmerzen zu haben schien, da
er sich krümmte, zu dem Kelch hinzuziehen. Wesley redete laut und
bestimmt auf den Vampir ein: „Angel...was immer Du auch erlebt hast,
um wen immer Du trauerst, laß los. Es ist alles gut. Der Kelch
absorbiert Deine Energie und Deine Gedanken. Denk nicht schlecht von
Dir, hörst Du! Der Blutkelch von Solmon ist uralt, Angel! Er absorbiert
alle Arten von Energien und je stärker die böse ist, um so mehr Macht
hat er! Cordi, bring ihn her...gib mir deine Hand!“ Cordi schob Angel
vor sich her, der japste nach Luft und hielt ihre Taille dermaßen fest
umschlungen, das sie nach Luft rang. Als sie Wesleys Hand zu fassen
bekam, fühlte sie einen leichten Schmerz und das sie naß war. „Was
machst Du da? Was ist das? Was soll das?“ Wesley führte ihre Hand,
die jetzt ebenfalls blutete, zu dem Relikt. Als ein paar Tropfen an den
inneren Rand des Kelches gelangten, wurde das Licht wieder schwächer.
Der Kelch sank langsam zu Boden. Wesley bekam Angel zu fassen. Angel war
immer noch voller Schmerz und Trauer, das er noch nicht begriff. Wesley
umfaßte mit beiden Händen sein Gesicht: „Angel! Sieh mich an! Hörst
Du mich? Laß sie los! Laß Kisha gehen! Du kannst nichts mehr ändern!
Du bist bei uns! Wir lieben Dich hörst Du???“ Er begann ebenso zu
weinen. Er schlug Angel vor Verzweiflung ins Gesicht, verpaßte ihm eine
Ohrfeige! „Wesley!“ rief Cordelia empört. Doch es half. Angel sah
ihn an. Aus Reflex schlug er Wesley ebenso. „Was ist...wieso...Wes,
Cordi...ich...“ doch bevor der verwirrte Untote weitersprechen konnte,
hatte Wesley auch schon seine linke Hand gepackt, sie gedrückt, denn es
befanden sich Glassplitter darin und die verletzte, blutende Hand Angels
über den Kelch gehalten. Etwas Blut sickerte in den Kelch und das Licht
verschwand genauso plötzlich, wie es gekommen war. Der Kelch sank zu
Boden. Das Blut der Drei wurde vollkommen absorbiert. Angel war
Wesley und Cordelia so dankbar, daß er sie beide an sich drückte.
„Es tut mir leid, ich war...“ Er verstummte. Er war so schwach, das
seine Freunde ihn stützten. Sie legten ihn in sein Schlafzimmer, wo sie
ihn mit Blut versorgten. Angel war so aufgewühlt, das er ihnen erzählte,
wie er an den Blutkelch von Solmon gelangte. Erstaunt war er, daß
Wesley sofort erkannte, worum es sich bei dem Relikt handelte. Dieser
winkte ab: „Ich habe schon mehrere Blutkelche gesehen und dessen
Rituale vollzogen, da kannte ich Dich noch gar nicht. Dieser Kelch hat
eine unvorstellbare Macht. Er vereint Gut und Böse in sich, Angel. Wenn
er in die falschen Hände gerät, kann das Auswirkungen auf die gesamte
Erde haben. Kisha ist erlöst und sie starb in Frieden. Es war unsere
Pflicht, mit Blut zu zahlen. Wenn Gunn kommt, wird er sicher auch noch
ein paar Tropfen dafür hergeben. Ich versuche morgen früh gleich,
etwas über diesen Theo herauszufinden, den Kisha angerufen hat.
Vielleicht können wir Ben und ihr die letzte Ehre erweisen...“ Cordelia
betrachtete den Blutkelch und fühlte sich ganz und gar nicht wohl in
seiner Nähe. Ihr Kopf begann verdächtig zu schmerzen. Als wenn sie
eine Vision erwarten würde. Doch die blieb aus. Sie beschloß, bei
Angel zu bleiben, solange er sie brauchte. So aufgewühlt hatte sie
ihren einstigen Boß schon lange nicht mehr erlebt. Wesley beschloß,
Giles anzurufen, um zu beraten, wo man dieses wertvolle Relikt am besten
aufbewahren könne. Der Zauberladen wäre wahrscheinlich keine so gute
Wahl. Angel fühlte
sich dermaßen ermattet und er spürte auch, daß es hell war. So überkam
ihn automatisch die Vampirstarre und er ruhte. Cordelia saß noch lange
neben ihm, bis Wesley sie hochhob und auf die Couch im Arbeitszimmer
legte und mit seiner Jacke zudeckte. Er informierte Gunn über das
Geschehen, der sich sofort auf den Weg in die Agentur machte. Wesley
fuhr nachhause, um einige Bücher zu wälzen. Sie mußten eigentlich ständig
in Bewegung sein, denn hinter dem Kelch waren keine einfachen Dämonen
oder dessen Diener her. Besonders in L. A lauerte die größte Gefahr.
Wesley machte sich Sorgen. Auch Angels Verhalten wunderte ihn. Dieses
Erlebnis schien den sonst so coolen Vampir verändert zu haben. Wesley
bedachte auch, daß Angel niemals eigene Kinder haben kann. Es war
zuviel für ihn. Es kam wahrscheinlich alles auf einmal. Wenn Angel
nicht seine Aufgabe erfüllen konnte, fühlte er sich wie ein Versager.
Das kam Wesley nur allzu bekannt vor. Er mußte an sich selbst denken. Zuhause endlich
angekommen, wälzte er sofort uralte Bücher über Blutrituale und
Relikte. Er rief Giles an, der sehr aufgeregt drauf los plapperte, als
Wes ihm die Geschichte schilderte: „Bist Du sicher, daß der Kelch
echt ist? Weißt Du, wie wertvoll dieses Relikt ist? Kannst Du Dir
vorstellen, welche Ausmaße es annimmt, wenn das Ding in falsche Hände
gerät? Ist die Wächterin des Kelches zerstört worden? Diese Schlange?
Und wo werden die Überreste der Bewahrer des Kelches verscharrt? Habt
ihr Kontakt mit diesem Theo aufgenommen?“ Wesley konnte kaum
unterbrechen: „Ich habe diesem Theo ein Telegramm überbringen lassen.
Ich hoffe, er meldet sich. Wir wollen Kisha und Ben die letzte Ehre
erweisen.“ Giles wurde wieder ruhiger: „Es gibt einen alten Friedhof
für besondere Kinder, Auserwählte. Er ist an einem heiligen Ort in
Dublin. Dort müßten sie Kisha und Ben hingebracht haben. Ich schicke
Willow zu euch, sie nimmt sich des Kelches an. Es gibt ein gutes
Versteck für ihn, bis der neue Bewahrer kommt. Wir werden ihm alle
unser Blut geben. Je mehr desto besser...“ Wesley war froh, mit Giles
gesprochen zu haben. Von den neusten Entwicklungen in Sunnydale wußte
Wes allerdings noch nichts....Giles klang irgendwie betrübt. Doch er
fragte nicht weiter. Als auch ihn am
frühen Nachmittag die Müdigkeit übermannte, schlief er über seinen Büchern
gebeugt, ein. V
8.
Das letzte Geleit Gunn traf am nächsten
Morgen mit ernster Miene in der Agentur ein. Er sah Cordelia und Wesley
in Angels Arbeitszimmer schlafen. Sofort fiel ihm der Blutkelch ins
Auge. Er war noch etwas geschlaucht von seinem letzten Fall, der in den
Bronx stattgefunden hatte. Eine üble Vampirbande hatte es ausschließlich
auf schwarze Obdachlose abgesehen. Gunn hatte vier von acht Vampiren im
Alleingang getötet. Gerade als Gunn auf den Kelch zugehen wollte, um
sich ihn näher anzusehen, hörte er Wesleys Stimme hinter sich: „Gut,
das Du gesund zurück bist, Gunn. Wir haben einiges erlebt. Angel ist
vollkommen am Ende. Und alles wegen eines Blutkelches und eines auserwählten
Kindes. Wärst Du bereit, Dein Blut herzugeben?“ Gunn zuckte mit den
Schultern. Er nahm ein Messer, schnitt sich damit in den linken Daumen
und ließ das Blut in den Kelch tropfen. „Wow, ein Kelch der Blut
trinkt.“ Brachte er nur leise hervor. Cordelia kam
mit dunklen Rändern unter den Augen, zerzauster Frisur und einem Becher
Kaffee in der Hand ins Arbeitszimmer. „Da ist ein Fax von Theo
Gardener.“ Wesley ging mit Cordelia aus dem Zimmer. Angel schlief
immer noch wie ein Stein. Er rührte sich nicht. Nur seine Augen zuckten
hin und her. Er träumte. Cordi reichte
Wes einen Becher Kaffee und Gunn bediente sich selbst. Er lutschte wie
ein Baby an seinem angeschnittenen Daumen und bekam von Cordi sogar ein
Pflaster. „Danke Dir.“ Sagte Gunn betont höflich. Cordi sah kurz
gen Himmel und lächelte ihn frech an. Wes las aufmerksam das Fax von
Kishas und Bens Freund durch: „Verehrte Freunde, das was sie für
Kisha und Ben getan haben, war mehr als ein Blutopfer. Die Körper der
beiden werden in 3 Tagen gegen Mitternacht auf dem heiligem Friedhof
Auserwählter bestattet. Er nennt sich „The Hill of Honer“. Ihr könnt
mit Euren Freunden daran teilnehmen. Bewahrt das Relikt des Bösen gut
auf, bis ein neues Kind für ihn bestimmt ist. Theo.“ Wes hob den
Kopf und sah alle fragend an. Cordelia nickte, Gunn ebenso. Angel kam
verschlafen hinzu. Wesley reichte ihm das Fax. „Ich werde Ben und
Kisha die letzte Ehre erweisen. Ich brauche euch wahrscheinlich nicht zu
fragen, ob ihr...“ Cordelia lächelte Angel an und reichte ihm einen
Becher mit Blut. „Guten Morgen, Angel. Geht es Dir besser? Natürlich
kommen wir mit.“ Gunn klopfte dem Vampir auf die Schultern: „Ich hab
diesem Gold-Ding auch mein Blut gegeben. Alles klar mit Dir?“ Gunn sah
ihn besorgt an. Angel winkte natürlich ab, tat cool: „Leute, mir geht
es gut, ok?“ Wesley sah betreten zu Boden. Er hatte plötzlich ein
schlechtes Gewissen wegen der Ohrfeige: „Angel, ich..es tut mir leid,
daß ich..“ begann er. Angel trank einen Schluck aus dem Becher und
schüttelte den Kopf: „Es war nötig, Wesley. Du hast ja recht gehabt.
Ich bin Dir sogar dankbar dafür, ok? Und jetzt laß uns einen Platz für
den Kelch suchen. Er hat keine besonders gute Wirkung auf uns alle. Ich
hoffe, daß Willow bald eintrifft.“ V Als die Hexe
aus Sunnydale in der Agentur eintraf ging es auf den Spätnachmittag zu.
Sie war auffallend blas. Angel empfing sie mit ernster Miene. Er spürte,
daß sie etwas bewegte, doch sie verbarg es. Angel kannte Willow und war
so einfühlsam, daß er nicht in ihre Gedanken eindrang. Sie umarmten
sich kurz. Er übergab der Hexe den Kelch, welcher gut eingewickelt in
der Tasche verstaut war. „Danke, daß Du Dich des Kelches annimmst,
Will.“ Sagte Angel aufrichtig und auch mit Erleichterung. Willow
Rosenberg lächelte kurz. Dann sagte sie ernst: „Ich werde mein Blut
nicht in diesen Kelch lassen. Da ich auch mit schwarzer Magie in Berührung
kam, ist es wahrscheinlich nicht so gut, wenn mein Blut für den Kelch
eine dermaßen schlimme Auswirkung haben könnte.“ Angel war erstaunt
und betroffen über diese Worte. Willow wurde sich ihrer Macht bewußt.
Da sie auch mit den Kräften des Bösen umging, konnte ihr Blut natürlich
nicht vorteilhaft für ein Relikt sein, das sich von diesen Kräften ernährte.
Sie nahm die
Tasche an sich, drehte sich um und blickte nicht zurück Angel erkannte
seine Freundin kaum. Sie hatte sich sehr verändert. Aus ihr war eine
ernst zunehmende Hexe geworden. Hoffentlich keine Gegnerin, dachte er
bei sich.... V Drei Tage später
in Dublin auf dem Heiligenfriedhof: Angel, Wesley, Cordi und Gunn
standen vor den zwei Särgen, Bens war schwarz, Kishas, deutlich kleiner
und weiß, beide mit den Zeichen versehen, die in Kishas Gesicht tätowiert
waren: „Bewahrer des Kelchs von Solmon“. Theo Gardner war ein
Rapec-Dämon, er hatte den Kopf eines Löwen und den Körper eines
Menschen. Er war in einer traditionellen roten Kutte gekleidet, die
dieselben Zeichen trug, wie die beiden Särge. Mit tiefer, ernster
Stimme hielt er eine bewegende Rede. Als Wes, Gunn und Cordi mit einer
Schaufel Erde über die inzwischen in die Erde versenkten Särge
verstreuten und sich dann entfernten, verharrte Angel noch etwas.
„Ruht in Frieden.“ Flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. Wind
kam plötzlich auf. Angel schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete,
stand eine weiße kleine Gestalt in wallendem Nebel gehüllt vor ihm.
Kishas Geist! Angel sah die
Gestalt an. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. Er versuchte, zu
sprechen, bekam aber keinen Ton hervor. Er hörte Kishas Stimme noch ein
letztes Mal: „Du bist nicht allein, Angel. Du trägst keine Schuld an
meinem Tod. Du bist ein guter Beschützer gewesen. Ich danke Dir.“
Dann fühlte Angel Kisha noch ein letztes Mal. Ihren Duft. Ihre Nähe.
Der Geist flog durch Angel hindurch. Der Vampir atmete tief ein. Er
wischte sich die Tränen fort, erhob sich, drehte sich um. Cordi, Wes
und Gunn standen hinter ihm. Er ging auf sie zu. Sie umarmten sich
schweigend. Noch nie fühlte Angel sich so geborgen, wie in diesem
Augenblick mit seinem Team. Er brauchte sie. Sie brauchten ihn. Angel
tat es gut, zu hören, das er nicht allein war. Und er wußte es. Noch
am selben Abend flogen die Vier wieder zurück zur Agentur. Kaum kamen
sie an, klingelte das Telefon....wieder ein neuer Fall, ein neues
Abenteuer für die sie alles riskieren würden. Das war ihr Job. Ihre
Bestimmung. Angel verschwand in seinem Schlafraum. Willow machte ihm
Sorgen. Was verbarg sie. Wesley sagte, das Giles ebenfalls betrübt
klang. Er war drauf und dran, Giles anzurufen. Doch dann ließ er es. Er
legte sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Als er Gunn und
Wesley seinen Namen schreien hörte, wurde er schlagartig wieder in die
Realität geholt. Er lief ins Büro und sah Cordelia am Boden liegen.
Sie hatte wieder eine Vision. Als er zu ihr laufen wollte, um ihr
aufzuhelfen, hielt Wes ihm am Arm fest: „Nicht! Sieh sie Dir an!“
Als Cordelia den Kopf hob, starrte der erschrockene Angel in das Gesicht
eines Vampirs...eines sehr alten Vampirs..“ Gunn wich zurück, lehnte
sich an die Wand. Sie sprach mit veränderter Stimme zu Angel: „Ich
werde mir den Kelch holen, koste es, was es wolle!“ Dann verschwand
das Vampirgesicht wieder und Cordelia sah wieder normal aus. Sie hielt
sich ihre Schläfen, die pochten wie verrückt und sah in erschrockene
Gesichter: „Angel, was...Gunn Du siehst ja aus, als wenn Du ein
Gespenst gesehen hast, Wes ist weiß wie die Wand...was zum Teufel ist
in Euch gefahren? Ich bins doch!“ Angel half der
ratlosen Cordelia Chase auf die Beine. „Vorhin warst Du es
nicht...Du..hattest das Gesicht einer...Vampirin. Einer sehr alten
Vampirin...“ Ungläubig schüttelte Cordi den Kopf, umfaßte ihr
Gesicht und rannte in die Küche, wo ein Spiegel hing. Keine Spur von
Veränderung. Wes wiederholte, was Cordi gesagt hatte, als sie verändert
war. „Oh nein. Meine Vision....etwas ist hinter dem Kelch her...etwas
sehr altes....durch ein Ritual soll es wieder erweckt werden...“ Angel war
geschockt. Denn dieses Vampirgesicht kam ihm irgendwie bekannt vor. Als
Angelus hatte er Bekanntschaft damit gemacht...ein neues, gefährliches
Abenteuer begann, kaum, das daß andere vorbei war...Der Vampir wurde
schlagartig von seiner Vergangenheit eingeholt. Wie es weitergehen würde,
welche alte Macht sich hinter dem Vampirgesicht verbarg, mochte Angel
nicht laut denken. Kaum erholt, stürzten
sich die vier Freunde wieder in die Arbeit. Cordelias besorgte Blicke in
den Spiegel und das ständige Abtasten ihres Gesichtes verrieten ihre
Angst, das ihr dieses Erlebnis noch einmal widerfährt. Zurecht, wie
sich bald herausstellen würde... ENDE |