Roman |
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Wieder
ein von Gruftine selbst geschriebener Roman über Buffy, Angel, Spike
und all die anderen. Wer schon die Storys bzw. die Endlosgeschichten
gelesen hat, weiß was sie für ein Talent hat. Ich bewundere jedenfalls
Meike über ihre Einfälle. Wer hier meckern will, soll es erst mal besser machen!! Wer sich die Seiten ausdrucken möchte, dann nur zur eigenen Nutzung. Es ist ohne schriftliche Genehmigung der Autorin nicht erlaubt, den Roman und Teile daraus zu vervielfältigen, systematisch auszuwerten oder auf gedrucktem bzw. elektronisch gespeichertem Weg zu verbreiten. Anfragen diesbezüglich sind an Die Autorin zu richten. Sie wird über alles weitere entscheiden. Dann viel Spaß beim Lesen! |
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Titel:
Hüterin der verlorenen Seelen
(Org: Lost Angels: The Journey of Soulhunters) Autorin:
Meike Benner „Shadow-Writer“
or „Dina, the Soulhunter“ Altersfreigabe:
Ab 16 (?) Rechte: frei erfundene Story Kategorie:
Fantasy-Horror-Märchen Kommentar:
Nach den ersten 3von 5
erfolgreichen Buffygeschichten, wo in der letzten die Soulhunterin Dina
ihren ersten Auftritt hatte, wollte ich diesem Wesen eine eigene
Entstehungsgeschichte geben, da sie sehr mystisch und geheimnisvoll ist.
Ähnlichkeiten mit der Vampirjägerin Buffy sind auszuschließen, da sie
eher nach ihrer Autorin kommt. Feedback:
E-Mail: meike-benner@web.de ,Fax:
02304/750170 oder Meike Benner, Am Winkelstück 2, 58239 Schwerte, D1:
0170/4853710 ********************************************************* Hüterin der verloren Seelen Die abenteuerliche Reise eines Soulhunters Inhalt:
Rabenhorst, im Jahre 1845: In einer Welt, in der die Menschen noch an
Magie glaubten, wo es noch Dämonen, Hexen, Trolle und andere Wesen gab,
entstand eine Legende über eine besondere Art von Engeln, die dazu
auserwählt waren, daß Gleichgewicht zwischen den guten und bösen Mächten
aufrecht zu erhalten. Als das lebenslustige, willensstarke Mädchen
Mirka, eine Bauerntochter, erkennt, daß ihre Mutter von einer fremden
Macht beherrscht wird, spürt sie bald, daß nur sie in der Lage ist,
ihre Mutter davon zu befreien. Denn es ist ihr vorherbestimmt, ein Leben
als Seelenjägerin zu führen, um die Menschen vor dem Bösen zu
bewahren. Das zu begreifen, verändert nicht nur Mirkas Leben.... 1. Der Ruf Es
war noch früh am Morgen. Die Sonne ging gerade auf und hüllte die
Felder und Gärten in ein rot-goldenes Licht, als der Hahn die Unverschämtheit
besaß, Mirka Kolt aus ihren Träumen zu reißen. Da es Ende Spätsommer
wurde und die Ernte gerade eingefahren war, bereitete das Dorf sich auf
den Herbst vor. In Rabenhorst herrschte seit Tagen helle Aufregung, denn
die Kinder dachten sich wie immer eine Überraschung für ihre Eltern
aus, um die Vorbereitungen für das Erntefest zu versüßen. Sie hatten
endlich 3 Wochen schulfrei und schon mächtig viele Ideen, was man
machen könne. Sie
trafen sich heute an „ihren geheimen Ort im Wald“, wo sie eigens für
sich ein Baumhaus in einer uralten, riesigen Buche, geschaffen hatten,
um sich zu beraten. Jedes der Kinder in Rabenhorst wurde einbezogen,
egal ob reich oder arm. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, genau
wie die Großen und hielten zusammen, wie Pech und Schwefel. Die
siebzehnjährige Mirka war die Älteste von 4 Geschwistern und liebte
das Leben auf ihrem kleinen Bauernhof mit ihren Aufgaben und den vielen
Tieren, von denen sie und ihre Familie natürlich auch ihre
„Lieblinge“ hatten. Eine der Lieblinge war der 6jährige Schäferhund
„Wolle“, der als Welpe von 9 anderen Hundebabies, Mirka zugesprochen
war, als sie sieben Jahre alt wurde. Er hatte ein weißes, weiches Fell
und da er immer zottelig aussah, da er viel herumtobte und auch gerne
mal in den nahegelegenen Fluß sprang, gab Mirka ihm den Namen
„Wolle“. Er hatte kluge, große, dunkelblitzende Augen und paßte
stets wachsam auf die Familie Kolt auf. Wie
jeden Morgen, als Mirka sich noch verschlafen in ihrem Bett räkelte,
kam er die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufgelaufen, um auf ihr Bett zu
springen und sie mit seiner feuchten, rauhen Zunge wachzuküssen. Das
laut anhaltende Krähen ließ Mirka stöhnend die Augen aufschlagen.
Grummelnd und noch den Schlaf in ihren Knochen, legte sie sich auf die
rechte Seite und stülpte sich das Kissen über den Kopf. „Bitte,
Gockel Pinpa, noch fünf Minuten...“ nuschelte sie in die Bettdecke
und gähnte herzhaft. Jedes Tier hatte auf den Hof einen Namen. Sogar
die Mäuse, die im Winter kamen, um die hart erarbeiteten Vorräte
anzufressen. Mirka
liebte alle Tiere genauso wie ihre Familie. Sie gehörten einfach zu
ihrem Leben und sie behandelte jedes Lebewesen mit Respekt und Liebe,
auch wenn sie von den Katzen blutig gekratzt oder den Gänsen gepickt
wurde. Selbst die Tiere kamen gern zu ihr, nicht nur, um gefüttert und
gepflegt, sondern auch gestreichelt zu werden, wenn sie krank waren oder
zum Trost spenden wenn Mirka oder der Rest ihrer Familie, Probleme
hatten. Mirka
fiel gerade wieder in einen leichten Schlummer, als sie schon das
schnelle Hecheln und Tapsen von Wolle wahrnahm. Die hölzerne, stabile
Eichentür zu ihrem geräumigen Zimmer knarrte lautstark. Sie hatte
schon immer ihr eigenes Zimmer. Ihre drei jüngeren Geschwister dagegen,
schliefen im Nebenraum zusammen. Der Schäferhund sprang mit einem Satz
auf Mirkas Bett und wedelte freudig mit dem Schwanz. Er winselte und
fuhr auch schon mit seiner gefürchteten, nassen Zunge über ihre
Oberarme, als Tobias, ihr jüngster Bruder, er ist gerade erst 5 Jahre
alt, anfing, lautstark zu quengeln. Das machte er immer, wenn es darum
ging, sich zu waschen. Mirka hatte alle Mühe, vor Lachen nicht aus dem
Bett zu fallen und den wilden Wolle abzuwehren, als auch schon der
strenge Ruf ihre Mutter Christa ertönte: „Mirka Sanje Kolt! Komm raus
aus den Federn! Du bist heute mit Melken dran!“ Mirka
fuhr erschrocken aus dem Bett hoch und setzte sich auf. Ihre rotblonden
Haare, die ihr bis zu den Hüften reichten hingen ihr wirr im Gesicht
herum. Melken! Das hatte sie völlig vergessen! Sie dachte schon sofort
an das Treffen im Buchenwald im Baumhaus und freute sich auf alle und
was sie bereden wollten. Und sie konnte auch Malte wieder treffen. Ein
16jähriger Junge aus der Nachbarschaft. Er hatte ganz blondes, glattes
Haar und viele Sommersprossen im Gesicht. Und diese blauen Augen. Sie
glitzerten in der Sonne, wie Diamanten. Mirka seufzte. Als sie an Malte
dachte, klopfte ihr Herz schneller. „Mirka! Bist Du taub oder muß ich
Titzia zu Dir schicken?“ Mirka stand endlich auf und antwortete ihrer
Mutter sofort: „Nein, Mutter. Ich komme gleich!“ Titzia war eine
alte, griesgrämige Graugans, die nicht gut auf Menschen zu sprechen
war. Ihr Vater hatte sie vor dem Schlachter bewahrt, als sie auf dem
Markt verkauft werden sollte. Trotz liebevoller Haltung mit anderen
Artgenossen, genug Futter und Freilaufen, gelang es nur Mirkas Mutter,
sie zu zähmen. Sie hatte wohl als Junges schlechte Erfahrungen mit den
Menschen gemacht. Mirka
hatte ein weißes Leinennachthemd an, was ihr viel zu groß war. Es gehörte
Matthias, ihrem Vater. Dieser war vor 3 Jahren an einer bösen
Krebsgeschwulst in der Lunge gestorben. Barfuß und noch nicht
gewaschen, lief sie aus ihrem Zimmer, die Treppe hinunter. Draußen im
Hof waren die Hühner schon von einem der vier Rackern herausgelassen
worden. Greta, die fette Milchkuh gab ein lautes Muhen von sich. Die
Arbeit mußte getan werden. So war das nun mal. Jeden Tag. Arbeiten,
Essen, schlafen. Sie
hatten insgesamt fünf Kühe, 3 weibliche und zwei Bullen. Nachwuchs gab
es noch nicht. Nach dem Warum fragte sich keiner in der Familie. Dann
gab es da noch Rosalie, die schönste Stute der Welt, wie Mirka fand.
Sie half beim Sähen des Feldes, zog den Fuhrwagen und den Pflug. Die
Familie Kolt baute den besten Mais in der Gegend an, wovon sie hauptsächlich
lebten. Von den Milcherzeugnissen der Kühe und den 3 Ziegen und einem
selbst angelegten Gemüsebeet konnten sie sich auch etwas gönnen, wenn
es die Saison zuließ. Rosalie war ein 3 jähriges, weiß-grau-geschecktes
Vollblut, mit einer langen Mähne. Sie war kräftig und hatte treue
Augen. Auch ein Geschenk der Eltern für Mirka, als sie 12 geworden war. Sie
hatten natürlich auch Katzen, 2 aufgelesene Streuner, die sich in der
Scheune versteckten, als einmal ein Unwetter aufgekommen war. Mirka
reckte sich vor der Haustür und hörte ihren kleinen Bruder, den sie
liebevoll Tobi nannte, schon fluchen. „Wie ich das hasse. Mirka, hilf
mir!“ Seine große Schwester ging lässig an ihm vorbei und grinste
ihn an, als sie sah, wie unbeholfen er sich mit dem schweren Hebel am
Wassertrog abmühte. „Du bekommst ihn schon herunter! Du mußt nur kräftig
drücken! Damit Du stark wirst! Tobi, ich muß die Kühe melken. Wasch
Dich doch im Trog. Und denk bitte an Lotte. Sie hat Eier gelegt.“
Sagte sie so höflich sie konnte, weil sie wußte, wie schnell Tobi aus
der Haut fahren konnte. „Jaja.
Lotte hier, Lotte da. Kann´s nich´ mehr hören!“ maulte Tobi. Der
Kleine schaffte es, den Hebel so herunter zu drücken, das eine schmale
Wasserfontäne herausgeschossen kam. Ohne Murren hielt er seinen braunen
Lockenkopf darunter und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Dann
schüttelte er sich trocken und stampfe mit großen Schritten, so naß
wie er war, in den Hühnerstall. Lotte war die älteste Henne und legte
immer noch fleißig Eier. Erst gestern waren es Drei an der Zahl. Tobi
mochte es besonders, wenn seine Schwester ihm davon Rührei briet. Mit
vielen Zwiebeln und gutem Schinken. Mirka
fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und warf sie elegant nach
hinten. Die feinen, glänzenden weichen Locken, fielen sanft über ihren
Rücken. Sie trug sie meist offen oder hochgesteckt, wenn es heiß
wurde. Ihre Haut war zartbraun und ihre Wangen von einem leuchtenden
Rot. Sie reckte sich noch einmal kurz kräftig, stemmte sich auf den
Zehen in die Höhe und streckte die Arme in die Luft, bevor sie in den
Stall ging, um die Kühe zu melken. Hinter ihr hörte sie schon ihre
anderen Geschwister, die 13jährige Rabea und den 9jährigen Janus
streiten. Sie zankten sich darum, wer heute mit Unkrautzupfen dran war.
Diese Arbeit haßten sie alle. Doch der Garten sah seit Wochen unmöglich
aus, kaum einer konnte sich darum kümmern, da die Ernte Vorrang hatte.
Denn auf einem Bauernhof mußte nun einmal jeder mit anpacken. Christa
verdonnerte meist die Jüngeren dazu, da sie noch nicht so selbständig
entscheiden konnten. Seit Matthias Tod hielten sie noch mehr zusammen
und bemühten sich, seinen Hof aufrecht zu erhalten. Als
Mirka den Stall betrat, blendeten sie einzelne Sonnenstrahlen, die durch
die offenen Stellen des Stalls drangen. Der Stall war aus einfachen
Holzbrettern zusammengenagelt. Lediglich das Dach war aus robusten,
roten Steinziegeln. Die fünf Tiere standen in einer Reihe, wiederkäuend
vor gut verteiltem Heu. Es roch streng danach. Zufrieden muhten oder
schmatzten vor sich hin. Sie klopfte der alten Greta ein paarmal auf den
Hintern. Das war Mirkas Art, der Kuh „Guten Morgen“ zu sagen. Sie
krempelte die Ärmel hoch, nahm sich einen Schemel, setzte sich vor die
Kuh, die von dem Klaps unberührt blieb und weiter kaute und begann,
sich an dem großen, vollem Euter zu vergnügen. Der Eimer stand schon
bereit. Das Melken der zwei Kühe beanspruchte Mirkas Arme sehr. Sie war
durch die Arbeit sehr stark und auch gut gebaut. Sie wurde jetzt langsam
eine Frau und ihre weiblichen Rundungen kamen schon gut zur Geltung.
Ihre kleinen, festen Brüste zeichneten sich schon gut von ihren
Kleidern ab. Die
Melkerei dauerte eineinhalb Stunden für 4 Liter je Kuh. Mirkas Magen
brummte. Sie freute sich schon auf den reichlich gedeckten Frühstückstisch.
Und auf Malte. Fröhlich begann sie, ein Lied zu pfeifen und dabei im
Takt des Liedes an Gretas Euter zu zupfen.. Während
dessen kümmerte sich Christa um das Frühstück. Sie war eine gut genährte,
49ährige Bäuerin. Ihre beträchtliche Oberweite und ihre stämmigen,
kräftigen Arme ließ so manchen gestandenen Mann im Dorf schaudern,
seit sie Witwe war. Sie
hatte für jeden ein freundliches, offenes Wort und konnte wunderbar
laut lachen. Nur seit Tagen war davon keine Rede. Ihr
ging es seit einer Woche gar nicht gut. Sie hatte schlechte Träume von
Trollen, die sie holen wollten oder Tobi stahlen. Sie sah Mirka immer
verschwommen vor sich.. Eine merkwürdige, helle Aura umgab ihren Körper.
Was hatte das nur zu bedeuten? Und als sie nach ihr greifen, sie zu sich
holen wollte, entfernte sich ihre Tochter von ihr, ja, sie lief
regelrecht vor ihrer eigenen Mutter davon. Als wäre sie auf der Flucht.
Christa haßte diese stinkenden Trolle. Sie kamen meist, wenn der Winter
anfing und stahlen die Ziegen, um sie zu fressen. Manchmal halfen ihr
die Elfen mit den Pflanzen, sie hatte ein wundervolles Blumenbeet und
einen kleinen Kräutergarten angelegt. Doch seit Monaten ließ sich
weder die Elfenschar noch das Trollpack blicken. Die Kolts hatten sich
daran gewöhnt, von Zeit zu Zeit Besuch von eigenartigen Wesen zu
bekommen. Wie jeder im Dorf. Diese Wesen waren im Grunde harmlos und nur
dazu da, die Kinder zu erschrecken oder auch zu entzücken. Es gab im
weiten Umfeld auch weiße Hexen oder den dorfbekannten, uralten Zauberer
Magnus Gurfund. Es hieß, seinen Bart konnte er um sich
herumwickeln. Er wäre schon über 100. Denn Zauberer und Hexen sind ja
unsterblich. Das weiß jedes Kind. Wenn es Probleme mit Trollen,
Wichteln, Nymphen oder bösen Feen gab, konnte man sie rufen lassen.
Doch auf diesen Beistand konnte Christa gut verzichten. Solange ihre
eigene Mutter noch lebte. Die alte Martha war jetzt schon bald 98 und
hatte immer noch ein loses Mundwerk. Sie verstand etwas von weißer
Magie. Mirka war ihre Lieblingsenkelin. Die beiden hatten seit Mirkas
Geburt ein Geheimnis, daß nur Martha kannte. Wenn Mirka nächstes Jahr
volljährig würde, erfuhr auch Christa endlich, was für ein Geheimnis
ihre Mutter bewahrte, so daß es noch nicht einmal ihr eigenes Kind
erfahren durfte. Oft dachte sie an diese Merkwürdigkeit, doch das
Halten des Hofes lenkte sie von diesen Sorgen ab. Als Matthias noch
lebte, konnte sie nicht verstehen, warum er Martha in Schutz nahm, wenn
es um die Erstgeborene ging. Seit ihrer Geburt trug sie auf dem rechten
Oberarm ein Geburtsmal, das wie ein Halbmond aussah. Als Martha es
entdeckte, bat sie Christa, es mit einem Armreif zu verstecken und es
niemandem zu zeigen, bis sie achtzehn war. Erst dann würde sie, wenn
der Herrgott sie bis dahin nicht zu sich rief, die Bedeutung des Mals
aufdecken und das Geheime an ihrer Enkelin offenbaren. Als
die Familie größer wurde und der Hof langsam Gestalt annahm, hielt
sich Christa aus Liebe zu Martha daran, Mirkas Mal mit einem silbernen
Armreif, der eigens für sie vom besten Schmied im Dorf angefertigt
worden war, zu bedecken. Als es nicht mehr paßte, fertigte sie selbst
kunstvollen Schmuck an, der dafür sorgte, ihre Tochter vor neugierigen
Blicken zu schützen. Mirka selbst verstand natürlich nicht, was daran
besonders war, ein Mal zu verstecken. Doch das Gerede der Leute im Dorf
und das Gespött der Kinder machten sie mit der Zeit auch unglücklich
und darum fand sie sich damit ab, etwas aus der Rolle zu fallen. Doch
sie führte, soweit es möglich war, ein normales Leben und dachte meist
nicht an ihre „Besonderheit.“ Es
war kurz vor 11 Uhr, als der Garten umgepflügt, die Eier eingesammelt,
die Kühe gemolken und die Ställe gesäubert waren. Die Kinder
leisteten ganze Arbeit. Und sie taten es gern, denn sie wußten, daß
ihre Mutter stolz auf sie war. Natürlich gab es auch mal
Meinungsverschiedenheiten, doch das ging vorbei. Christa Lena Kolt trat
aus der Stube und rief die Kinder zu sich. Wolle saß wie ein Wachhund
neben ihr auf alle Viere. Er wedelte mit dem Schwanz, bellte zweimal
kurz und gähnte herzhaft. „Komm, Wolle, Du willst sicher auch einen
Knochen?“ Sprach die Bäuerin den Hund an. Das
Tier sah Christa an und ging aufgeregt neben ihr her, er sabberte.
Christa nahm eine abgenagte Hühnerkeule und warf sie in die Nähe des
Kohle-Ofens, wo Wolle seinen Sitzplatz hatte. Mit ein paar Schritten war
der Hund bei seinem Knochen. Er umfaßte ihn mit den Vorderpfoten und
nagte daran. Die
vier Kinder, allen voran Mirka kamen ins Haus gelaufen. „Greta und
Bella haben heute 2 Körbe Milch gegeben.“ Sagte Mirka stolz und
wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie stellte die 2 vollen, noch
warmen Holzkannen auf die kleine Anrichte neben der Spüle. Mirka setzte
sich mit Rabea und Janus an den kleinen Tisch vor dem Fenster. Es gab
selbstgebackenes Brot, Käse, Schinken und eingekochte Erdbeermarmelade.
„Und, wie war das Unkrautzupfen, ihr zwei Streithammel? Ist auch alles
ordentlich sauber?“ Janus und Rabea schauten sich an und grinsten.
Dann sahen sie zu ihrer Mutter und nickten. „Habt ihr alle eure Hände
gewaschen?“ fragte sie, als jeder nach dem Brot greifen wollte. Tobi
setzte sich auf Christas Schoß. Er genoß immer noch den Vorzug der Fütterung.
Obwohl er sich auch schon gut selbst versorgen konnte. Artig zeigten die
Vier ihre sauberen Finger. „Dann guten Appetit.“ Kaum hatte es die Bäuerin
ausgesprochen, stürzten sich die Kinder auf ihr Frühstück. Lächelnd
goß Christa sich Tee auf und blickte auf ihre Kinder. Ihre Sorgen waren
für einige Augenblicke vergessen. **** Nachdem
die Familie in aller Ruhe gefrühstückt hatte, gingen die drei
Geschwister, Mirka, Rabea und Janus in ihre Zimmer, um sich zu waschen
und anzukleiden. Tobias half seiner Mutter beim Aufräumen und Spülen
in der Küche. Er gab Wolle zu trinken und kümmerte sich um die Katzen
in der Scheune. Die Sonne erhellte das Haus der Kolts. Es sah aus, als würde
es ein schöner Tag werden. Besonders heute abend, wenn das Fest begann
und die Kinder wieder etwas ausheckten für die Erwachsenen. Als es auf
den Nachmittag zuging, hatte Mirka sich für das Treffen mit den
Dorfkindern angezogen. Ihre Lieblingsfarbe war rot und auch ihre Mutter
kam jedes Mal aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn sie ihre Tochter
vor sich sah. Sie wurde eine junge Dame. Und von mal zu mal hübscher.
Mirka trug ein einfaches Baumwollkleid, das in der Mitte von einer weißen
Kordel zusammengehalten wurde. Die Ärmel waren lang und die Rocklänge
reichte ihr bis zu den Knien. Ihr Dekolleté war mit einem Kreuzanhänger,
der golden glänzte, geschmückt. Ihre lange Mähne hatte sie zu einem
dicken Zopf geflochten. Fröhlich
kam sie zu Christa in die Küche gerannt, noch barfuß. „Na, Mama, wie
gefalle ich Dir?“ fragte sie neugierig. Ihre Mutter drehte um. Sie war
gerade damit beschäftigt, die letzten Teller abzutrocknen: „Du bist
eine Rose in der Wildnis, meine Süße. Ich bin stolz auf Dich und...“
sie brach ab, denn auf einmal ging ein stechender Schmerz durch ihren
Kopf. Sie ließ den Teller, den sie in der Hand hatte fallen, der in
tausend Stücke auf dem Boden zerfiel. Mit beiden Händen faßte sie
sich an den Kopf. Der Schmerz war unerträglich. Mirkas fröhliche Miene
verwandelte sich in ein besorgtes Gesicht: „Mutter! Was ist los?“
Sie stützte Christa an den Hüften und führte sie zum Stuhl. Die sich
vor Schmerzen krümmende Frau biß die Zähne zusammen: „Es ist nur
ein...Anfall...geht gleich...wieder weg. Hol mir...ein Glas Wasser,
Mirka. Bitte!“ Kaum hatte Christa es ausgesprochen, lief ihre Tochter
auch schon aus dem Zimmer. Hastig
nahm sie mit flinken Händen die große Schöpfkelle aus dem Trog in
beide Hände, holte Wasser heraus und füllte es bis zum Rand.
Vorsichtig lief sie ins Haus zurück und schüttete das frische Wasser
in ein kleines Glas. Mit klopfendem Herzen reichte sie es ihrer Mutter.
„Seit wann hast Du denn Kopfweh? Und Du siehst auch schon seit längerer
Zeit blaß aus. Hast Du nicht gut geschlafen?“ Mirkas Mutter nahm das
Glas in beide Hände. Diese zitterten sichtbar schwer. Mit langsamen,
großen Schlucken leerte sie das Glas. Sie drehte sich nicht zu Mirka
um. Sie schämte sich, da sich ihre Tochter solche Sorgen machte und sie
ihr nichts von den ihren erzählte: „Ach, Kind. Ich habe seit einigen
Tagen Alpträume. Ich weiß nicht, warum. Ich habe beinahe 4 Tage fast
kein Auge zugemacht. Ich....dachte es wäre nichts Schlimmes, es würde
vorbeigehen. Jetzt bekomme ich die Rechnung. Mach Dir keine Gedanken,
Mirka. Es geht vorbei.“ Rabea
war in die Küche gekommen. Auch sie war hübsch angezogen. Sie hatte
eine blaue Hose von ihrem Vater an und darüber ein weites, weißes
Hemd. Ihre braunen, kurzen Locken klebten noch naß an ihrem Gesicht:
„Mirka! Mutter! Was ist denn hier passiert?“ Bevor Christa Kolt
antworten konnte, erzählte Mirka ihrer jüngeren Schwester, was
geschehen war. Rabea sah die Scherben auf dem Boden und machte sich
sofort daran, den entstandenen Schaden wegzufegen. Mirka hatte sich zu
ihrer Mutter gesetzt und wollte Näheres über die Träume wissen. Doch
Christa wich aus: „Nichts von Bedeutung. Ich kann Träume nicht
deuten, meine Liebe. Ich werde mich ein wenig ausruhen und mich
hinlegen. Du kannst ja mit Deinen Geschwistern zum Baumhaus gehen, wenn
ihr eure Zimmer aufgeräumt habt. Nimm Rosalie und den Bollerwagen für
Tobi mit. Und seit bitte vor dem Dunkelwerden wieder zurück. Bis dahin
geht es mir sicher wieder besser. Dann gehen wir das Herbstfest feiern.
Einverstanden?“ Mirkas Augen leuchteten. Sofort kam ihr Malte wieder
in den Sinn. Doch immer noch besorgt, hakte sie nach: „Soll ich nicht
zu Großmutter Martha reiten? Sie spürt doch meist, wenn etwas bei uns
nicht stimmt. Sie wird sicher wissen, was die Träume bedeuten, wenn Du
mir sie erzählst. Bitte, Mutter. Ich habe Angst um Dich!“ Christa
machte verwundert große Augen. Sie begann zu weinen. Stumm umarmten
sich die beiden. „Das brauchst Du nicht, Liebes. Ich...erzähl Dir
mehr, wenn ich mehr erkenne...laß Martha daraus. Sie...hat schon genug
mit sich selbst zu tun. Sie ist alt und wirr, das weißt Du doch. Sie
redet viel und davon ist die Hälfte erfunden. Auch wenn sie etwas von
Magie versteht, heißt das nicht, daß sie gegen alles ein Kraut hat.
Und jetzt lauf.“ Mirka strich ihrer Mutter über die schwarz-grauen,
schulterlangen Haare. Sie gab ihr einen Kuß auf die Wange und holte
ihre Geschwister, um ihnen von Mutters Wunsch zu berichten. Tobi und
Janus waren schon von Rabea ins Bild gesetzt worden und hatten ebenso
sorgenvolle Mienen, wie Mirka. Doch als sie hörten, daß sie sich mit
den Dorfkindern schon früher treffen konnten, hellten sich ihre
Gesichter auf. Schnell
machten sich alle daran, ihre Betten herzurichten, das Spielzeug wegzuräumen
und Staub zu wischen. Sie putzten sogar freiwillig die Fenster, was
jedem der Kinder, auch Mirka, ein Greuel war. Christa
ging langsam die Treppe hinauf, zum Dachstuhl, wo sie sich ihr Reich
hergerichtet hatte. Das Bett stand an der Luke, ein Guckloch nach draußen.
Man konnte es öffnen. Manchmal ließen sich Vögel, Eulen oder auch
Eichhörnchen darauf nieder. Ein Tisch und ein Stuhl und viele Regale
mit Büchern und Zeichnungen waren darin. Christas Glieder begannen,
schwer zu werden und auch zu schmerzen. Was war bloß los? Ihr Magen
wollte rebellieren. Wenn sie schlief, würde es besser werden. Doch was
war mit den bösen Träumen? Kamen die dann auch wieder? Christa zog
sich ganz aus und hüllte sich in die frischen Leinendecken. Sie war in
ein paar Minuten eingeschlafen. Wolle
war ihr unbemerkt gefolgt, obwohl sie immer darauf achtete, daß der
Hund sich in den Hof legte, um Laut zu geben, wenn jemand kam. Doch
Wolles Beschützerinstinkt wich seinen Pflichten. Auch er fühlte, daß
mit Christa irgend etwas nicht zu stimmen schien. Er roch Christas
Angst. Winselnd legte er sich auf alle Viere vor ihrem Bett nieder,
wedelte mit dem Schwanz ein paar Mal und schloß die Augen. Seine Ohren
waren jedoch wachsam aufgerichtet. **** Mirkas
Herz klopfte vor Freude schneller, sie bekam auffallend rote Wangen, als
sie sich für den Waldritt vorbereitete. An ihrer Kordel befestigte sie
einen kleinen Beutel, wo eine Mischung aus Mehl und einem roten Pulver
gemischt lag, die Zusammensetzung war Mirka fremd. Sie bekam es von
ihrer Mutter. Und diese hatte es von Martha. Da sie es als Schutz vor
Fremden einsetzen konnte, auch vor anderen, bösen Wesen, war sie sich
der Wirkung eindeutig bewußt. Sie
und ihre Geschwister hatten einmal die unheilvolle Begegnung mit einem
Bergtroll. Diese Sorte war besonders wild und auch ganz schön gefährlich.
Er hatte sich bis in den Garten an einem Wintermorgen vorgewagt. Mirka
war gerade im Begriff, mit Tobi auf dem Arm, in den Hühnerstall zu
gehen. Da hörte sie hinter sich ein unmenschliches Geknurre und
Gefauche. Sie blieb wie angewurzelt stehen und hielt ihrem kleinen
Bruder den Mund zu, damit er nicht aufschrie. Ein ekelerregender Geruch
von faulen Eiern stieg ihr in die Nase. Sie mußte sich selbst innerlich
beruhigen, um nicht wegzulaufen. Langsam griff sie an ihren Talisman um
den Hals, wo eben jener Beutel mit dem geheimnisvollen Inhalt befestigt
war. Ihre Hände zitterten, doch sie schaffte es. Langsam holte sie eine
Handvoll heraus. Das Knurren kam näher. Schlurfende Schritte nahmen die
Kinder hinter sich wahr. Er war dicht hinter ihnen. Mirka kniff die
Augen zusammen und ließ langsam die Hand von Tobis Mund, der sich
zusammenreißen mußte, nicht zu schreien. Doch auch er hatte gelernt,
sich gegen diese unliebsamen Gäste zu wehren. Sie verständigten sich
mit Blicken und Handzeichen. Es mußte schnell gehen, bevor der Troll
sie riechen konnte. Mirka
drückte auch ihm etwas von dem Pulver in seine kleinen Hände. In einer
halben Drehung nach hinten schleuderten die beiden tapferen Kinder das
Pulver dem Troll genau ins Gesicht. Dann nahm Tobis große Schwester die
Beine in die Hand und lief mit ihm wie ein geölter Blitz in die
Scheune. Sie drehte sich dabei nicht um. Das war der schnellste und
sicherste Weg, um sich zu retten. Das Gefluche und wütende Aufstampfen
des Bergtrolls, der sich wie wild die Augen rieb, machte den beiden
Kindern Angst. Denn er konnte somit noch mehr von seiner Art dazu
bringen, den Hof anzugreifen. Nur
selten erdreisteten es sich diese Wesen, allein zu kommen. Wenn einer
bei den Menschen war, waren seine Brüder nicht weit. Und tatsächlich:
Mirka und Tobi, die sich auf den Heuboden in der Scheune versteckt
hatten, beobachteten, wie sich zwei Trolle daran machten, ihren
angeschlagenen Kumpan vom Hof zu ziehen. Sie packten ihn unbeholfen an
den Armen und zerrten ihn mit sich. Auch sie fluchten laut vor sich hin
und sprachen einen Dialekt, den Mirka nicht verstand. Kaum einer dieser
Wesen verstand die menschliche Sprache. Es sei denn, sie wurden gefangen
genommen oder lebten nah bei den Menschen, wenn es etwas zu holen gab.
Dann, nach einer ganzen Weile kamen erneut zwei Trolle, noch häßlicher
und stinkender, als die anderen. Sie waren auch größer. Es schienen so
etwas wie Anführer zu sein, denn sie trugen Kleider. Rote,
zerschlissene Gewänder, die ihren Oberkörper bedeckten. Und sie hatte
auch Sperre in der Hand. Und Steinschleudern. Normalerweise gingen
Bergtrolle einem nur bis zu den Hüften oder auch bis zu den Knien. Sie
gingen oft auf ihren Händen. Wie Affen. Und sie waren unbeschreiblich häßlich.
Schwarze, lange, strähnige Haare hingen ihnen über ihr pickeliges,
verwarztes, geschwollenes Gesicht. Die Haut sah fett und lederig aus.
Sie schimmerte grün oder bräunlich. Aus ihren großen, schiefen Nasen
triefte der Schleim und sie zogen auch dementsprechende Spuren hinter
sich her. Ihre klauenartigen Hände waren dünn und lang. Die schwarzen,
scharfen Krallen spitz zulaufend. Ihre fürchterlich abstehenden,
schiefen, gelben Zähne ragten aus ihrem großen Maul. Die zwei Trolle
schnupperten nach Vieh. Sie hielten ihre Köpfe in alle
Himmelsrichtungen und verhielten sich so gut es ging, ruhig. Christa war
im Haus gewesen und beobachtete alles mit aufgerissenen Augen und starr
vor Schreck vom Küchenfenster aus. Sie wagte es nicht, sich zu rühren.
Weil sie wußte, sie konnte sich auf Mirka verlassen. Die Trolle
durchsuchten den Kuhstall und fanden die Ziegen. Die Kinder weinten, als
sie das Geschrei der Ziegen hörten und das Fluchen der Trolle, als die
Tiere sie traten und sich wehrten. Doch
die Kinder und Christa wußten: Lieber ein paar Tiere opfern, als das
Leben verlieren oder zu ihren Sklaven werden. Oder auch zu Futter. Es
kam auch vor, daß Trolle Kinder stahlen, um sie mit Essen vollzustopfen
und sie dann zu fressen. Doch das geschah nicht mehr oft, denn jeder
hatte so seine eigenen Methoden, mit diesen Wesen umzugehen. Mirka
sah noch einmal prüfend in den Spiegel und lächelte sich zu. Sie
steckte noch ein kleines Messer in ihre Brusttasche. So fühlte sie sich
sicher. Sie dachte wieder an Malte. Sie zog sich hellbraune Sandalen aus
Leder an, die man an den Fersen zusammenband. Es klopfte an der Tür:
„Dauert es noch lange? Janus ist schon ganz ungeduldig. Und Tobi fängt
Streit an. Komm endlich, dann kannst Du auch Deinen Malte sehen!“
Sagte Rabea neckisch. Mirka verdrehte die Augen. Mit einem letzten, prüfenden
Blick in den Spiegel lief sie aus dem Zimmer. Janus
hatte den Bollerwagen aus dem Geräteschuppen geholt. Es war ein
einfaches Fortbewegungs- und Transportmittel. Als Tobi noch ein Baby
war, fuhr Christa ihn immer darin spazieren. Nun war es Mirka, die das
übernahm. Doch da Mirka Rosalie mitnehmen durfte, übernahm ihre
Schwester diese Aufgabe. Janus konnte mit Mirka auf Rosalie reiten. Die
Stute war kräftig und hatte auch nichts dagegen. Sie akzeptierte sogar
manchmal, wenn Christa ins Dorf mit ihr ritt. Mirkas Vater konnte als
Einziger nicht auf ihr reiten. Ihr früherer Besitzer hatte sie
geschlagen. Und seitdem war Rosalie auf Männer nicht gut zu sprechen,
geschweige denn überhaupt Erwachsene. Rabea
hatte die Stute aus dem Stall geholt. Mirka staunte nicht schlecht. Sie
war sogar gesattelt. Rabea war in diesen Dingen ungeschickt. Sie hatte
mit Hausarbeit nicht so viel am Hut. Doch da sie nun einmal mit anpacken
mußte, blieb ihr nichts anderes übrig, als auch die unangenehmen Dinge
zu lernen: „Rabea! Das ist ja toll! Du bist lieb, Schwester, danke!“
Freute sich Mirka, streichelte Rabea über ihre Locken. Diese grinste
verlegen und schaute zu Boden: „Ich kenne einen Jungen aus dem Dorf.
Der hat es mir gezeigt.“ Sagte sie, ohne aufzublicken. Ach! Rabea fing
also auch schon an, sich mit Jungs anzufreunden. Wenn das Mutter wußte!
Dachte Mirka. Kopfschüttelnd prüfte sie mit ein paar Handgriffen, ob
der Sattel festsaß und der Halfter richtig befestigt war. „Alles in
Ordnung. Wir können!“ Mit einem letzten, sorgenvollen Blick auf den
Dachstuhl zogen die 4 Kinder in Richtung Wald. **** Christa
träumte. Sie warf sich von einer Seite auf die andere. Sie schwitze,
ihre Haare klebten ihr am Kopf. Die Bettlaken waren durcheinandergewühlt.
Ihr Atem ging schwer. Ab und zu schüttelte sie den Kopf und wedelte mit
den Armen von sich weg, als wollte sie etwas oder jemanden abwehren:
„Nein, laß mich....nein, bitte, nicht...ich habe nichts
getan...neeeeein!!!“ Ihre leisen Sätze gingen ins Schreien hinüber. Als
Christa Lena Kolt vor Schreck aus ihrem Bett hochfuhr, sah sie Wolle vor
sich, der auf ihr hockte und sie zähnefletschend anknurrte. Er bellte
aggressiv. Als die beiden sich in die Augen sahen und Christa versuchte,
den Schäferhund zu streicheln, schnappte er nach ihr!. „Verschwinde,
du verdammter Köter!“ schrie sie das Tier an. Mit angelegten Ohren
und eingeklemmten Schwanz sprang Wolle von ihrem Bett und winselte. Ohne
sich noch einmal nach ihr umzudrehen, lief er aus ihrem Zimmer. Christa
rieb sich die Augen und strich sich übers Gesicht. Ihr Herz raste, ihr
war schwindelig. Kraftlos ließ sie sich in die Kissen sinken. Ihr Kopf
hämmerte vor Schmerzen. Christa
wunderte sich über ihre Wut. Sie sah an die Decke. Tränen liefen ihr
die Wangen hinunter: „Oh, Mutter! Was ist nur los mit mir? Ihr
verdammten Träume! Laßt mich in Ruhe!“ rief sie in die Stille. **** Gerade
als Christa vom Bett hochfuhr und nach Martha rief, spürte die
Angesprochene den rasenden Schmerz in ihrer Brust! Martha Luisa Kolt
lebte am Ende des Runen-Waldes ganz allein in einer einfachen Hütte.
Sie erntete gerade frische Radieschen in ihrem kleinen Garten, als sie
den Stich in ihrem Herzen spürte. Sie saß in der Hocke. Sie ließ die
Radieschen in den Händen auf den Boden fallen und faßte sich mit einem
Aufschrei an die Brust: „Christa! Was....was ist, was hast Du? Oh,
nein....nicht mein Kind, bitte! Ihr Götter! Warum nur? Verdammt!“
fluchte sie heiser. Sie war so geschwächt von dem Schmerz, das sie nach
hinten kippte und auf dem Rücken landete. Ihr liefen die Tränen über
die Wangen. Sie schüttelte stumm den Kopf: „Warum jetzt schon? Mirka
ist noch nicht soweit. Sie weiß nicht, was....“ sprach sie leise, als
sie von einer Stimme erschreckt wurde: „Martha! Was ist passiert?
Alles in Ordnung? Brauchst Du Hilfe?“ Es war Marek, der Postbote. Er
stammt aus Rumänien und flüchtete nach Deutschland, da er die
Grausamkeiten des zur Zeit herrschenden Krieges nicht mehr ertrug. Er
trat zaghaft näher. In seiner linken Hand hatte er einen Brief. Er war
dünn und klein. Seine Kleidung war schlicht. Einfache, graue Hosen und
ein passendes Hemd. Er hatte stechende, braune Augen. Sein leicht
ergrautes, schwarzes Haar war vom Wind zerzaust und hing ihm ins
Gesicht. „Marek...Du hier? Was gibt...es, ich...es geht schon
wieder....hilf mir auf. Bitte.“ stöhnte Martha. Sie begann, am ganzen
Körper zu schwitzen. Und ihre Hände zitterten. Marek lief zu ihr und
stützte sie an den Armen. „Hast Du etwas für mich? Ich habe lange
nichts mehr gelesen.“ Fragte die alte Dame, schon wieder etwas gefaßter.
Marek sah ihr in die Augen: „Geht es Dir auch wirklich wieder besser?
Soll ich nicht nach einem Arzt schicken? Hier ist ein Telegramm aus Lüneburg.
Von Vater Braun.“ Er reichte es ihr. Martha wischte sich über die
Stirn: „Übertreib es nicht! Ich brauche keinen Kurpfuscher! Mir geht
es gut! Danke! Paß auf Dich auf, Marek! Einen schönen Tag!“ sagte
Martha bestimmt und laut. Sie lächelte kurz. Ihre blauen Augen blitzten
ihn an. Sie zupfte an ihren weiß-grauen Haaren, die ihr im Gesicht
hingen. Sie hatte wunderschönes, weiches Haar, das ihr bis auf die Hüfte
fiel. „Wie immer bist Du störrisch wie ein Esel. Wie Du meinst. Aber
denke ja nicht, das jemand für Dich da ist, wenn Du mal wirklich Hilfe
brauchst!“ verabschiedete sich Marek, mit dem Rücken zu ihr. Er schüttelte
den Kopf. Diese eigensinnige Verrückte, dachte er. „Ich bin nicht
verrückt! Merk Dir das!“ Marek schluckte. Das sie Gedanken lesen
konnte, vergaß er immer wieder. Er blieb stehen. Als er zu einer
Entschuldigung ansetzen wollte, war Martha schon im Haus verschwunden:
„Verschwinde endlich, sonst schicke ich Dir eine Schimpfkanone
hinterher!“ Marek drehte sich schleunigst um und rannte zu seiner
Fuhrkutsche. Mit der Schimpfkanone waren Dronen gemeint. Gefährliche
Arbeiterbienen, die Martha persönlich abgerichtet hatte, wenn Gefahr
drohte. Sie hielt sich eine große Bienen-Wabe, weil sie Honig über
alles liebte. Da es nicht ungefährlich war, allein im Wald zu leben,
hatte sie sich allerlei Getier zugelegt, die sie warnen, wenn etwas oder
jemand Fremdes, sie bedroht. Eine
braun-weiß-gescheckte Eule saß auf einem kleinen, abgehackten
Baumstamm in ihrem Haus. Sie schrie kurz auf und trampelte mit ihren
Klauen nervös auf der Stelle. Ein pechschwarzer Rabe hockte auf einer
Tanne in Mareks Nähe. Er flog über ihn hinweg und kreischte drohend.
Marek bekam es mit der Angst zu tun. Sein Gaul wieherte ängstlich. Ohne
hinter sich zu blicken fuhr er los, als wäre der Leibhaftige hinter ihm
her. Martha
setzte sich an ihren hölzernen Tisch, nahm einen großen Schluck ihres
Kräutertees und faltete das Telegramm auseinander. Ihr Herz begann
schneller zu klopfen, als sie die Nachricht las: „
Liebste Martha, bin auf dem Weg nach Hause. Habe viel über Eure
Bestimmung erfahren. Suche Dich und Mirka getrennt auf. Bis bald,
Martin.“ Martha mußte schlucken, als sie diese Zeilen las. Vater
Martin war ein Benidiktiner-Mönch, der auf einem Seminar in Lüneburg
etwas über alte Rituale und Kulte des alten Testaments in Erfahrung
bringen wollte. Auf Marthas Bitte hin. Martin war seit Mirkas Geburt ständiger
Begleiter der Familie Kolt, denn als Christa mit Mirka schwanger war, wußte
ihre Mutter, daß es mit Mirka etwas Besonderes auf sich hatte.
Esmeralda, die alte Eule, gab einen leisen Ton von sich, sie fiepte wie
eine Maus, der man auf den Schwanz getreten hatte: „Ja, mein Mädchen.
Du hast recht. Es ist Zeit. Arme Christa, mein ahnungsloses Kind. Wir müssen
uns auf dem Weg machen.“ Sie ließ den Brief in die Seitentasche ihrer
Hose gleiten und sah aus dem Fenster. Es wurde langsam dunkel. Mirka würde
sich im Wald mit den Kindern treffen. Christa war allein. Soll ich
eingreifen? Fragte die alte Frau sich. Soll Christa die Wahrheit über
mich und Mirka erfahren? Ihr wird es immer schlechter gehen. Die böse
Saat, ging es Martha durch den Kopf, ist gelegt. Mein unseliges Kind.
Was soll ich nur tun? Entschlossen, zu handeln, packte die alte Dame ein
paar Sachen zusammen. Ein großes, dick-gebundenes Buch mit seltsamen
Zeichen. Es war in braunen, zerschlissenem Leder gebunden und die Seiten
waren schon vergilbt. Sie setzte sich einen alten, weiten Strohhut auf,
band ihre Haare zu einem Zopf zusammen und zog sich Sandalen an. .Als nächstes
ging sie in den Stall hinter ihrer Hütte, sattelte „Einar“, einen
edlen, 5jährigen, schwarzen Hannoveraner und machte sich auf dem Weg zu
ihrer Tochter. Es würde ein harter Kampf werden. Das fühlte sie in den
Knochen, wie den Schmerz in ihrer Brust, der sie daran erinnerte, daß
Christa in Gefahr war. Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Sie gab
Einar die Sporen. Ihre Gedanken waren auch bei Mirka. Was würde nur
alles noch mit ihrer Familie geschehen? Sie dachte an Martin.
Hoffentlich hatte er gute Neuigkeiten. **** In
dem Benediktinerkloster „Haus des Friedens“, wie der Erbauer des
Klosters es nannte, ein alter, streng katholischer Abt, der bei einer
Complet einfach zusammengebrochen war. Eine Complet war ein erfundener
Gebetsgesang der Mönche und dauerte eine halbe Stunde. Sie sammelten
sich in der Kapelle und sangen für Gäste. Ihre wunderschönen Stimmen
hallten an den Wänden wieder und man versank dadurch in eine völlig
andere Zeit. Es ist leider seltener geworden, doch wenn sie diese
Auftritte haben, genießen sie die Mönche. Sie sind jeden Alters und
kommen aus den verschiedensten Gründen und Schichten in das Kloster. Das
Kloster war natürlich nur für Männer. Für Besucher oder Angehörige
und Bekannte gab es ein Gästehaus, das nicht weniger anziehend war. Es
war ein sehr altes, aus grauem
Stein erbautes Kloster, hohe mit Buntglas verzierte Fenster und auch
dreieckig zulaufende Türen und Kuppeln, sowie religiöse Relikte, ließen
erkennen, das es ein Ort Gottes war. Im Eingangsbereich zum
Klostereingang war ein wunderschön angelegter Garten, in der Mitte war
ein in Schlangenlinien gewundener Weg. Links und rechts davon zierten
steinerne Heiligenfiguren den Weg, die immer sauber waren und stets
gepflegt wurden von den hiesigen Gärtnern. Steinerne, lebensgroße
Engel, die ihre Hände gen Himmel erhoben hatten und ihre Köpfe schräg
nach oben gewendet waren. Ihre Augen waren meist geschlossen, doch es
gab auch eine Figur, die sie offen hatte. Sie
stand neben einem kleinen Brunnen hinter der Kapelle. Es war ein
Engelskind. Es saß auf einem Stein, war in einem weiten Gewand
anzusehen und hatte keine Flügel, dafür aber einen Reif um den Kopf,
was seine Heiligkeit bezeugen sollte. Seine langen Haare fielen ihm auf
die Schultern. Es war dünn und wirkte unschuldig und rein. Es streckte
seine Hände nach außen so als wolle es den, der vorbeigeht, berühren,
hatte den Mund leicht geöffnet und seine Augen waren groß und ausgeprägt.
Jeder der seinen Weg kreuzte, schien sich von seinen Blicken verfolgt zu
werden. Diese von Menschen geschaffenen Geschöpfe hatten etwas
Beruhigendes, Magisches an sich. Sie waren zwar aus Stein gemeißelt,
wirkten aber so menschlich. Und
eben dieses Engelskind hatte es Vater Martin Braun angetan, seit der
Mirka kannte. Und ihre Bestimmung. Er und Martha haben sich ausgiebig über
das junge Mädchen unterhalten. Meist heimlich, ohne Wissen von Christa
oder Matthias. Martin war vor 2 Wochen auf einem Kongreß in Lüneburg
gewesen, der sich mit Schriften des Alten Testaments beschäftigte und
Mysterien und Mythen aus der „alten Welt“ darlegte. Der 35jährige
Benidiktiner stammte aus einer großen Familie und wollte immer Priester
werden. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und interessierte
sich so sehr für die Schicksale anderer Menschen, das er sein eigenes
Leben in den Hintergrund stellte. Er laß gerade die Bibel, als er 18
wurde, ein Geschenk seiner Mutter und war im Begriff, sie auswendig zu
lernen, als sein Vater in sein Zimmer stürmte und ihm freudig die
Nachricht überbrachte, das er in das Kloster aufgenommen würde. Von da
an widmete Martin sein ganzes Leben dem Herrn. Und er wurde Mönch mit
einer solchen Hingabe, daß er oberste Abt ihn sogar zu seinem persönlichen
Berater ernannt hatte. Was Martin natürlich sehr stolz machte. Doch
seit der Geschichte mit Mirka waren die Verhältnisse gespannt. Was
Martin im Laufe der Jahre über das Mädchen herausfand und den Abt auch
wahrheitsgemäß darüber informierte, ließ diesen zornig werden:
„Martin, Du bist ein Mann Gottes. Es ist rührend, wie Du Dich um die
Kleine kümmerst und was Du gedenkst, zu tun, wenn etwas mit ihr
geschieht, was wir uns nicht erklären können. Doch solltest Du Dich
nicht auch Bedürftigen widmen, die Deinen Zuspruch brauchen und Deinen
Segen? Du kannst Dich doch nicht einzig und allein um dieses Kind kümmern,
deren Schicksal angeblich vorherbestimmt und unabänderlich sein soll?
Wir haben mit dem Satan schon sooft gekämpft und meist haben wir
verloren. Du bist noch nicht erfahren genug und auch nicht dazu berufen,
diese Bürde auf Dich zu nehmen. Dafür haben wir unsere Spezialisten,
mein Sohn. Ich möchte nichts mehr davon hören, Martin. Wenn Du noch
weitere Nachforschungen über die Familie Kolt betreibst, werde ich Dir
den Umgang mit ihnen untersagen.“ Sagte Abt Mertens vor 15 Jahren. Er
war gutmütig und streng mit seinem Schützling und ließ ihn
beobachten. Martin mietete sich ein Haus am Ende der Stadt, wohin er
sich jedesmal zurückzog, um seine Forschungen zu betreiben. Es war
offen für jedermann, Gläubige besuchten ihn und suchten Rat. Es war
oft sehr gut besucht und daher ließen die Informanten des Abts bald von
Martin ab, da sie dachten, er würde mit den Kolts nicht mehr in Kontakt
stehen. Doch
Martha schickte ihm Briefe, indem sie alles aufgezeichnet hatte, was mit
Mirka inzwischen passiert war. Und er informierte sie unter dessen mit
den Schriften, die er über ihre Bestimmung gesammelt hatte. Auf diesem
Kongreß konnte er ohne kontrolliert zu werden, alles an Büchern, alten
Schriften des Testaments und Ausschnitte aus verbotenen Aufzeichnungen,
die nur für die Bischöfe gedacht waren, abschreiben oder auch die
Originale an sich nehmen. Er fand wieder einiges heraus, was von
entschiedener Bedeutung zu sein schien. Er hatte alles, was er über
Mirkas Bestimmung im Laufe der Jahre gesammelt hatte, sorgfältig in
einer alten Kommode verschlossen. Als
er das Telegramm für Martha verschickt hatte, um sie über seine
Ergebnisse zu informieren, ahnte er noch nicht, daß etwas bei den Kolts
passierte, was seinen Plan umwerfen würde. Er stürzte sich danach
sogleich wieder über die alten, verblichenen Schriften, die teils in
Latein, teils in italienisch geschrieben waren und machte sich an die Übersetzung,
als es an der Tür klopfte: „Herein!“ sagte Vater Martin ohne sich
von seiner Arbeit abzuwenden. Die Tür knarrte hörbar laut. Martin ging
zu seinem Gast. Er blieb mitten im Gehen stehen, als er sah, wer ihn da
besuchte. Bruder Darius! Er war der stellvertretende Vertraute seines
Abts und hatte den Auftrag ab und zu nach ihm zu sehen. Natürlich mit
Voranmeldung. Doch diesmal kam er einfach so vorbei! „Vater
Martin! Guten Abend! Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“ fragte
Bruder Darius. Er war etwas fülliger, hatte eine braune Kutte an, die
mit einer schwarzen Kordel zusammengehalten war. Seine Haare waren rötliche,
spärliche Locken und in der Mitte trug er eine Glatze. Er hatte kleine,
braune, neugierige Augen und einen dicken Schmollmund mit einem
Schnauzer darüber. Martin sog die Luft ein. Dieser Darius hatte ihm
gerade noch gefehlt. Er war ein Schwätzer in Martins Augen. Er traute
ihm nicht. Seiner Meinung nach war Darius nicht seiner eigenen Meinung mächtig.
Er handelte nur aufgrund von Befehlen des Abts und das machte seine
Anwesenheit unangenehm. Vater Martin schluckte und hielt ihm zur Begrüßung
die Hände entgegen: „Darius. Ich habe zu tun. Ist es etwas von
Wichtigkeit? Sonst könntet Ihr ein anderes Mal wieder....“ Bruder
Darius lächelte kurz und trat in die Stube: „Es handelt sich um
Wichtiges, Bruder Martin, sonst wäre ich nicht hier. Entschuldigt, daß
ich mich nicht vorher angekündigt habe, doch dazu war die Dringlichkeit
des Falles im Vordergrund. Ich komme von dem ehrwürdigem Abt persönlich.
Er möchte Euch dringend sehen. Er...liegt im Sterben.“ Endete Darius
mit dramatisch gesenkter Stimme und sah betreten zu Boden. Vater Martin
war erschüttert: „Was? Aber...wie....“ begann er und mußte seine
Fassung bewahren. Darius setzte sich einfach an seinen Eßtisch: „Er
hatte in der gestrigen Nacht einen Herzanfall und fiebert seit dem
stark. Er hat Phantasien, er sagt ständig Euren Namen und redet davon,
daß er stirbt, wenn Ihr nicht nach ihm seht. Ich bitte Euch, sofort mit
mir zu kommen, Martin.“ Darius sah Martin ernst an. Er schwitzte. Und
weinte. Vater
Martin setze sich ihm gegenüber: „Nun, wenn er nach mir verlangt,
werde ich seiner Bitte nachkommen.“ Sagte er mit fester Stimme. Martin
erhob sich, zog seine Kutte über, ohne sich noch einmal seiner Arbeit
zuzuwenden und begleitete Bruder Darius hinaus. Zwei Pferde standen
schon bereit. Voller Sorge ritten die zwei Mönche schnellstens in
Richtung Kloster. **** Martha
trieb Einar an, als wäre Ihnen der Leibhaftige selbst auf den Fersen.
Nach knapp 2 Stunden konnte die alte Dame schon das Eingangstor zum Hof
erkennen. Sie hörte Wolle von Weiten bellen. Es klang ängstlich. Einar
stoppte plötzlich und scheute. Er legte die Ohren an und scharrte mit
den Vorderhufen in die Erde. Martha Luisa Kolt spürte, daß Ihr Pferd
ebenso Angst hatte. Etwas stimmte hier tatsächlich nicht. Ihre Ahnungen
bewahrheiteten sich meist leider. Martha beruhigte Einar: „Ist ja gut,
mein Alter, es wird Dir nichts passieren. Ich binde Dich an einen Baum
fest. Ruhig, Einar!“ flüsterte sie dem aufgeregten Hengst zu. Seine
Augen weiteten sich und er stieg hoch. Bevor Martha noch reagieren
konnte, fiel sie nach hinten und direkt auf den Rücken. Unter einem
schwachen Auftstöhnen rollte sie sich auf die Seite. Sie konnte nur
noch sehen, wie Einer davongallopierte.... „So,
er ist....also schon hier.....verdammt, Christa....halte durch,
ich...komme!“ stotterte Martha und kam nur mühsam auf die Beine. Sie
hatte sich den Knöchel verknackst. Sie schnappte sich einen stabilen,
herumliegenden Ast und humpelte entschlossen auf den Kolt-Hof zu...... **** Als
Mirka mit ihren Geschwistern an dem vereinbarten Treffpunkt ankam, war
dort keines der Kinder zu sehen. Auch nicht Malte. Rosalie legte die
Ohren an. Etwas schien sie nervös zu machen. Der Grund dafür war
schnell zu erkennen: Ein großer, schwarzer Flughund hing kopfüber an
dem höchsten Ast im Baumhaus und fraß mit einer Klaue das Obst auf,
was die Kinder sich mühsam zusammengesucht hatten. „Psst, Mirka, hier
sind wir....hier drüben. Wir haben schon versucht, es zu verjagen, es
hat Malte und Jana angegriffen. Andreas wurde das Gesicht zerkratzt,
er....ist sofort nach Hause gelaufen....sei vorsichtig und paß auf
Janus, Tobi und Rabea auf!“ flüsterte Birte, eines der älteren
Kinder ihr von hinten zu. Langsam drehte Mirka sich um. Sie waren alle
in einem Gebüsch zusammengekauert. Mirka sah wieder zu dem Störenfried.
Es schälte mit seinen Hauern die Schale von eine Zitrone, ließ sie auf
den Boden fallen und kaute auf der Schale herum. Es war ungefähr 30 cm
groß, seine Flügel müßten eine doppelt so lange Spannweite messen.
Sein Fell war braun, er hatte einen großen Kopf, lange, schmale Ohren
und schwarze, wachsame Augen. Seine Klauen und die Haken an den Flügeln
waren gefährlich scharf, schon gar nicht daran zu denken, wie die Zähne
aussahen. Normalerweise waren diese Tiere harmlos. Eigentlich
versteckten sie sich vor Menschen und griffen nur an, wenn sie sich
bedroht fühlten. Mirka
sah eine Steinschleuder auf dem Boden vor der Seiltreppe liegen, die zum
Baumhaus hinauf führte. Eine aus weißen Seilen zusammengehaltene, mit
Holzlatten befestigte Treppe waren die Stufen zum Eingang des
Baumhauses. Eine gewaltige, weit gefächerte Krone galt als dichtes
Dach, daß vor dem Regen schützen sollte. Die Blätter gab es in allen
Farben und schimmerten wie golden im Licht der untergehenden Sonne. Der
Flughund fraß unbeirrt an seiner Beute weiter. Mirkas Herz klopfte. Was
war heute nur los? Erst Mutter und jetzt wurden sie von so einem Störenfried
belästigt! Mirka schüttelte stumm den Kopf. Sie strich sich ihre Haare
aus dem Gesicht. Ganz langsam, ohne den Blick von dem Flughund zu
wenden, bückte sie sich. Mit ein paar Schritten war sie bei der Waffe
und hob sie vorsichtig vom Boden auf. Gleichzeitig nahm sie auch einen
faustgroßen, grauen Stein mit sich, der nicht weit von der
Steinschleuder lag. Sie
taumelte leicht, als sie sich erhob. Da sah sie, wie der Flughund von
seiner Tätigkeit abließ. Die Schale fiel aus seinem Maul. Dann
breitete es die Flügel aus und glitt geradezu in Mirkas Richtung. Die
Kinder hielten vor Angst den Atem an. Malte war starr vor Schreck. Er
wollte loslaufen, um Mirka vor dem Angriff zu schützen, sie wegziehen.
Doch er hatte Schmerzen. Seine linke Hand blutete am Gelenk, ein tiefer
Kratzer war senkrecht bis zu seinem Unterarm zu sehen. Notdürftig hatte
er die Wunde mit einem Stück seines Hemdes verbunden. Rosalie
wieherte erschrocken. Mirka versuchte, sich auf den Boden zu werfen und
hielt ihre Arme schützend vor ihr Gesicht. Sie ließ den Stein und die
Schleuder fallen. Als sie statt dessen versuchte, an den Beutel mit dem
Pulver zu kommen, spürte sie den Schmerz an der Schulter, wo ihr Mal
war. Ein scharfer Riß vom
Ärmel ihres Kleides war zu hören, der Flughund stieß einen spitzen,
langen Schrei aus. Und dann war alles vorbei. Er ließ von Mirka ab und
flatterte davon. Die
Starre löste sich aus Malte. Sofort lief er zu Mirka, vergaß seine
Verletzung und kniete sich neben dem Mädchen nieder: „Mirka! Alles in
Ordnung? Bist Du verletzt?“ redete er auf sie ein. In seinen blauen,
klaren Augen glitzerten Tränen. Auch die anderen Kinder kamen zögernd
näher und umringten die beiden. Mirkas Geschwister haben sich die ganze
Zeit über nicht von der Stelle gerührt. Tobi sprang aus dem
Bollerwagen und lief weinend auf seine Schwester zu.
Er umarmte Mirka und erdrückte sie förmlich. Rabea und Janus
blickten unsicher in die Luft, um zu sehen, ob der Flughund tatsächlich
weggeflogen war. Doch außer leisem Vogelgezwitscher war nichts zu hören
oder zu sehen. Dann gingen auch sie zu ihrer Schwester. „Mirka, geht
es Dir gut?“ fragten sie wie aus einem Mund. Die
17jährige fühlte sich wie benommen. Sie fühlte keinen Schmerz, das
Tier hatte sie nicht verletzt. Es hatte nur ihr Mal freigelegt. Und war
dann verschwunden. Was hatte das zu bedeuten? „Es geht mir...gut,
Kinder. Alles in Ordnung, mir fehlt nichts.“ Malte wischte sich
verstohlen die Tränen aus dem Gesicht und half ihr auf: „Bist Du
sicher?“ fragte er besorgt. Mirka spürte, wie sie rot wurde. Er
machte sich Sorgen um sie! Sie lächelte ihn an und nickte. Janus trat
an sie heran: „Dein schönes Kleid! Warum hat es Dich gerade da, wo
Dein Mal ist, angegriffen?“ Mirka hob die Schultern. Sie sah an ihre
Schulter hinunter und faßte den Kleiderfetzen an, der ihren Oberarm zum
Vorschein brachte. Ihre Haut war unversehrt. Der Halbmond, der mit ihr
gewachsen war, sah nicht mehr dunkelbraun aus. Er war fast schwarz! Mirka
erschrak. Ihr Gesichtsausdruck ließ Malte erneut besorgt aussehen:
„Was ist los? Stimmt etwas nicht?“ Mirka hielt ihre Hand über das
Mal: „Schon gut. Es ist nichts. Laßt uns diesen Schreck vergessen und
ins Dorf gehen. Das Fest hat sicher schon angefangen. Ist alles
bereit?“ Sie guckte in die Runde. Die 5 bis 16jährigen Kinder sahen
sie an. Ihre von vorhin noch angsterfüllten, kleinen, blassen Gesichter
waren jetzt wieder voller Farbe. Ihre Augen glänzten. Während sie in
Richtung Dorf schlenderten, berichteten sie Mirka und ihren
Geschwistern, was sie sich für das Fest noch alles ausgedacht hatten.
Mirka, Tobi, Janus und Rabea waren begeistert. Erst gingen sie eine
Weile schweigend, dann begannen sie zu lachen und zu singen. Sie liefen
durch den dunklen Wald. Die ersten Glühwürmchen zündeten ihre Lichter
an. Wirr flogen sie durch die Luft. Das Leuchten funkelte in Gelb und
Blau. Große Libellen surrten durch die Luft. Es
würde ein herrliches Fest werden! Mirka und Malte gingen etwas abseits
hinter den Kindern. Rabea ritt mit Janus auf Rosalie und eines der
anderen Kinder schob Tobi im Bollerwagen mit sich. Malte nahm Mirka bei
der Hand und drückte sie fest: „Du siehst trotzdem sehr hübsch aus,
Mirka Kolt!“ flüsterte er ihr zu und zwinkerte sie an. Mirka drückte
seine Hand ebenso und streichelte sie zärtlich: „Du auch,
Charmeur!“ lachte sie ihn an. Schon hatte sie alles um sich herum
vergessen. Ihre Mutter, das Mal, alles war nur noch wie eine tanzende
Seifenblase, die vor ihr herflog. Doch
kurz bevor sie die einladenden Lichterketten sahen und den herben Duft
von Schweinebraten rochen, hielt Mirka inne. Sie dachte an ihre Mutter
und das sie vor dem Dunkelwerden wieder heimkommen sollten. Wie ging es
Christa nur? Ob sie sich von ihrem Schwächeanfall erholt hatte? Rabea,
Tobi und Janus maulten und wollten nicht mit nach Hause. Kurz
entschlossen nahm Mirka Rosalie, stieg auf ihren Rücken und gab dem
Pferd die Sporen. Ohne, das Malte sie hätte zurückhalten können, sah
er seine Freundin mit wallenden Haaren davon reiten.... **** Mirkas
Großmutter hatte das Tor zum Kolthof aufgestoßen. Sie keuchte. Ihr Rücken
schmerzte noch von dem Sturz ihres Hengstes Einar. Sie hielt sich an den
Holzpfosten des Tores fest und richtete sich vorsichtig auf. Wolle, der
nicht aufgehört hatte, zu bellen, lief ihr entgegen, sprang an ihr hoch
und leckte ihr die Hände: „Na, Du großer Beschützer? Was ist mit
Christa, Junge? Meine Güte, Du zitterst ja! Wolle, wer ist bei Christa,
vor wem hast Du Angst, mein Junge?“ Sie sah ihm kurz in die Augen.
Wolle setze sich vor der alten Dame hin. Sein gesamter Körper war ein
einziges Vibrieren. Er legte den Kopf schief und winselte. So, als
erwartete Martha tatsächlich ein Zeichen des Hundes, fragte sie noch
einmal und stütze sich auf den Stock, der sie hielt: „Ist jemand im
Haus, Junge? Jemand Böses?“ Wolle bellte einmal. „Gut, mein großer
Beschützer. Lauf in die Scheune, hörst Du? Egal, was Du witterst,
bleib in der Scheune. Hast Du verstanden, Junge? Lauf!“ Wolle erhob
sich, wedelte mit dem Schwanz und sah Martha aus großen, dunklen Augen
an. Er sah zum Schlafzimmerfenster, wo Christa lag. Dann sah er Martha
an. Er erhob sich und ging erst zögernd, dann entschlossen zur Scheune.
Sie war nicht abgeschlossen. Mit eingezogenem Schwanz lief er durch den
Türspalt hindurch, ohne es sich anders zu überlegen. Als
Martha den Hund in Sicherheit wußte, sah sie ebenso wie Wolle zum
Schlafzimmerfenster ihrer Tochter. Den Stock hielt sie so fest
umklammert, bis es schmerzte. Fast bedrohlich wirkte das Haus jetzt auf
die alte Dame. Sie richtete sich auf und straffte sich: „Ich bin
gleich bei Dir, mein Kind. Es wird alles gut. Oh, Mirka, bitte beeile
Dich!“ murmelte sie. Sie sah an sich hinunter. Das Hemd an ihrem
rechten Oberarm war plötzlich zerfetzt. Es legte ein Mal frei, es war
hellbraun und sah aus wie ein Halbmond.... **** Mit
klopfendem Herzen und in Falten gelegter Stirn folgte Bruder Martin
seinem Gastgeber Darius durch die weiten, stillen Gänge des alten
Klosters. Links und rechts brannten in unterschiedlichen Größen und
Haltern Kerzen oder Fackeln. Heiligenfiguren, wie die Jungfrau Maria
oder Jesus am Kreuz flogen an ihnen vorbei. Sie hingen in Übergröße
von der weißen Deckenkuppel herab oder waren an den weißen Wänden zu
bestaunen. In Gold oder Holzfarben glänzten sie im Licht des Feuers und
erstrahlten in einem mystischen Glanz. Die
zwei Mönche kamen an ihrem Orden vorbei, der sich gerade auf dem Weg
zur Kapelle begab. Sie neigten die Köpfe zu Boden und grüßten die
beiden nur flüchtig. Schweigend traten sie in eine kleine Räumlichkeit
für Gäste hinein und durchschritten große, breite Holztüren. Sie
gingen eine gewundene, enge Wendeltreppe hinunter und dort waren die Gemächer
des Abtes. Er
besaß eine eigene Bibliothek, die nur seine engsten Vertrauten betreten
durften. Sie enthielt die seltenen Schriften des alten und neuen
Testaments, sowie auch ausländische Bibeln oder Pergamentstücke aus
alten Reliktsammlungen von der ganzen Welt. Sie waren sehr wertvoll und
wurden in einer großen Truhe aufbewahrt. Sie
blieben vor einer schmalen Tür stehen, die spärlich mit einer Öllampe
darüber, erleuchtet wurde. Bruder Darius klopfte leise ein bestimmtes
Zeichen an die Tür. Zweimal schnell hintereinander, zweimal in langen
Abständen. „Tretet ein!“ kam eine schwache, gebrechliche Stimme von
innen. Ein anhaltender Hustenanfall folgte. Mit
einem kurzen Blick nickte Vater Martin Darius zu. Seine Hände begannen
zu schwitzen. Er wurde nervös. Als sie eintraten, beugte sich gerade
ein junger Novize über den kranken Abt. Als er die beiden Mönche
erblickte, verbeugte er sich kurz zu dem Abt, küßte seinen großen,
silbernen Ring, mit einem roten Rubin in der Fassung. Er nickte Darius
zu und verließ das Zimmer. „Martin....bitte, komm zu mir. Darius,
verlaßt uns. Es ist...in Ordnung.“ Darius kniff die Augen zusammen
und wollte zum Reden ansetzen. Doch der kränkliche Abt winkte ihn
hinaus. Darius senkte den Blick und verließ mit schnellen Schritten den
Raum. Martin
beugte sich über den alten Mann. Er war sehr blaß und schwitze. Er
atmete in kurzen Zügen, es glich eher einem Schnaufen. Als er wieder zu
husten begann, hielt Martin ihm ein Taschentuch hin. Es war blutig!
„Ehrwürdiger Abt, was habt Ihr mir zu sagen?“ fragte Martin mit
trauriger Stimme. Er fühlte, daß sein Lehrmeister dem Tode nah war.
„Unter...meinem Kissen....eine Schriftrolle....sie wird Dir....und
Mirka Kolt....helfen. Ich weiß, daß ich nicht immer Deiner Meinung
war, aber...ich hatte einen Traum...und darum....habe ich
mich....entschlossen, Dir zu helfen....es ist nicht viel, aber...Du
wirst es...brauchen.“ endete der Abt. Er ließ sich von Martin stützen
unter die schweren, weichen Kissen aus rotem Samt zu greifen. Er fand
ein altes, zerbrechliches Pergament vor, das mit einer uralten Schrift
und einigen Bildern versehen war. Vor allem fiel Martin sofort ein
Zeichen auf den 3 Seiten auf. An den Seitenenden war neben der Zahl die
Form eine Halbmondes zu erkennen! Das bedeutete, wenn er diese Schriften
übersetzte, fand er wieder etwas über Mirkas Bestimmung heraus. Ihm
klopfte das Herz so hart gegen die Brust, daß er kaum wagte, zu atmen.
Er druckte die kraftlose Hand seines Abts: „Ich weiß nicht, was ich
sagen soll. Danke, Euer Hochwürden. Danke.“ Der Abt sah ihn mit
verschleiertem Blick an. „Und nun geht. Ihr habt nicht mehr
viel...Zeit. Das Böse ist...schon in Rabenhorst...geht!“ Bruder
Martin erhob sich. Als er sah, daß der Abt völlig erschöpft die Hände
neben sich fallen ließ und seine Augen gebrochen waren, bekreuzigte er
sich. Der Abt hatte seinen letzten Atemzug getan. Vater Martin wollte
noch einmal zu ihm gehen, um ihn den Segen zu geben und seine Augen zu
schließen. Doch die letzten Worte des Abts hinderten ihn daran. Das Böse ist in Rabenhorst, hallte die Stimme des alten Mannes in seinem Kopf. Er schloß leise
die Tür hinter sich und wäre beinahe mit Darius zusammengestoßen. In
dessen Blick lag Wut, das er nicht in die Unterredung mit einbezogen
worden war. Als Bruder Martin ihm berichtete, daß der Abt gestorben
sei, verwandelte sich sein Blick in tiefe Bestürzung. Sofort ging
Darius in das Zimmer des Abts. Der
Mönch verbarg die Schriftrollen unter seinem Gewand und eilte aus dem
Kloster, um so schnell wie möglich seine Arbeit aufzunehmen und die
Schriften zu übersetzen. **** Martha
Luisa Kolt spürte die Kälte. Sie fröstelte, ließ sich dadurch nicht
beirren. Ihr Herz schlug schneller. Sie stützte sich an dem Stock und
sah zu Christas Fenster hinauf. Gerade, als sie vor der Haustür stand,
hörte sie von weitem Mirka rufen: „Großmutter! Ich bin da! Was
machst Du hier? Ist was mit Mama?“ Sie stieg ab und band Rosalie am
Zaunpfosten fest. Aufgeregt lief sie zu Martha, die sich nicht eher
umdrehte, als ihre Enkelin bei ihr war: „Gut, das Du da bist, mein
Kind. Wir müssen zu Christa. Gemeinsam schaffen wir es vielleicht und
Du wirst...mein Erbe antreten.“ Sie
sah Mirka ernst an, die sie jedoch verwirrt ansah: „Erbe? Was schaffen
wir? Ich versteh kein Wort, Oma!“ Martha stieß den Stock von sich und
hakte sich bei Mirka unter. Sie bemerkte ihren zerrissenen Ärmel:
„Siehst Du? Als Dir das passierte, bekam ich dasselbe zu spüren! Ich
erkläre Dir alles später. Laß uns jetzt zu Christa gehen. Komm, mein
Kind! Jede Minute ist kostbar!“ nickte sie Mirka zu und deutete auf
ihren zerrissenen Ärmel. Voller Staunen sah Mirka, daß auch ihre Großmutter
dasselbe Mal trug, wie sie selbst! Was hatte das nur zu bedeuten? Waren
sie etwas besonderes? Sie stießen die Haustür auf. Eisiger Wind
durchfuhr sie. „Warum ist es auf einmal so kalt hier? Und wo ist
Wolle, Oma?“ Marhta faßte Mirka an die Hand: „Stell nicht so viele
Fragen, Liebes. Wolle ist in der Scheune, dort ist er sicher.“ Mirka
blieb stehen: „Sicher? Wovor? Was zum Teufel ist hier eigentlich los,
Großmutter?“ Martha zog sie dicht zu sich: „Genau das, meine
Kleine: Der Teufel. Du verstehst schon langsam, was Dir bevorsteht.
Vertrau mir, bitte, Liebes. Ich liebe Dich und ich brauche Deine Hilfe.
Wenn wir Christa sehen, wirst Du verstehen. Es bleibt keine Zeit mehr!
Komm jetzt!“ Mirka
erschrak über die seltsamen Worte ihrer Großmutter. Doch sie muß ja
wissen, was los ist, dachte sie sich. Vielleicht hat sie die bösen Träume
von Christa gespürt, dachte Mirka. Sie schluckte: „Na schön. Christa
hatte Alpträume, aber sie wollte nicht darüber sprechen. Als ich sie
fragte, ob ich Dich holen sollte, winkte sie ab.“ Martha nickte nur. Sie
legte warnend den Finger an den Mund, als sie vor Christas Schlafzimmer
standen: „Egal, was Christa tut oder sagt. Es ist nicht ihre Schuld,
Mirka. Sie ist....nicht sie selbst. Und wir...wir beide haben die
Aufgabe, das, was von ihr Besitz ergriffen hat, von ihr zu nehmen. Du
hast das Mal seit Deiner Geburt. Genau wie ich, mein Kind. Doch ich
wollte nicht, daß Christa davon erfährt, weil sie auch meine
Bestimmung nicht kennt. Wenn...ich noch dazu imstande bin, werde ich Dir
alles sagen. Vater Martin weiß...auch Bescheid, er....versucht, Genaues
darüber herauszufinden.“ Bevor Mirka den Mund für Fragen öffnen
konnte hörten sie einen dumpfen Knall von innen. Christa fluchte unschöne
Beschimpfungen und schrie nach ihrer Familie. Mirka erschrak. In der
Stimme ihrer Mutter lag der pure Haß. Martha drückte Mirkas Hand und
sah sie mit verweinten Augen an: „Bist Du bereit?“ Mirka atmete tief
aus. Langsam nickte sie. Vorsichtig drückte Martha die Türklinke
herunter.... **** Die
Tür öffnete sich knarrend. Die Kälte kam den beiden Frauen in einem
Luftzug entgegen geschossen. Martha wagte sich ein Schritt vor. Als
Mirka völlig verwirrt auf der Türschwelle stehenblieb, griff ihre Großmutter
nach hinten und faßte sie am Arm: „Du darfst keine Angst haben, mein
Kind. Sie ist immer noch Deine Mutter. Das vergiß nicht!“ Flüsterte
die alte Frau. Sie drückte Mirkas Hand so fest, daß sie endlich in den
Raum hineintrat. Christa
lag neben ihrem Bett auf dem Rücken. Ihre Haare klebten ihr im Gesicht.
Schweißgeruch strömte den beiden Frauen entgegen. Sie hatte alle Viere
von sich gestreckt. Mirka bekam es mit der Angst zu tun. Doch sie
schluckte diese tapfer hinunter. Sie sah ihre Großmutter an, die jedoch
nicht darauf achtete, sondern starr auf ihre Tochter sah: „Christa! Hörst
Du mich? Oder wer immer Du bist?“ fragte sie mit energischer Stimme.
Christa hob den Kopf und sah Martha an. Mirkas
Augen weiteten sich, als sie in das Gesicht ihrer Mutter blickte. Ihre
Augen waren gerötet und zu Schlitzen verengt. Ihr Mund hatte jegliche
Farbe verloren, er war aufgeplatzt und sie blutete aus den Mundwinkeln.
Ihre Hautfarbe wich dem braungebrannten Teint und fiel ins schale Grau
ab. „Was....willst Du....nervende, alte Vettel denn? Du hast hier
nichts verloren! Verschwinde!“ Christas Stimme war Mirka völlig fremd
geworden. Sie war heiser und viel tiefer. Das war nicht ihre Mutter,
die da lag! Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Martha hielt
Mirka immer noch an der Hand. Mit dem Daumen streichelte sie beruhigend
die Innenfläche der Hand ihrer Enkelin. Sie
will mich beruhigen, dachte Mirka.
Als
wäre Mirka hypnotisiert, konnte sie den Blick nicht von Christa
abwenden. Sie kämpfte damit, ihre Tränen zurückzuhalten. Martha Luisa
Kolt trat wieder ein Schritt vor: „Wie redest Du mit mir? Ich bin
immer noch Deine Mutter! Laß mich Dir helfen! Du bist nicht Du
selbst!“ Christa schloß plötzlich die Augen. Und
mit einem Mal hörte Mirka ihre Stimme, die mütterliche Stimme in ihrem
Kopf! „Ich bin krank, Mirka! Er hält mich fest! Ich habe Angst! Hilf
mir, bitte! Nur Du kannst es! Nicht sie....Martha ist...Gift für
mich...bitte, sag ihr, sie soll...weggehen....er bringt....mich sonst
um!“ Mirka taumelte rückwärts, aber Martha hielt sie eisern fest.
Nun konnte sie plötzlich auch die Stimme von ihrer Großmutter in ihrem
Kopf hören: „Hör nicht hin, Kind. Er will Dich verwirren. Sie ist
besessen, Mirka, ein Dämon hat ihren Körper in Besitz! Sie spricht so
zu Dir und will Dich vor meiner...unserer Macht warnen. Tu was ich sage,
Mirka. Sprich mir jetzt genau das nach, was ich nun sagen werde und
vielleicht ist er dann zu vertreiben. Drücke meine Hand, wenn Du bereit
bist!“ Mirkas
Augen waren mittlerweile verschleiert, da ihre Tränen sie daran
hinderten, ihre Mutter anzusehen. Sie konzentrierte sich und dachte ganz
fest an ihre Mutter. „Ja, ich...tue es. Ich habe...keine Angst.“
Martha sah Mirka an. Sie hatte in Gedanken zu ihrer Großmutter
gesprochen. Martha lächelte Mirka an. Es begann...die Prophezeiung erfüllte
sich also. Martha fühlte den festen Händedruck Mirkas. Beide sahen sie
auf das „Ding“, was in Christas Körper steckte und Martha begann zu
sprechen, in einem alten, heidnischen Dialekt, den weiße Hexen für
Bannsprüche benutzten: „Dunkle Seele, dunkler Gott, weiche von diesem
heiligen Ort, unsere Liebe, unsere Macht, ist zum Schutz der Reinen
gedacht! Geh fort von diesem Menschenkind, weil wir Seelenjäger
sind!“ Sie
hielten ihre verbundenen Hände über Christas Kopf. Diese schrie sie
an, bespuckte sie und versuchte, ihre Hände voneinander zu lösen. Sie
kroch auf ihre Tochter zu und biß in ihr Handgelenk, spie das Blut aus
und taumelte zurück. Sie schüttelte den Kopf, zog an ihren Haaren und
redete wie ein Wasserfall in einer Sprache, die Mirka nicht verstand. Sie
wiederholten solange diesen Satz, bis Christa oder wer immer das auch
war, völlig erschöpft auf ihr Bett krabbelte und wie leblos
liegenblieb. Ihr Atem ging schnell und es klang so, als war da noch ein
fremdes, rasselndes Geräusch, das mit ihr im Takt atmete. Der „Dämon“
war noch da, doch jetzt nicht mehr aktiv. Martha
ließ Mirkas Hand los und atmete erschöpft aus. Sie ging in die Knie.
Auch sie war völlig erschöpft. „Großmutter, alles in Ordnung?“
fragte Mirka besorgt. Martha legte warnend den Finger an den Mund:
„Sei leise, Mirka. Der Dämon ist noch da, aber er ist jetzt
ruhiggestellt. Wir haben ihn gebannt. Das hast Du sehr gut gemacht,
meine Liebe. Für den Anfang.“ Sie erhob sich, um Mirka fest an sich
zu drücken. „Wie hast Du uns genannt? Wir sind Seelenjäger? Was ist
das?“ Martha
nahm ihre Hände in die ihren: „Das Ding hat Dich gebissen. Siehst
Du?“ Mirka sah die Bißabdrücke schwach am Handgelenk, eine kleine
Wunde verlief in einer Art Halbkreis an der Innenseite ihres Unterarmes.
Doch das Blut, was austrat, ging wieder zurück! Die Wunde schloß sich,
wenn auch langsam, wie von selbst! Mirka staunte mit offenem Mund: „Wie...ist
das möglich?“ Martha
nickte ihr aufmunternd zu. Sie zeigte auf das Mal an ihrer Schulter und
deutete auf das von Mirka. „Das macht es möglich, meine Kleine. Der
Ruf wird Dir bald Geleit geben in eine andere Welt. Du wirst von höheren
Mächten gerufen, so war es auch bei mir. Sie werden Dich zu einer
Seelenjägerin machen, zu der Du bestimmt bist, Mirka. Meine Zeit ist
gekommen, mein Erbe weiterzugeben. An Dich. Du hattest bei Deiner Geburt
die Male Christi, die Stigmata. Du hast am Kopf und an den Händen
geblutet und das Mal hat sich gebildet. So war es auch bei mir. Die
andere Seite hat sich meinen Mann....Deinen Großvater geholt, Gott sei
seiner Seele gnädig. Das war meine harte Prüfung, so wie Christa Deine
ist. Doch ich...habe ihn nicht...retten können und mußte...ihn
vernichten. Ich habe den Menschen, den ich über alle Maßen geliebt
habe, töten müssen. Ich war noch so jung und habe keine Kontrolle über
meine Kräfte gehabt. Sie wurden ihm...schließlich zum....Verhängnis.“ Martha
setzte sich auf den Holzschemel an dem Tisch, der etwas weiter vom Bett
weg stand. Sie ließ „Christa“ nicht aus den Augen, schwieg aber
betroffen. Eine Träne lief ihr die linke Wange hinunter. Christas Körper
rührte sich nicht für diesen Moment. Sie schien zu schlafen. „Warum
erfahre ich das erst jetzt? Warum hast Du mir nie etwas gesagt? Ich
hatte sogar einen Großvater! Und Du meinst, diese hohe Macht hat Mutter
verflucht, damit ich sie erlöse? Ich bin doch keine Seelenjägerin!
Dieses Mal ist der Beweis? Ist das alles? Wie...soll ich Mutter von
diesem...diesem Dämon befreien? Wer ist er?“
Martha
winkte Mirka zu sich. Sie setzte sich und strich sich ihre Strähnen aus
dem Gesicht. Auf einmal spürte auch Mirka, wie sie diese Prozedur
mitgenommen hatte. „Ein Schattendämon. Sie wollen die Seelen der
Menschen für sich. Um sie zu sich zu holen, damit sie ihnen dienen. Sie
sind Täuscher, Verführer, Lügner. Sie machen Dich glauben, was Du
sehen willst und erfüllen Dir alles, was Du Dir wünschst. Sie sind
sehr gefährlich. Ich kenne diese Sorte zur Genüge. Ich weiß, es ist
ein bißchen viel aufeinmal für Dich, zu begreifen, wozu Du fähig
bist. Mir ging es damals genauso. Ich wollte kein Soulhunter sein, so
ist die vornehme Bezeichnung aus dem fernen, weiten London. Uns gibt es
auf der ganzen Welt. Nur mit einem Nachteil. Kein Soulhunter weiß von
dem anderen. Jeder kämpft für sich allein gegen das Böse. Darum ist
es auch so schwierig, jemandem sein Schicksal zu offenbaren, der es
eigentlich noch nicht wissen sollte. Erst mit Deiner Volljährigkeit hättest
Du dem Ruf folgen sollen. Doch nun ist alles anders. Ja, es ist eine Prüfung,
mein armes Mädchen. Die Stimme, die Christa in Deinem Kopf war, hatte
recht. Nur Du allein bist in der Lage, meine Tochter von dieser Bestie
zu befreien. Meine Macht ist zwar groß, doch Du bist stärker, auch
wenn Du das jetzt noch nicht weißt, meine süße, kleine Mirka. Wenn es
soweit ist, wirst Du wissen, was zu tun ist. Und Du darfst Dich nicht
blenden lassen, das ist das Wichtigste. Er wird sich in andere Personen
verwandeln. Menschen, die Du gern hast. Du darfst ihm auf keinem Fall
glauben, egal, was er sagt! Es sind Lügen! Hör auf Dein Herz, Kind.
Ich weiß, wie sehr Du Christa liebst und sie liebt Dich. Sie würde
sogar für Dich sterben. Wenn es der Wille Gottes ist, opfert sie ihren
Körper der Hohen Macht. Doch ihre Seele nimmst Du mit Dir. Du wirst
verstehen, wenn es soweit ist. Die Seele eines geliebten Menschen ist
das Wichtigste, was unsere Existenz bestätigt. Sie behält die Liebe,
die Erinnerung an das Leben des Menschen, für sich. Und das versuchen
wir, zu bewahren, mein Kind.“ Mirka
war nun noch verwirrter als vorher. Doch sie begriff allmählich, wie
ernst es ihrer Großmutter war. Und als sie ihr Mal ansah und über das
eigene strich, wurde ihr bewußt, daß Martha Recht hatte. „Ich habe
Durst. Ich hole uns etwas aus der Küche, ja? Wir können in Ruhe reden.
Oder? Was ist mit Mutter? Wann wird sie oder es erwachen und...was muß
ich nur tun? Ich...habe Angst um sie, Oma!“ Martha
sah aus dem Fenster. Es war dunkel. Der volle Mond leuchtete in das
Fenster und ließ den Körper ihrer Tochter auf dem Bett in einem weißen,
grellen Licht erscheinen. So als würde sie von einer unsichtbaren
Barriere umhüllt. „Es sind schon einige Stunden vergangen. Das
Herbstfest! Deine Freunde warten auf Dich! Malte macht sich bestimmt
schon Sorgen?“ grinste die alte Dame ihre Enkelin an. Mirka
verschränkte die Arme ineinander. Und lächelte sie ebenfalls an, trotz
des Ernstes der Lage: „Großmutter! Wir kämpfen um das Leben von Mama
und Du machst Dir Sorgen, was Malte denkt! Janus, Rabea und Tobi sind
bei ihm und er weiß, wo ich bin. Er wartet auf mich. Und Du meinst, ich
kann so einfach feiern, während meine arme Mutter hier liegt und von
einem....Schattendämon besessen ist?“ Martha
nickte: „Christa schläft und der Dämon somit auch. Er ist im Moment
gebannt. Es kann nichts geschehen. Wir haben ihn mit unserem Spruch gelähmt.
Erst bei Tagesanbruch vergeht die Macht. Du mußt Dich auch erholen, Kräfte
sammeln. Geh, Mirka! Vater Martin wird auch da sein. Er wird Dir
weiterhelfen. Er weiß mehr über unsere Bestimmung als wir beide
zusammen. Er kennt mich auch seit Deine Mutter damals mit Dir schwanger
war. Er hat Dich getauft, das weißt Du doch? Ich bleibe noch ein
Weilchen bei Christa. Sei unbesorgt. Und Wolle ist auch noch da. Was
kann schon passieren? Vertrau mir! Du hast jetzt Macht in Dir, meine
Kleine. Sie ist im Begriff, geweckt zu werden. Nur Du kannst sie
kontrollieren und spüren, wann Du sie nutzen mußt. Vertraue Dich
keinem außer Vater Martin und mir an. Auch Malte und den anderen nicht.
Nicht einmal Deine Geschwister dürfen wissen, wer Du wirklich bist. Das
hat alles seine Gründe, Mirka. Es tut mir leid, doch so sind die
Gesetze nun einmal. Und nun laß uns nicht lange reden. Bring mir ein
frisches Glas Wasser und zieh Dich um. Rosalie sind sicher schon die
Hufe in den Boden gewachsen. Die Luft ist klar und der Mond scheint
herrlich! Ich komme nach, versprochen!“ Mirka
nickte ihrer Großmutter stumm zu. Sie lief nach unten in die Küche und
holte ein Glas, um es mit frischem, kalten Brunnenwasser zu füllen, das
in einem einfachen Holzeimer neben dem Herd stand. Sie mußten es immer
wieder neu auffüllen, denn es gab nichts Erfrischenderes, als ein guter
Schluck Wasser. Mit
einem letzten Blick auf ihre „Mutter“, die sich immer wieder stöhnend
herumwälzte, rannte sie in ihr Zimmer, zog nun ein blaues Kleid an, kämmte
sich kurz ihre Haare, die sie jetzt offen ließ, atmete tief ein und
aus. Dann lief sie, wenn auch erst zögerlich, in den Hof, wo ihr Wolle
aus der Scheune entgegen gerannt kam. Sie strich ihm über den Kopf:
„Geh zu Großmutter. Paß auf sie und...Mutter auf. Ich bin bald zurück!“ Wolle
bellte anhaltend, knurrte und legte die Ohren an, als Mirka Rosalie
losband. Sie hörte ihre Oma von innen den Hund ins Haus hinein rufen.
Das Tier drehte sich um und ging, allerdings mit eingeklemmten Schwanz,
ins Haus. Als
Mirka aufsaß, spürte sie auch, wie unruhig Rosalie war. Auch sie legte
die Ohren an, schnaufte dabei unruhig. „Ich weiß auch, das hier was
nicht stimmt, Rosa. Komm, laß uns verschwinden!“ sagte sie ihrer
Stute entschlossen und trieb sie an.
So ritt Mirka Kolt im Galopp mit dem Mond um die Wette.... **** Martha
stand am Fenster und sah Mirka besorgt nach. Sie fühlte sich erschöpft.
Ihre Kraft war beinahe verbraucht, soviel Energie kostete sie ihre
Macht. Und das viele Reden. Sie hatte sich gewünscht, in Ruhe mit Vater
Martin und ihr über diese ganzen Umstände zu sprechen, doch das
Schicksal lies dies nicht zu. Ein Stöhnen hinter ihr, ließ die alte
Seelenjägerin aufhorchen. Sie schloß die Augen und atmete tief aus.
„Kreide. Ich brauche Kreide.“ sagte sie zu sich. Mit einem hastigen
Blick auf ihre besessene Tochter, die sich im mittlerweile völlig zerwühlten
Bett hin und her wälzte, ging sie hinunter in das Zimmer von Janus und
Rabea. Sie durchwühlte alle Schubladen und Schränke, bis sie fand, was
sie brauchte. Sie hielt die schmalen, weißen und bunten Stäbchen in
die Höhe und murmelte einen Vers aus einem ihrer Schattenbücher. Ihre
Hände leuchteten kurz in einem hellen Licht auf, das auch sofort wieder
verschwand. Auch
dieser Akt schwächte Martha. „Ich muß durchhalten....bis....Mirka
soweit ist....“ sprach sie sich Mut zu. Ihre Hände umklammerten
zitternd die Kreide. Langsam, mit Tränen in den Augen, ging sie zu
Christa, die immer noch zu schlafen schien.... **** Bunte,
warme Lichter in allen Farben, Formen und Größen empfingen Mirka, so
wie ihre Freunde und Geschwister. Sie war völlig außer Atem und hatte
sich bemüht, ihre Sorgen um Christa und Großmutter in andere Ecken
ihres Kopfes zu verstreuen. „Da bist Du ja endlich. Wir haben schon
auf Dich gewartet. Ohne Dich wollten wir nicht anfangen. Wo ist Deine
Mutter?“ redete Malte auf sie ein und half ihr, von Rosalie
abzusteigen. Rosalie schnaufte noch deutlich von dem anstrengendem Ritt
und wurde von einem Bekannten der Familie zur Brunnentränke gebracht,
an der sie ihren Durst stillen konnte. Mirka umarmte Malte kurz, mit
roten Wangen und klopfendem Herzen flüsterte sie ihm ins Ohr: „Sie fühlt
sich nicht so gut. Ich habe Oma geholt. Sie ist bei ihr und kommt bald
nach. Mach Dir keine Sorgen. Ich weiß, wie ich Mama helfen kann. Ich muß
mit Vater Martin reden, wenn ich ihn treffe. Und zwar allein. Bitte hab
Verständnis, ja?“ Malte sah sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen
an: „Was hat Christa? Und warum diese Heimlichtuerei? Vertraust Du mir
nicht?“ Mirka gab Malte einen Kuß auf die Wange. „Doch, doch. Stell
keine Fragen und vertrau mir einfach, Malte. In Ordnung? Und jetzt laß uns feiern, komm.
Christa ist zäh, sie wird schon wieder.“ Bei dem letzten Satz mußte
Mirka allerdings einen Kloß im Hals hinunter schlucken. Malte
rieb sich die Wange, wo sie ihn geküßt hatte: „Jetzt heißt es nur
noch Katzenwäsche machen, hm...“ lachte er sie an und lief mit ihr
Hand in Hand zu dem großen, langen Holztisch an dem alle Dorfbewohner
saßen, aßen und tranken. Jeder war fröhlich und keiner ahnte etwas
von dem Grauen, was sich langsam über Rabenhorst breitmachte... **** Nachdem
Martha mit der verzauberten Kreide einen Schutzkreis um Christas Bett
gezogen hatte, schnitt sie sich mit einem langen Daumennagel in den
linken Zeigefinger und ließ ein paar Tropfen ihres Blutes auf die
Kreide fallen. Ihr Blut begann sich, wie im Gänsemarsch auf der Kreide
in kleinen Rinnsalen zu verteilen. Marthas Herz klopfte wie verrückt,
feine Schweißperlen liefen ihr an den Schläfen hinunter. Sie
umwickelte ihren Finger mit einem Stück ihres Kleides. Dann sah sie auf
die Uhr: halb eins! Mit einem Seufzer rappelte sie sich hoch, um sich
gleich wieder hinzusetzen. „Die Kinder....ich muß ein paar Sachen
holen...hier können sie nicht bleiben. Am besten sie schlafen bei Vater
Martin, bis....“ murmelte sie, mit einem letzten Blick auf ihre
besessene Tochter. Sie konnte mit Schrecken beobachten, wie Christas
Haare immer mehr verklebten und das Schlimmste war: Sie wurden grau.
Christas gebräunte Haut verlor jegliche Farbe, sie wurde kalkweiß und
bekam Falten. Sie alterte langsam. Dieser Schattendämon war einer von
der Sorte, die den Menschen auch noch ihre Lebenskraft nahmen. Nichts
wie raus hier! Ging es Martha durch den Kopf. Sie konnte diesem
Anblick nicht länger ertragen. Sie huschte in die Zimmer von Rabea,
Tobi und Janus, packte Schlafzeug und neue Kleider für die nächsten
Tage unter ihre Arme und verließ das Haus. Im
Hof blieb sie stehen und pfiff einmal durch die Zähne. Wolle kam
diesmal schwanzwedelnd angelaufen und sprang an ihr hoch. Er winselte.
„Alles wird gut, Wolle. Keine Angst. Im Moment sind wir sicher.
Komm!“ Mit schnellen Schritten ging sie in die Dunkelheit, den Hund
treu an ihrer Seite wissend. Große und kleine Glühwürmchen flogen vor
ihnen her, als wollten sie ihnen den Weg weisen. Plötzlich schwebte
eine helle, faust- große, bläulich schimmernde Kugel vor Martha her.
Direkt vor ihrem Gesicht. Martha wies den Hund an, stehen zu bleiben.
Wolle setzte sich auf den Hintern und beobachtete die Kugel mit großen
Augen. „Was
willst Du, Elfe? Ich habe keine Zeit!“ nannte Martha diese Kugel. Sie
wußte, daß die Elfe ihr etwas mitteilen wollte. Die blaue Kugel wurde
auf einmal in die Länge gezogen und platzte wie eine Seifenblase
auseinander. Ein wunderschönes, kleines Wesen mit durchsichtigen Flügeln
und spitzen Ohren und einem Krönchen auf ihren langen, goldenen Locken
flog dicht vor ihrer Nase. Sie trug ein weißes, langes Gewand. Ihr
kleinen Ärmchen fuchtelten vor Marthas Augen hektisch hin und her. Ihr
feines Gesicht mit den hellen, grünen Augen blitzte ihr frech entgegen:
„Wie redest Du mit der Königin, alte Frau?“ Martha rieb sich die
Augen. Die Elfenkönigin! Sie war ihr zuvor noch nie begegnet, immer nur
Elfen ihres Volkes. Dann muß es ja etwas Wichtiges sein, wenn es die Königin persönlich
ist, ging es Martha durch den Kopf: „Verzeiht mir, Hoheit, ich
habe Sorgen. Ich muß zu meiner Enkelin. Wenn Ihr mir etwas mitteilen
wollt, dann....“ Die Elfenkönigin flog auf Marthas Schulter und ließ
den Kopf hängen: „Mein Volk spürt große Unruhe in unserem Wald.
Friedliche Tiere werden auf einmal wild und böse. Ein harmloser
Flughund hat Mirka angegriffen. Als er ihr Mal freilegte, war einer
unserer Späher in der Nähe. Er sah, wie die Augen des Flughundes rot
aufblitzen. Es geschieht etwas, Martha. Mit uns allen. Wir sind in
Gefahr. Wir wollen Dir helfen. Du bist eine Seelenjägerin und willst,
daß Mirka Dein Erbe fortführt. In ihr wächst große Macht. Doch sie
hat Angst. Sie weiß noch nicht, wie sie mit ihren Kräften umgehen
soll. Die Hohen Herren haben uns ein Zeichen gegeben. Sie werden Mirka
bald rufen.“ Martha ließ ebenso den Kopf hängen: „Ich weiß,
Hoheit. Darum ist es jetzt wichtig, wachsam zu sein.“ Die Elfenkönigin
bemerkte den Riß an ihrem Ärmel, wo ihr Mal sich abzeichnete. „Genau
dieselbe Stelle war bei Mirka auch abgerissen, so daß ihr Mal freilag.
Ich werde es flicken.“ Bevor Martha etwas erwidern konnte, spürte sie
ein Kitzeln an ihrer Schulter. Die Elfenkönigin blies etwas auf den Riß.
Silberner, feinkörniger Staub setzte sich an dem Riß fest. Wie ein Reißverschluß
fand der getrennte Stoff wieder zusammen. Der Riß schloß sich langsam
von oben nach unten. Als der Riß sich geschlossen hatte, sah man keine
Spur mehr, weder von dem Mal, noch, daß dort ein Riß gewesen war. Der
Silberstaub rieselte von ihrem Ärmel und flog wieder in den offenen
Mund der Elfenkönigin zurück. „Haben die Hohen Geister noch etwas
gesagt?“ Die Elfenkönigin schüttelte ihre Locken. „Wenn es soweit
ist, sind wir bereit. Wir beten für Euch und helfen Euch, wenn die Zeit
nahe ist. Seid vorsichtig. Spart Eure Kräfte.“ Martha brannten noch
einige Fragen auf der Zunge, doch da verwandelte sich die Elfenkönigin
auch schon wieder in eine blaue Kugel und flog davon. Wolle war die
ganze Zeit auf seinem Fleck sitzen geblieben. Nun löste er sich aus der
Starre und bellte leise. Der
alten Dame stiegen unwiderstehliche Gerüche in die Nase. Schweinebraten, Rehkeulen, hm. Bei den Gedanken an die Leckereien
knurrte ihr Magen. Sie sah auf: „Wir sind da, Wolle! Such Mirka, mein
Junge!“ Der Hund lief auf die Lichter zu und verschwand im Getümmel
der Dorfbewohner. Geblendet
von den Lichterketten und Fackeln, hielt sich Martha die Hand vor Augen.
Erst jetzt bemerkte sie, wie erschöpft sie wirklich war. Sie fiel auf
die Knie und begann zu husten. Im nächsten Augenblick packten sie zwei
starke Arme und trugen sie mit sich. „Martin. Gut, das Du da bist!
Hast Du schon mit Mirka....“ begann Martha leise. Vater Martin schüttelte
den Kopf. „Ich hatte bisher noch keine Zeit. Ich habe die Schriften übersetzt,
die ich vom Bischof erhielt und wir sind am Ziel, Martha. Mein Lehrer
und Mentor ist gestorben. Er gab mir wichtige Hinweise über Euch. Es
wird alles gut. Ich werde nachher mit ihr sprechen. Sie ist so glücklich
mit Malte. Sie hat für einige Stunden alles vergessen. Ruh Dich aus.
Ich hole Dir etwas Wein.“ Martha
wurde von Martin und einem der Dorfältesten zu einer Bank geführt. Sie
wollte keinen Wein, doch sie widersprach nicht. Sie spürte jeden
Knochen, jeden Muskel. Ihr Herz schlug unregelmäßig. Sie holte tief
Luft. Ihre Hände zitterten leicht. Sie schwitzte. Dann sah sie auf den
Festplatz und ihre Enkelin mit Malte. Sie tanzten zur fröhlicher
Geigenmusik. Tobi, Janus und Rabea erblickten ihre Großmutter und
liefen auf sie zu. Tobi setzte sich auf Marthas Schoß: „Wo warst Du
denn solange, Omi? Wo ist Mama? Sie wollte auch kommen!“ Martha mußte
hart schlucken: „Mama schläft. Ich habe ihr Medizin gegeben. Sie ist
sehr krank, kleiner Tobi. Deswegen werdet ihr alle die nächsten Tage in
Vater Martins Gasthaus schlafen. Mirka macht Mama wieder gesund, das
verspreche ich. Ich helfe ihr dabei.“ Tobis Augen weiteten sich.
„Aber....was ist mit Mama? Wird sie...wird sie....sie wird doch
nicht...“ Tobis Augen füllten sich mit Tränen. Martha drückte den
kleinen Jungen an sich. Rabea und Janus waren ganz still geworden. Rabea
setzte sich neben ihre Großmutter und streichelte Tobi durchs Haar:
„Wieso können nur Mirka und Du Mama wieder gesund machen? Ich möchte
in meinem eigenen Bett schlafen! Oma, bitte! Wir sind eine Familie. Wir
können Mama doch nicht alleine lassen!“ Auch in Rabeas Augen
sammelten sich Tränen. Janus kniff die Augen zusammen: „Was ist los,
Oma? Kannst Du es uns nicht sagen? Was ist mit Mutter los? Sie...hat
doch nichts Ernstes? Wird sie wieder gesund? Warum bringen wir sie nicht
zu Doktor Gamt? Oder rufen einen Zauberer oder eine weiße Hexe....oh...ich...es
tut mir leid, Granny!“ Janus ging rückwärts von Martha weg und lief
in die Menschenmenge. Er wußte ja, daß seine Oma eine Art „weiße
Hexe“ war. Doch der Gedanke, daß seiner Mutter etwas zustoßen könne
und er sie nicht beschützen durfte, ertrug er nicht. Janus zeigte
selten seine Wut, doch diesmal spürte Martha sie deutlich. Und sie
konnte es ihm nicht verübeln. Die
Kinder hatten so viele Fragen, die natürlich auch berechtigt waren.
Doch Martha konnte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie würden es nicht
begreifen. Sie konnten nicht wissen, was mit ihr und Mirka geschah. Und
sie durften es auch nicht. Zu ihrer eigenen Sicherheit. „Tobi, Rabea,
macht Euch keine Sorgen. Vertraut mir einfach. Alles wird wieder gut.
Ich kann Euch nur raten, bei Vater Martin zu bleiben. Dort seid
ihr...besser aufgehoben, bitte tut was ich Euch sage. Ihr könnt Eurer
Mutter nicht helfen. Aber Mirka und ich können es. Glaubt mir! Und
jetzt geht und vertreibt Eure traurigen Gedanken. Es wird alles wieder
gut!“ Die beiden Kinder wischten sich ihre Tränen fort. Rabea nahm
Tobi an die Hand und lief mit ihm zu den Gauklern, die sich um einer der
zahlreichen Lagerfeuer tummelten. Vater
Martin kam mit einem Krug Wein und Bechern zurück: „Trink, Martha. Du
wirst es brauchen.“ Er schenkte sich und Martha ein: „Auf Mirka!“
sagte der Pater feierlich. Sie stießen an. Obwohl der Wein Marthas
Verstand ein wenig beflügelte, hatte sie nichts gegen eine Ablenkung.
Die Lage war ernst. Doch sie mußte ihre letzten Kräfte mobilisieren.
Als alle im Takt der Musik klatschten und die Menge eine Polka tanzte,
stand auch Martha auf und reihte sich mit ein. Aus den Augenwinkeln
beobachtete sie, wir Malte mit Mirka ausgelassen tanzte. Sie schien
wirklich alles um sich herum vergessen zu haben....und das war für ein
paar Stunden auch gut so. Der
volle Mond erhellte den Dorfplatz. In den Bäumen raschelte es
geheimnisvoll. Dunkle, sich aneinanderreihende, lange Schatten bewegten
sich hektisch in den Baumwipfeln. Rote, kleine Punkte blitzten kurz auf
und verschwanden auch schnell wieder. Dann erhoben sich die Schatten in
den Nachthimmel. Fledermäuse, Flughunde und andere Nachtwesen flogen
auf den großen, weißen Mond zu. Und von allen Seiten stießen immer
mehr hinzu. Der weiße, kraftvoll leuchtende Mond wurde von der
schwarzen Masse beinahe verdeckt... **** Janus
gesellte sich zu Rosalie in den Stall, wo alle Gäste, die mit Kutschen
gekommen waren, ihre Pferde abstellten. Es war gemütlich warm, eine Öllampe
erhellte die Box schwach, in der Rosalie stand. Sie hatte ihre Ohren
wachsam aufgerichtet und den Kopf zu Janus geneigt. Mit Tränen in den
Augen streichelte der Junge über die weichen Nüstern der Stute und
klagte ihr sein Leid: „Was ist das Geheimnis von Mirka? Warum dürfen
wir nicht zu unserer Mutter? Ich hab Angst, Rosa. Du hast doch auch gespürt,
daß etwas Böses dort wahr?“ Rosalie schnaufte daraufhin leise, so
als würde sie ihm antworten. „Warum hat dieser Flughund sie
angegriffen und ihr Mal freigelegt? Was bedeutet das alles? Ich möchte
Mama nicht verlieren!“ Er umarmte den Hals des Tieres und ließ seiner
Verzweiflung freien Lauf. Plötzlich spürte er kalten Wind, der seine
Haare durchzuwühlen schien. Er schloß die Augen und dachte daran, wie
zärtlich seine Mutter ihm immer durch die Haare gefahren war. „Janus?
Wo bist Du?“ Das war doch die Stimme seiner Mutter! „Komm zu mir,
mein Kind. Ich habe solche Schmerzen! Befreie mich! Ich brauche Dich!
Komm zu mir! Schnell!“ Janus
sah erschrocken auf. Er blickte sich unsicher um. „Mutter? Wo bist Du?
Was soll ich tun? Sag doch was?“ Rosalie hatte die Ohren angelegt und
scharrte mit den Vorderhufen auf den Boden herum. Sie wurde unruhig. Sie
wieherte leise. Janus Herz klopfte so hart gegen seine Brust, das er
sich die Stelle rieb. Sein Atem ging schwer. „Was soll das? Wer bist
Du? Willst Du mir Angst machen? Laß meine Mutter in Frieden! Ich hasse
Dich! Warum tust Du uns das an?“ Janus wischte sich mit dem Handrücken
übers Gesicht. Er fühlte, daß hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
Er begann Stimmen zu hören, die gar nicht da waren. Christa lag zu
Hause im Bett und dennoch hörte er ihr Flehen. Das ging nicht mit
rechten Dingen zu. Er
lief rückwärts aus dem Stall heraus und wäre geradewegs gegen Bruder
Martin gelaufen. „Hier steckst Du! Mirka macht sich schon Sorgen!
Alles in Ordnung?“ Janus drehte sich um und umarmte den Pater:
„Ich....es ist nichts, ich habe....Christas Stimme gehört, Bruder
Martin. Sie rief nach mir! Es ist wahr! Doch Mutter ist doch zu Hause.
Oder? Rosalie wurde nervös, sie hatte auch Angst. Was geht hier vor?“
Das
freundliche Lächeln des Paters wurde zur ernsten Miene. „Janus, ich
verstehe, das Du verwirrt bist. Es ist das Böse, mein Kleiner. Du mußt
Dich nicht für Deine Angst schämen. Ich fürchte mich genauso davor.
Doch Mirka und Martha haben sich verbündet. Du weißt, daß Deine Großmutter
über gewisse Kräfte verfügt. Diese hat sie....an Mirka vererbt,
sie....wird Deiner Mutter helfen, wieder gesund zu werden. Vertrau ihr
und glaub an sie. Das hilft ihr. Du darfst Dich nicht sorgen, Du mußt
sie mit Deiner ganzen Liebe unterstützen. Stell keine Fragen, laß
einfach das geschehen, was....vorherbestimmt ist. Ich weiß, daß hört
sich jetzt alles etwas verrückt an, Junge. Doch es ist nicht zu ändern.
Was geschehen muß, soll eintreten. Du bist bei mir in Sicherheit,
genau, wie Deine Geschwister. Ich werde Euch nach allen Kräften beschützen.
Bitte glaub mir Janus! Erwähne dieses Gespräch nicht Mirka gegenüber
oder irgend jemand sonst. Es bleibt unser Geheimnis, verstanden? Und
jetzt feiere noch ein bißchen. In Ordnung? Laß Dir nicht anmerken was
in Dir vorgeht. Versuch einfach, alles so zu nehmen, wie es kommt. Ich
weiß, daß Du Angst hast, doch Du bist nicht allein damit, Janus. Wir müssen
zusammenhalten. Nun geh!“ Der Pater sprach leise und beruhigend auf
den verstörten Janus ein. Wolle war plötzlich neben ihm und leckte
seine linke Hand. Er sah auf den Hund und ließ es geschehen. Er wollte
trösten, er spürte seine Angst. Doch der Junge war völlig verstört. Janus
verstand jetzt überhaupt nichts mehr! Mirka hatte besondere Kräfte?
War sie auch eine Hexe? Und warum konnte die Liebe ihrer Kinder die
eigene Mutter nicht wieder gesund machen? Und warum kamen diese Stimmen?
Waren sie das Böse, von dem Bruder Martin sprach? Er kannte bisher nur
Kobolde und Trolle oder Irrlichter, die gefährlich für sie waren. Was
gab es da denn noch? Dämonen? Geister? Janus schluckte und nickte dem
Pater tapfer zu: „Ja. Ich hoffe, Du behältst recht, Bruder Martin.“
Dann lief er in Richtung Dorfmitte, wo sich mittlerweile alle um das große
Feuer versammelt hatten und sangen. **** Als
der Mond seinen höchsten Stand erreicht hatte, wurde Martha langsam
unruhig. Sie hatte sich mit Bruder Martin für zwei Stunden zurückgezogen,
ohne, daß Mirka und ihre Geschwister davon etwas mitbekamen. Die beiden
beratschlagten, was zu tun war. Die Zeit wurde langsam knapp. Martha
wollte aufbrechen, doch Martin hielt sie zurück. Er übergab ihr die
wertvollen Schriftrollen, die er von seinem verstorbenem Abt erhalten
hatte. Vor dem Fest hatte er sie in aller Eile übersetzen können und
dann nahm er auch noch seine eigenen Aufzeichnungen und gab sie ihr, in
der Hoffnung, damit endlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen: „Hier,
Martha. Nimm diese Aufzeichnungen an Dich und lese sie mit Mirka
zusammen gut durch. Es steht alles, was ich aus den besten Quellen
erarbeitet habe, darin, was Deine Nachfolgerin wissen muß. Es liegt mir
am Herzen, das sie nicht nur uns glaubt, sondern auch weiß, daß es
Tradition in besonderen Familien ist, daß Auserwählte geboren werden,
die gegen die Dunkelheit kämpfen.“ Nach
dieser feierlichen Rede mußte sich Martha erst einmal wieder hinsetzen.
Gerührt wischte sie sich ein paar Tränen von den Wangen: „Danke,
Martin. Ich weiß Deine Mühen zu schätzen und denke, sie werden uns
und ganz besonders Mirka, von großem Nutzen sein. Das Einzige, was
gegen uns arbeitet, ist die Zeit. Mirka hat schon einige ihrer
besonderen Kräfte am eigenen Leib erfahren müssen. Der....Dämon, der
von Christa Besitz nahm, ist...sehr gefährlich. Wenn wir ihr nicht
helfen, wird.....sie sterben. Darum ist es wichtig, Mirka so schnell,
aber auch so behutsam wie es geht, mit ihren neuen Kräften und ihrer
Aufgabe vertraut zu machen. Willst Du mir dabei helfen?“ Bruder Martin
schluckte, doch er brauchte keine Sekunde darüber nachdenken. Er liebte
Mirka mehr, als er zugeben wollte. Für ihn war sie beinahe so etwas,
wie eine Tochter. Er nickte Martha zu. Sie nahm die Rollen und das Buch
unter den Arm und atmete tief durch: „Dann laß uns gehen und sie
vorbereiten. Nimm Dich den Kindern an. In ein paar Stunden wird es
hell.“ Beim letzten Satz schwang Furcht in der Stimme der alten Frau
mit. Die Kinder waren schon groß. Selbst den kleinen Tobi konnte man
nicht zwingen, etwas zu tun, was er nicht wollte. Doch sie liebten Mirka
und Martha und wußten, daß ihre Großmutter ihnen nur helfen wollte
und sie beschützte. Wie lange konnten sie ohne ihre Mutter und
Schwester auskommen, ohne Verdacht zu schöpfen, das etwas nicht
stimmte? Diese Fragen verwirrten die alte Frau und hinterließen
Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Konnte
sie ihre ganze Kraft auf ihre Enkelin konzentrieren? Sie war alt und ihr
Körper machte nicht mehr recht mit. Und ihre Seele? Ihr Wille war
stark. Sie mußten diesen Dämon austreiben. Selbst wenn es ihr eigenes
Leben kostete. Mirka mußte ihre Aufgabe erfüllen. Es war ihr
Schicksal. Es war ihr Erbe. Für immer. Nur, konnte Mirka das begreifen?
Martha seufzte schwer. Der
Benediktiner klopfte Martha beruhigend auf die Schulter. Er lächelte
sie ermunternd an. Nur konnte Martha Kolt das Lächeln nicht erwidern.
Jetzt wurde es wirklich ernst.... **** Die
alte Dame und Bruder Martin gingen in die Mitte des Dorfplatzes, wo sich
viele versammelten, um das große Feuer in der Mitte zu genießen. Auch
Mirka saß mit Wolle und ihrer jüngeren Schwester dort und sie
unterhielten sich. Als Mirka ihre Großmutter mit Bruder Martin
erblickte, stand sie auf und wollte zu ihnen laufen. Janus und Tobi
kamen hinter Bruder Martin her. Sie machten ernste Gesichter. Tobi hatte
sogar gerötete Augen. Er hat geweint! Auch Rabea sah ihren kleinen
Bruder besorgt an: „Mirka, was ist los? Tobi hat geweint! Stimmt was
nicht mit Mutter?“ Mirka schluckte: „Ich weiß es nicht, Bea. Wir
werden es gleich wissen. Bruder
Martin lächelte verhalten, doch es erstarb, als er die sorgenvollen
Gesichter von Rabea und Mirka sah. Er flüsterte Martha zu: „Sie sind
unruhig. Wir müssen es behutsam angehen. Ich nehme die drei Kinder mit.
Du kümmerst Dich um Mirka. Geht zum Kolthof zurück.“ Schlug Bruder
Martin vor. Martha nickte. Sie konzentrierte sich und wählte gedanklich
die Worte aus, die sie Mirka mitteilen mußte. Es fiel ihr mehr als
schwer. Ihr Herz schlug so schnell und laut gegen ihre Brust, das sie
Angst hatte, Mirka könne es hören. Bruder
Martin rief Rabea, Tobi und Janus zu sich. Ohne zu fragen gingen sie zu
ihm. Er nahm die Mädchen in die Arme und Tobi auf dem Arm. Während er
ihnen erklärte, was Mirka mit Großmutter zu bereden hatte, ging er mit
ihnen in Richtung seines Hauses. Rabea sah sich nach Mirka um. Mirka
beachtete sie nicht, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit Martha: „Was
ist los, Martha? Was hast Du da unter dem Arm? Ist es wichtig? Du siehst
so ernst aus.“ Martha sah ihrer Enkelin in die Augen: „Es geht um
Dein Erbe, meine Kleine. Wenn Du Christa liebst und ihr helfen willst,
mußt Du jetzt sehr tapfer sein. Wir haben nur noch ein paar Stunden,
bis die Sonne aufgeht. Diese Aufzeichnungen sind von Martin. Er hat sie
seit Deiner Geburt sorgfältig aufgeschrieben und auch weitere
Aufzeichnung über das Schicksal von uns Seelenjägern gesammelt. Du
solltest es erst wissen, wenn Du volljährig bist, doch die Umstände
verlangen von uns, daß Du jetzt schon mit Deiner Aufgabe vertraut
gemacht wirst. Mein Kind, laß uns nach Hause gehen, ja? Ich werde Dir
unterwegs alles erklären. Bist Du dazu imstande?“ Martha
sah sie immer noch ernst an. Mirka liefen die Tränen über die Wangen:
„Großmutter, ich will alles tun, damit der Dämon Mutter wieder
freigibt! Und wenn es Schicksal ist, wie Du es nennst, daß ich Dein
Erbe antrete, werde ich mich ihm fügen müssen. Habe ich eine Wahl?“
Mirka wischte sich mit zitternden Händen die Tränen aus dem Gesicht.
Martha schüttelte den Kopf: „Nein, meine Kleine. Es ist Deine
Bestimmung. Dann laß uns gehen. Die Zeit arbeitet gegen uns.“ Mirka
nickte ernst. Sie hakte sich bei Großmutter unter und sie gingen zu dem
Stall, wo Rosalie auf sie wartete. Wolle
trottete treu neben den beiden her. Mirka hockte sich zu ihm hinunter
und bat den Hund, zu Bruder Martins Haus zu laufen, um auf die Kinder
aufzupassen. Der Hund winselte und weigerte sich erst, doch mit Marthas
weiterer Aufforderung, die sehr energisch war, lief er hinter Bruder
Martin und den Kindern her... Der
Hund würde bei der Dämonenbeschwörung nur stören, da er vor Angst
laut bellen könnte und den Dämon somit aggressiver machte. Das wollte
Martha auf jeden Fall vermeiden. Es würde ein harter Kampf werden. Sie
hatte Angst, davor, daß sie Mirka verlor oder das sie starb, bevor
Mirka wußte, was mit ihr los war. Doch das waren ihre geringsten
Sorgen. Wichtig
war nun erst einmal, daß Mirka in den Aufzeichnungen das fand, was
ihren Wissensdurst löschte.... Sie
fanden die Stute bereits gesattelt und frisch gestärkt im Stall vor.
Bruder Martin hatte das veranlaßt. Mirka bat Martha aufzusitzen. Martha
protestierte, doch es war keine Zeit für Diskussionen. Mirka
nahm die Zügel in die Hand und lief neben Rosalie her. Rosalie sträubte
sich, in dem sie bockte. Etwas stimmte nicht. Sie hatte Angst. Erst als
Mirka auch im Sattel saß und ihre Großmutter sich an ihr festhielt,
ritten sie so schnell es eben ging zum Kolthof zurück.... **** Als
sie die erleuchtete Silhouette des Hofes sahen, waren über dem Haus
lauter kleine, runde, gelbe Lichter, die hin und her flogen. Immer
schneller, je näher sie kamen. Eine große, bläuliche Kugel kam direkt
auf sie zu. Rosalie schnaufte und wieherte, bockte aber nicht. Mirka
staunte mit offenem Mund: „Das ist ja wunderschön! Was ist das,
Martha?“ Martha umfaßte Mirkas Hände fest: „Das, mein Kind, ist
die Elfenkönigin mit ihrem Volk. Sie will uns beistehen. Sie hat mich
aufgesucht und mir geschildert, das in ihrem Wald auch etwas vorgeht.
Sie beschützen uns. Egal was kommt.“ Mirka sah auf die blaue
Lichtkugel und einige andere, kleinere gelbe Kugeln, die um sie
herumtanzten. Mirka konnte nicht glauben, was ihre Großmutter da sagte:
„Elfen? Aber die gibt es doch nur im Märchen! Ich meine Trolle, o.k.
Irrlichter, na schön. Aber Elfen? Was können sie schon tun?“ In
diesem Moment verwandelte sich die blaue Kugel vor Mirka in die Elfenkönigin.
Mirka erschrak, als sie die kleine Person mit den Flügeln vor sich hin
und herflattern sah: „Mirka, ich weiß, es kommt alles auf einmal und
Du bist noch nicht ganz so weit. Doch Deine Großmutter hat recht. Glaub
ihr. Wir haben, während ihr im Dorf wart, auf Christa aufgepaßt. Es
geht ihr sehr schlecht. Der Dämon gewinnt mehr und mehr die Oberhand.
Kommt schnell!“ Kaum
hatte die Elfe das ausgesprochen, verwandelte sie sich auch schon wieder
zurück. Sie flog mit ihren Dienern, die ihr in einer Reihe folgten, zu
dem Schlafzimmerfenster, wo Christa lag. Mirka gab Rosalie die Sporen. Am
Tor angekommen, saßen die beiden Frauen ab und banden Rosalie am Zaun
fest. Mirka wollte Rosalie in den Stall bringen, doch Martha riet ihr
ab: „Jede Sekunde zählt jetzt, Mirka. Rosalie ist hier ohnehin in
Sicherheit. Wenn sie in der Nähe des Hauses bleibt, wird sie vor Angst
verrückt.“ Immer
mehr gelbe Lichter versammelten sich um das Haus. Der dunkle Himmel war
fast hell durch die vielen Elfen. Mirka staunte immer noch Löcher in
die Luft. Nur mühsam ließ sie sich von ihrer Großmutter ins Haus
ziehen. Gerade, als die durch die Tür kamen, erkannte Mirka sofort, daß
die Realität sie wieder eingeholt hatte. Es war eiskalt im Haus. Sie
atmeten eisige Luft aus. Mirka hielt sich fröstelnd die Arme vor die
Brust: „Oma! Was ist hier los? Warum ist es so kalt? Ich habe Angst!
Warum tut er ihr das an?“ Ihr Herz klopfte schneller. Martha ging
schnell ins Wohnzimmer um Decken zu holen. Sie legte eine Schafsdecke um
Mirkas Schultern. Sich selbst gönnte sie eine einfache Wolldecke. Ihr
Atem ging ebenfalls schwer. Sie verlor an Energie. Doch sie durfte sich
nichts anmerken lassen: „Mirka, ich kann Dir nicht so viel erklären.
Bitte geh in Dein Zimmer und lies die Unterlagen von Bruder Martin sorgfältig
durch. Beeil Dich. Wenn Du Fragen hast, ich bin bei Deiner Mutter. Der
Kreis um sie herum schützt uns vor dem Ding in ihr. Erschreck nicht,
wenn Du siehst, was dieses....Ungeheuer aus ihr gemacht hat. Wenn sie
spricht, ist es nicht sie, die spricht, in Ordnung. Er spricht durch
sie. Vergiß das nicht. Er lügt Dir was vor, will Dich verletzten. Denk
immer daran. Und jetzt tu, was ich Dir sage! Wenn Du Christa liebst,
kannst Du sie retten. Auch wenn Du Angst hast und noch nicht alles
begreifst, ich versteh Dich ja, Liebes. Doch....vertraue mir und denk an
die Macht, die Du besitzt. Du kannst es. Du weißt, wozu Du fähig bist.
Auch ich verliere an Kraft, je mehr Du an Kraft gewinnst. Ich teile
meine letzten Reserven mit Dir. Bitte geht jetzt, Mirka. Es wird in ein
paar Stunden hell. Wenn wir den Dämon bis dahin nicht verjagt
haben.....ist es zu spät.“ Mirka
liefen die Tränen über die Wangen. Auf halbem Weg zu ihrem Kinn
erstarrten sie zu Eis. Sie faßte sich an die Wangen und nahm die
glitzernden, erstarrten Wassertropfen von ihrem Gesicht. Sie schluckte.
Dann hörte sie das schmerzhafte Stöhnen ihrer Mutter. Ihr Blick fiel
auf Martha. Ihre Großmutter schaute traurig zu Boden. Mirka nahm das
Buch und die Schriftrollen wortlos von ihrer Oma entgegen, ging ins
Wohnzimmer und zündete zwei Kerzen, die auf den Tisch standen an und
begann zu lesen. Ihre Hände zitterten. Sie hatte Durst, doch sie mußte
verzichten. Sie wollte Christa auf keinen Fall verlieren. Die Worte
ihrer Großmutter waren eindeutig. Jetzt begriff sie erst, wie wichtig
es war, das zu tun, wofür sie bestimmt war. Sie schlug die erste Seite
des Buches auf und begann zu lesen.... Je
mehr sie sich in die alten, gelben, zerfledderten Seiten des Buches und
der Schriften vertiefte, um so mehr staunte Mirka. „Die Chronik der
Seelenjäger“ und „Die Auserwählten“ beschrieb das Schicksal
kinderreicher Familien, deren erstgeborene Kinder, egal ob Junge oder Mädchen
mit einem Mal auf einer Schulter geboren wurden. Instinktiv griff sie
sich an ihr eigenes Zeichen, während sie las. Sie
wurden von Hohen Geistern dazu bestimmt, durch ihre eigene Kraft, ihre Güte
und ihre reine Seele, das Böse in der Welt zu bekämpfen. Nur, wer sein
Kind mit völliger Hingabe erzog und das Geheimnis bis zur Volljährigkeit
bewahrte, wurde von ihnen gerufen, wenn die Zeit gekommen war. Auch
besondere Umstände, wenn ein Familienmitglied von Trollen, Kobolden,
Gnomen, bösen Zauberern gefangen genommen oder von Dämonen in Besitz
genommen wurden, ließen es zu, daß die Kinder ab diesem Zeitpunkt mit
ihrem Schicksal konfrontiert werden mußten. Mirka
liefen Tränen übers Gesicht. Als die die Hälfte der Schriften und des
Buches durch hatte, wurde
sie müde und vor ihren Augen verschwamm alles. Sie schreckte hoch, als
die Tür aufging. Es war Martha. Sie sah besorgt aus. Und blaß. Auch
sie hatte nasse Wangen von Tränen: „Wie geht es Mama? Und Dir?“
Martha setzte sich zu ihrer Enkelin. Anstatt die Frage zu beantworten,
sah sie Mirka ernst an: „Glaubst Du mir jetzt? Verstehst Du jetzt,
mein Kind? Deine Mutter wußte es in ihrem Herzen, doch sie wollte es
nicht wahrhaben. Sie wußte, daß ich erwählt war, doch sie glaubte
nicht daran. Das bezahlt sie jetzt. Der Dämon wird immer stärker. Wenn
wir nachher zu ihr gehen, mußt Du sehr stark sein, Liebes. Deine Mutter
ist....gealtert.“ Mirka erhob sich erschrocken: „Was sagst Du da?
Oh, mein Gott! Wir müssen zu ihr, jetzt gleich!“ Sie wollte zu ihr
gehen, doch ihre Großmutter packte sie an der Hüfte und hielt sie
eisern fest: „Nein, noch nicht, Mirka! Du weißt noch nicht alles. Die
Elfen beschäftigen den Dämon, verwirren ihn. Christa schläft. Sie ist
so schwach, sie ist kaum noch da. Er nahm ihre Lebensenergie. Je mehr
Macht er gewinnt, um so schwächer wird Christa. Bitte, sei jetzt vernünftig
und hör mir zu. Bruder Martin kommt gleich. Er wird uns helfen. Wir
wollen nur Dein Bestes, mein Kind! Doch wir müssen einen klaren Kopf
bewahren. Die hohen Herren sind hier. Ich spüre sie. Sie werden Dich
bald rufen. Vertrau mir. Les weiter. Bitte. Nur noch eine Stunde. Dann
bist Du soweit. Ich weiß, Du bist wütend. Darauf hast Du auch ein
Recht. Doch wenn Du uns allen helfen willst, schalte Dein Vertand aus
und lasse Dein Herz sprechen. Du schadest Deiner Mutter nur, wenn Du
nicht weißt, wie Du die Sache angehst. Ich...mir geht es nicht gut. Ich
weiß nicht, ob...ich das hier überstehe. Meine Zeit ist...abgelaufen.
Ich....muß mich ausruhen. Ich übertrage Dir meine letzten Reserven.
Damit Du stark genug bist, falls...etwas schiefgeht.“ Sie senkte den
Kopf. Mirkas
Herz klopfte schnell. Ihr Atem ging schnell. Sie riß sich los. Ohne
ihre Oma eines Blickes zu würdigen, setzte sie sich wieder hin und
beugte sich über die Schriften. Ihre Großmutter erhob sich und ging in
die Küche: „Wir brauchen eine Mahlzeit. Wir müssen uns stärken. Ich
mach etwas zu essen.“ Sagte sie, ohne sich zu ihrer Enkelin
umzudrehen. Mirka hörte ihre Mutter von oben rufen und stöhnen. Sie
hielt sich die Ohren zu. Das war nicht mehr ihre Mutter. Ihre Glieder
wurden schwer. Als sie einige Elfen am Fenster sah, faßte sie neuen
Mut. Sie stellte neue Kerzen hin, als die anderen abgebrannt waren und
las weiter. Unter anderem fand sie diese Stelle: Kinder,
die reinen Herzens sind, angstlos, ihre Familie mehr beschützen, als an
sich zu denken, werden schon von Geburt an damit konfrontiert, die Welt
vor dem Dunklen zu bewahren. Sie werden in jungen Jahren ihr Elternhaus
verlassen und den Hohen Herren folgen, die sie völlig in ihr neues
Leben einweisen. Der Verlust der Familie, Freunde und völlige Aufgabe
des alten Lebens ist die einzige Möglichkeit, als Seelenjäger(in)
seiner Bestimmung zu folgen. Nur wer sich mit totaler Hingabe seiner
Aufgabe widmet, kann überleben. Wer Angst vor der Unsterblichkeit hat,
die er damit erlangt, kann jederzeit durch das Böse besiegt werden. Die
Hohen Herren können entscheiden, ob die Seelenjäger wieder freiwillig
zurückkehren in ihre alte Welt und für immer alleine bleiben oder ob
sie sich in einem Kampf mit dem Bösen auf Leben und Tod einlassen. Wenn
die böse Seite gewinnt und die Seelenjäger für sich gewinnen, können
die Hohen Herren nichts mehr für sie tun. Jeder Seelenjäger agiert für
sich. Keiner weiß von einem anderen. Jeder hat seine eigene Mission. Er
wird im Kampf ausgebildet, mit gewissen Kräften ausgestattet und in die
Magielehre eingeweiht.... Mirka
mußte den Kloß im Hals hinunter schlucken. Sie muß für ihre
Bestimmung die Familie zurücklassen und vergessen. Sie müssen in dem
Glauben sein, daß Mirka.....nein. Das ist ja schlimm. Wie kann sie darüber
entscheiden? Sie wollte ihre Familie nicht im Stich lassen! Sie wurde
geliebt und sie liebte ihre Familie! Doch hatte sie eine Wahl? Plötzlich,
als Martha mit einem Tablett voller Leckereien ins Wohnzimmer kam, spürte
Mirka einen Luftzug. Die Fenster waren geschlossen. Warmer Wind breitete
sich in dem Raum aus. Ihre
Haare wehten durch die Luft. Sie schloß die Augen. Martha stellte das
Tablett ab. Auch sie bemerkte die Veränderung sofort: „Martha, was
ist das? Was geht hier vor?“ flüsterte Mirka. Sie schloß die Augen.
Der Wind streichelte sie sanft. Ihr Gesicht, ihre Haare. Ihr wurde warm.
Marthas Stimme war ganz weit weg: „Sie rufen Dich, mein Kind. Es ist
Zeit. Laß alles auf Dich zukommen. Hab keine Angst. Dir passiert
nichts. Du wirst jetzt in eine andere Welt geholt. Es kommt Dir vor wie
ein Traum, doch Du wirst verstehen. Ich liebe Dich. Christa glaubt an
Dich. Sie liebt Dich auch. Genauso wie Deine Geschwister. Und Wolle. Und
Rosalie. Wir alle wissen, was für ein guter Mensch Du bist.“ Dann spürte
sie eine schwere Hand auf ihrer linken Schulter: „Ich liebe Dich auch,
Mirka. Du bist für mich wie eine Tochter. Ich glaube an Dich. Du wirst
es schaffen. Ich bin für Dich da.“ Sie sah Bruder Martin ins Gesicht. Dann
schloß sie die Augen. Sie fühlte sich so leicht. Als würde sie
schweben. Sie sah gelbe Punkte vor sich. Die Elfen flatterten an ihre
Ohren: „Keine Angst, Mirka. Alles wird gut. Du wirst jetzt geprüft.
Du kehrst als Seelenjägerin zurück. Viel Glück. Christa geht es
soweit gut. Sie ist in Trance. Wir warten auf Dich.“ hörte sie die
kleinen, piepsiegen Stimmen wild durcheinander an ihren Ohren. Sie
konnte nicht antworten. Ihre Zunge fühlte sich wie Blei an. Sie sah
einen großen Farbenstrudel in den sie hineintauchte. Sie hatte keine
Angst. Sie ließ sich treiben. Sie schwebte. Sie sah viele Farben in
allen Fascetten auf sich zukommen. Wie ein Strom flog sie an ihnen
vorbei. Ihr wurde schwindelig. Dann schlug sie plötzlich hart auf den
Boden auf. Sie verlor ihr Bewußtsein.....
**** 2. Die Prüfung Mirka
erwachte langsam. Sie fühlte jeden Knochen einzeln. Als sie blinzelte,
war alles dunkel. Der Boden war kalt. Sie erhob sich vorsichtig, setzte
sich auf. Sie war in einer riesigen Höhle. Sie fröstelte. Es war
still. Sie sah sich um. Fackeln erhellten einen Weg. Ohne ein Wort stand
sie auf und ging den Weg, der ihr Schicksal bestimmen sollte. Sie war in
einer anderen Welt, so glaubte sie. In den schwarz-grauen Felswänden
waren kleine Löcher. Aus diesen Löchern beobachteten sie viele
Augenpaare, die gelb funkelten. Sie
blickte sich nach links und rechts um. Treppen waren in den Fels
geschlagen, als sie am Ende des Weges angelangt war. Sie stieg einen
schmalen, geschlängelten Gang hinauf, der immer verschlungener wurde.
Immer höher. Sie sah nicht nach unten, sonst verlor sie das
Gleichgewicht. Sie sah an sich hinunter. Sie trug ihr weißes, langes
Nachthemd. Sie
sah sich nicht um, obwohl sie Flüstern und merkwürdige Geräusche wie
Rascheln und Donnergrollen hinter sich, über sich, neben sich und vor
sich vernahm. Fledermäuse flogen hoch über ihren Kopf. Es waren
unterschiedlich große. Und es waren viele. Unendlich viele. Doch sie
griffen Mirka nicht an.... **** Sie
wußte nicht, wie lange sie gegangen war. Sie spürte die ganze Zeit
jemand hinter sich, doch sie wagte es nicht, stehen zu bleiben oder sich
umzudrehen. Dann ging es plötzlich nicht mehr weiter. Mitten in der
Luft hing die letzte Stufe. Sie sah ins Dunkel. Ihr Herz klopfte. Als
sie zum sprechen ansetzten wollte, grollte ihr eine tiefe, leise Stimme
direkt vor ihr entgegen: „Bist Du eine Auserwählte?“ Mirka
schluckte. Ohne nachzudenken, ob das Konsequenzen für sie hatte, sagte
sie fest: „Ich bin Mirka Sanje Kolt. Ich trage ein Mal auf meiner
Schulter.“ Sie drehte sich etwas und schob das den Ärmel soweit
beiseite, das ihr Mal zu sehen war. Auf einmal glühten rötliche Augen
vor Mirka auf. Sie erschrak und wich zurück, sie fiel zwei, drei
Treppenstufen hinunter. „Keine
Angst, Soulhunter. Es geschieht Dir nichts. Komm zu mir. Ich bringe Dich
zu den Hohen Herren.“ Mirka wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht.
Sie stand langsam wieder auf und ging zur letzten Stufe. Auf
einmal sah sie einen alten Mönch vor sich. Er trug eine rote Kutte, aus
wunderschönem Samt. Seine Hände waren bandagiert. Einzig seine langen
Fingernägel, schwarze, krumme, kleine Krallen, waren zu sehen. Man
konnte sein Gesicht nicht erkennen. Dort wo es sein sollte, war nur Schwärze.
Er saß an einem hölzernen Schreibtisch und hatte ein Buch vor sich.
Mit einer Gänsefeder schrieb er Mirkas vollständigen Namen auf. Dann
stellte er eine Frage, die Mirkas Körper verkrampfen ließ. „Welches
Mitglied Deiner Familie ist besessen?“ Sie ballte die Fäuste
zusammen. Tapfer sagte sie: „Meine Mutter.“ Der Mönch notierte es.
Dann fragte er weiter: „Weißt Du den Namen des Dämons?“ Mirka überlegte
krampfhaft. Sie schloß die Augen und hörte die Stimme von Martha, ganz
weit weg, rufen: Schattendämon.
Sie nannte den Namen. Der Mönch schrieb das ebenso nieder. Dann klappte
er das große, zerfledderte Buch zu, legte die Schreibfeder beiseite,
hob den Kopf und dann stand er auf. Er war riesig. Mirka mußte den Kopf
recken, um zu ihm hochzublicken. „Die
Hohen Herren erwarten Dich. Nimm meine Hand.“ Sie sah eine der
bandagierten Hände vor sich, die fast so groß war, wie sie selbst. Sie
legte ihre kleine, weiße, zittrige Hand in die des Mönches. Er umschloß
sie und dann flog Mirka plötzlich von der letzten Treppenstufe fort.
Sie flog an vielen Farben vorbei, die an ihr vorbeizogen, so als würde
sie in eine völlig andere Dimension hinüber gleiten. Ihr
wurde schwindelig. Sie schloß die Augen und genoß das Kitzeln im
Bauch. Dann sah sie ihre kranke Mutter wieder vor sich. Sie war nur noch
aus Haut und Knochen. Ihre Augen glühten grünlich. „Neeeeeein,
Mama!“ rief sie verzweifelt. Ihre Stimme vervielfachte sich und sie
hielt sich die Ohren zu. Dann
landete sie erneut unsanft auf dem Boden der Tatsachen zurück. Sie
befand sich in einer anderen Höhle. Es war bitterkalt. Überall glänzte
und funkelte es. Von der Decke tropfte es. Sie sah hoch und erblickte
dicke und dünne, lange und kurze Eiszapfen. Mirka mußte ihre Hände
vom Boden losreißen, so fest waren sie gefroren. Sie
erhob sich und schlang die Arme um den Oberkörper. „Hallo?“ Ihre
Stimme klang heiser. Einzig die Wassertropfen waren zu hören, die auf
den Boden fielen. „Hohe Herren? Ich bin Mirka, ich bin da!“ Keine
Antwort. Sie blickte sich um. Wunderschöne Gebilde aus Eis standen überall.
Ein übergroßes Pferd. Eine Meerjungfrau war aus einer Wand gehauen
worden. Ein...Troll, mindestens 4 Meter groß, ein Bergtroll. Mirka
schauderte, als sie an ihre heimischen Trolle daheim dachte. Sie
ging einfach gerade aus. Sie erblickte eine Eisprinzessen vor sich. Ihre
Augen waren aus Stein. Sie sah so lebensecht aus. Als Mirka ihr länger
ins Gesicht schaute, dachte sie einen Augenblick lang, sie würde
angesehen werden. Schnell lief sie weiter. Diesmal drehte sie sich um. Sie
erschrak. Alle Figuren, die sie bestaunt hatte, waren direkt hinter ihr.
War das eine Prüfung? Oder träumte sie? Sie rieb sich die Augen?
Sollte sie Angst bekommen? Waren die Gebilde verhext? Waren sie
lebendig? Mirka blickte auf die Meerjungfrau. Sie liebte
Nixengeschichten, doch gesehen hatte sie noch nie so ein Wesen. Bis auf
diese, in Eis festgehalten. Sie ging zu ihr hin. Der lange, große
Fischschwanz war um den Körper der Nixe geschwungen. Ihre langen Haare
gingen bis auf den Boden. Mirka
berührte vorsichtig die Schwanzflosse der Meerjungfrau. Dann, so als
erwarte sie eine Bewegung, zuckte sie sofort wieder zurück. Sie ging
ein Stück rückwärts und beobachtete das Eisgebilde genau. Nichts
geschah. Sie
ging zu dem Pferd. Sie berührte seine lange Mähne. Plötzlich kam ihr
ein Gedanke. Sie fand im Eis gehauene Vorsprünge und kam dadurch in die
Nähe des Rückens. Sie stieg vorsichtig auf die glitschigen Eisfelsen
und versuchte, sich an der Seite des Eispferdes hochzuziehen. Natürlich
rutschte sie immer wieder ab, doch sie gab nicht auf. Sie zog die Ärmel
ihres Nachthemdes über die Hände und stemmte sich hoch. Sie zog den Körper
nach und...saß! Ihre Beine paßten nicht ganz über den gewaltigen Rücken
hinüber, doch das störte Mirka wenig. Sie mußte an Rosalie denken. Sie
sah nach oben. Ein paar Eiszapfen wackelten über ihr. Sie mußte
schlucken. Wenn die sich lösen,
dann....wie auf ein Stichwort hörte sie das Eis knacken. Kleine
Flocken fielen auf ihr Gesicht. Panik ergriff sie. Das
hätte ich lieber nicht denken sollen. Sie hörte es weiter knacken,
dann brach das Eis! Ein
riesiger Zapfen landete direkt neben dem Kopf des Eispferdes. Mirka
duckte sich. Sie bekam Angst. Es war anscheinend wirklich eine Prüfung.
Sie blickte erneut nach oben, wo jetzt ein großes schwarzes Loch
klaffte. Wind kam auf. Doch er war nicht eisig. Er war warm. Mirka
schlang die Arme so weit sie konnte um den Hals des Eispferdes. Sie wünschte
sich fest, das es sie zu den Hohen Herren bringen würde. Kaum hatte sie
zu ende gedacht, bewegte sich das Eis unter ihr. Das ganze Pferd begann
zu zittern! Sie rutschte nach allen Seiten und wußte nicht, wie sie
oben bleiben könnte, doch auf einmal hatte Mirka Zügel in den Händen! Und
das Pferd war gar nicht mehr aus Eis, es war...“Rosalie! Wie kommst Du
denn hierher?“ freute sich Mirka. Sie umarmte ihre Stute. Sie glaubte
nicht, das sie auf ihrer Stute saß. Rosalie hatte die Ohren angelegt
und schnaufte. „Wenn das kein Traum ist, dann...wenn Du weißt, wo die
Hohen Herren sind....bringe mich zu ihnen, Rosalie. Bist Du verzaubert?
Das kann ich nicht glauben!“ Ihre
Stimme war nur ein Flüstern. Als Rosalie im Schritt aus der Höhle
ging, sah Mirka sich noch einmal um. Das Eispferd stand dort, genauso
wie der Riesen-Troll und die Meerjungfrau. Sie waren nicht mehr aus Eis,
sie waren lebendig. Das Eispferd war ein schwarzer Rappe, sich aufbäumend
stand er auf den Hinterbeinen und wieherte. Der Troll, die Eisprinzessin
und die Meerjungfrau winkten Mirka lächelnd zu. Sie lächelte auch und
winkte zurück. Als sie sich erneut umdrehte, waren die Gebilde
verschwunden. Da waren nichts weiter als Eisbrocken zu sehen. Eine
Illusion? Mirka dachte nicht weiter darüber nach und konzentrierte sich
auf ihre Stute. Sie begann, in einem leichten Trab zu laufen. Dann
wurde Rosalie schneller. Plötzlich fanden sie sich draußen wieder. Sie
ritten über eine lange, hölzerne Brücke, die unter Rosalies Galopp
stark zu schwanken schien. Als Mirka hinuntersah, war da nur Felsen. Und
Wasser. Es war immer noch dunkel. Sie erblickte einen großen, silbrigen
Mond vor sich. Sie hielt sich an Rosalies Mähne fest. Sie
war erschöpft. Wo war sie nur? Und wieviel Zeit war vergangen? Wie
erging es Großmutter und Christa? Was war, wenn sie zu spät zurück
kam? Wie lange würden sie noch brauchen, um die Hohen Herren zu
treffen? War das ihre Bestimmung? Sie wußte es nicht. Sie mußte sich
in ihr Schicksal fügen. Rosalie
ritt erneut in eine Höhle, sie war aus rotem Sandstein. Vor dem Eingang
blieb sie stehen. Sie stieg vom Rücken ihrer treuen Stute. „Finde ich
hier die Hohen Herren? Oder muß ich mich schon wieder irgendwem
stellen?“ sagte sie zu dem Tier, als erwarte sie eine Antwort. Rosalie
wieherte einmal und hob und senkte den Kopf und scharrte mit den
Vorderhufen. „Bedeutet das Ja, Rosalie? Bin ich am Ziel?“ Sie sah
der Stute in die Augen. Sie blickten Mirka aus tiefster Treue an. Auf
einmal hörte sie hinter sich ein gefährliches Brummen. Ehe sich Mirka
umdrehen konnte, um Rosalie festzuhalten, bockte diese, scheute, stellte
sich auf die Hinterbeine und wieherte panisch. Mirka fiel auf den Rücken
und versuchte vergebens, das Tier zu beruhigen. Rosalie lief davon. Das
Brummen kam immer näher, es wurde lauter, bedrohlicher. Mirka war kaum
auf den Beinen, sie blickte sich nach allen Seiten um und stand gerade
mit dem Rücken zum Höhleneingang, da wurde sie am Kragen gebackt und
hineingezogen. Sie ließ sich von dem Etwas mitziehen, ihre Füße
schleiften auf dem Boden: „He, laß mich los. Ich kann schon alleine
laufen!“ protestierte Mirka und zog an der Hand in ihrem Nacken, der
eisern den Kragen ihres Nachthemdes festhielt. Als sie merkte, das die
Hand beharrt war, schrie sie kurz auf. Das störte denjenigen und er
fauchte Mirka an: „Sei still, oder willst Du, das es uns kriegt? Du
weißt ja nicht, mit wem wir es zutun haben, Kind.“ Mirka wunderte
sich über die rauhe, dunkle, aber beruhigende Stimme des Etwas. Dann
ließ er sie plötzlich los. „So. Wir sind in Sicherheit. Von hier aus
kannst Du alleine weiter. Und dreh Dich nicht um. Es ist nicht mehr
weit. Viel Glück, Kind.“ Sie blickte sich um, sah aber niemanden. Auf
einmal stupste sie eine kalte Nase an. Sie blickte vor sich und sah
einen schneeweißen Wolf vor sich. Seine Augen blickten ihr direkt ins
Gesicht. Sie glitzerten orange. „Erschreck
nicht. Ich bin ein Werwolf. Hier wirst Du noch auf viele Monster
treffen. Die meisten sehen zwar schön aus, sind aber böse. Bei mir ist
es ausnahmsweise mal umgekehrt. Ich bin zwar ein Monster, töte aber
niemanden. Nun geh. Die Zeit läuft, wie Du weißt. Geh diesen Weg und
dann bist Du bei den Hohen Herren. Wenn Du wieder zurückgehst, bist Du
eine von uns.“ Hörte
Mirka seine Stimme in ihrem Kopf. Er sprach in Gedanken zu ihr. Bevor
Mirka etwas erwidern konnte, drehte das Tier sich um und verschwand in
der Höhle. „Warte, Wolf! Wie meinst Du das, ich bin dann eine von
Euch?“ Der Wolf blieb stehen, drehte sich aber nicht zu ihr um: Du
bist eine Auserwählte, weißt Du nicht mehr? Du wirst eine Seelenjägerin.
Ich will Dir nichts verraten. Du wirst es verstehen, wenn Die Hohen
Herren zu Dir sprechen. Jetzt geh. Mirka wurde schlagartig klar,
worauf der Werwolf hinauswollte. Sie
war hier, um sich von den Hohen Herren zur Seelenjägerin ausbilden zu
lassen. Sie mußte Prüfungen bestehen, ihre Ängste überwinden, Mut
beweisen. Doch ihre bisher gewonnenen Kräfte hatte sie nur vage
genutzt. Wer dieses Es wohl gewesen sein mag, vor dem der Werwolf sie
gerettet hatte? Sie mochte lieber nicht darüber nachdenken.
Entschlossen, es zu Ende zu bringen, ging sie tapfer in die Höhle
hinein..... **** Kaum
war die zukünftige Seelenjägerin durch den Eingang gegangen, hörte
sie hinter sich einen dumpfen Knall. Sie drehte sich um und sah mit
Entsetzen, das sich ein Fels vor dem Eingang geschoben hatte. Wie von
Geisterhand. Doch Mirka wollte endlich Klarheit. Wie die Hohen Herren
wohl aussahen? Sie
ging weiter hinein. Hohe, glatte Wände, worin kleine Fenster geschlagen
waren, ließen Mirkas Mund offen stehen. Je weiter sie in die Höhle
hineinkam, um so enger wurde der Gang. Plötzlich stand sie vor einer
Wand. Es ging nicht weiter. Sie spürte einen Blick hinter sich, der auf
ihr ruhte: „Dreh Dich nicht um, mein Mädchen. Ich bin kein schöner
Anblick.“ Mirka mußte schlucken. Die Stimme kam ihr allzu bekannt
vor. Es
war die ihres verstorbenen Vaters! Mirka blieb immer noch stehen. Jetzt
hörte sie Schritte hinter sich. Er kam näher. „Papa? Was....machst
Du hier? Ist das....wieder eine Prüfung? Wie komme ich weiter?“ Eine
Hand legte sich auf ihre rechte Schulter. Mirka war verführt, auf sie
zu schielen, doch ihr Blick war tapfer auf die Wand gerichtet. „Lege
beide Hände auf die Wand. Schließ die Augen und konzentriere Dich. Es
ist nicht mehr viel Zeit. Hilf Christa, mein Mädchen. Sie erwarten
Dich. Tu, was sie Dir sagen, hörst Du? Auch wenn Du Opfer bringen mußt.
Es ist das Beste so. Ich bin stolz auf Dich. Ich liebe Dich. Ich
vermisse Euch.“ Die Hand entfernte sich wieder. Wie gern hätte sie
ihren Vater gesehen, ihn festgehalten. Sie
schloß die Augen und konzentrierte sich. Sie wollte, das die Wand
verschwindet. Nach einer Weile öffnete sie ihre Augen wieder. Erstaunt
stellte sie fest, daß sie jetzt wieder woanders war. Sie befand sich in
einem großen Saal, der ganz aus Kristall war. Ein Tisch, so groß wie
Mirka selbst und so ellenlang, wie man es sich nicht vorstellen
vermochte, stand vor ihr. Davor befand sich ein normaler Stuhl,
ebenfalls aus gelblich schimmernden Kristall. Sie setzte sich darauf.
Und wartete. War die Reise hier zu Ende? War
das ein erneutes Testen ihrer Kräfte? Sie spürte, wie müde sie wurde.
Und sie hatte Durst. Mit einem Mal vernahm sie von allen Seiten
Stimmengewirr. „Hallo? Zeigt Euch! Ich bin Mirka! Ich bin hier! Meine
Mutter wird sterben, wenn Ihr mir nicht...“ weiter kam sie nicht, denn
eine dunkle, ernste Stimme unterbrach sie: „Wir wissen, wer Du bist
und wer Du sein wirst. Du bist sehr stark, Mirka Kolt. Wir wissen, was
Deine Mutter durchmacht und wollen Dich sofort einweisen. Es tut uns
leid, daß Du und Deine Familie so leiden müssen, doch es ist die beste
Prüfung, um eine Seelenjägerin, deren Leben dazu bestimmt ist, das Böse
von den Menschen fernzuhalten, vorzubereiten. Deine Großmutter wird
immer schwächer, Du wirst immer stärker. Stärke Dich nun, denn wir
haben viel zu tun. Wenn Du wieder zurück in Deine Welt kommst, wird Dir
alles vorkommen, wie ein Traum. Du wirst Deine nötige Macht erhalten,
wenn die Zeit gekommen ist. Hast Du noch irgendwelche Fragen?“ Stille.
Mirka sah auf dem riesigen Tisch vor sich lauter Leckereien, ganz
irdische Speisen. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen beim Anblick von
Schweinebraten, Milch, Tee, Wasser, Obst, Gemüse...Sie wollte sofort
zugreifen, als die Stimme sie erneut ermahnte: „Mirka!“ Die junge
Frau zuckte mit der Hand zurück und besann sich: „Wo bin ich hier?
Warum ist mein Vater hier? Wie...seht Ihr aus?“ Die
Stimme meldete sich nach ein paar Minuten: „Du bist im Reich der Hohen
Geister, wir sind die Herrscher dieses Reiches. Wir bilden Sterbliche,
die auserwählt wurden, zu unsterblichen Kriegern aus. Sie kämpfen
meist für das Gute. Doch es gibt auch das Gegenteil von ihnen, sie sind
leider ein Fehlschlag, doch das soll Dich nicht weiter interessieren.
Wichtig ist, daß Du weißt, wozu Du fähig bist und das Du bereit bist,
Dein Leben für Deine Aufgaben zu opfern. Dein Vater...war nur eine
Illusion, mein Kind, doch seine Seele war echt. Wir schickten Dir seinen
reinen Geist Er ist verbittert, dort wo er lebt. Doch ich kann Dich
beruhigen, es geht ihm gut und er liebt Euch, wie Du weißt und er
glaubt an Dich. Er wußte als Du geboren warst, was mit Dir passieren
wird. Er hat Christa geliebt, er wollte sie beschützen und hat deswegen
nichts zu ihr gesagt. Wir sehen wir aus? Nun, so, wie Du es Dir
vorstellst, mein Kind. Wir haben keine Form, wir bestehen aus reiner
Energie. Iß Dich satt und dann laß uns beginnen. Rufe uns, wenn Du
fertig bist.“ Mirka
nickte und wartete einen Augenblick. Als sich nichts tat, griff sie zu
Brot und Milch und trank und aß abwechselnd gierig davon. Erst jetzt
bemerkte sie, wie schwach ihr Körper geworden war.... **** Je
mehr sie aß und trank, desto satter und müder wurde Mirka. Sie
bemerkte kaum, wie sich die Teller, Schalen, Becher immer wieder von
neuem füllten. Als sie mit einem kleinem Aufstoßen zurück in den
Stuhl sank, auf dem sie saß, durchfuhr ihren Körper plötzlich eisige
Kälte. Wind kam auf. Sofort war Mirka vom Stuhl aufgesprungen. Vor
lauter Versunkenheit hatte sie für einen Moment vergessen, wo sie war,
was sie für eine Aufgabe erfüllen mußte und wie sie sich bemerkbar
machen konnte. Verwirrt sah sie sich um. Überall waren Kerzen. Graues
Mamor um sie herum. Der Tisch vor ihr war leer und viel zu groß
geworden, er ging ihr bis zum Kinn. Mirka rieb sich die Augen. Sie
wollte etwas sagen, doch sie bekam keinen Ton heraus. Was war los? War
das schon wieder eine Prüfung? Sie atmete tief ein und blinzelte. Sie
öffnete den Mund. „Hall...Hallo? Ich...bin...fertig. Was....“
endete sie. Ihre Stimme widerhallte seltsam leise, wie ein Flüstern.
Mirka bekam eine Gänsehaut. Eine Tür knarrte hinter ihr. Eine Tür?
Sie drehte sich um. Ein Lichtstrahl blendete sie. Als sie sich daran gewöhnt
hatte, sah sie wirklich eine Tür, die ein Spalt offen war. Sie war in
den Fels gehauen. Erst zögernd, dann mit schnelleren Schritten ging sie
auf diese Tür zu. Sie schritt hindurch und fühlte sich seltsam leicht.
Eine Stimme holte sie wieder aus ihrem eigenartigem Dämmerzustand zurück:
„Bist Du gestärkt, mein Kind? Hat es Dir geschmeckt?“ Die Stimme
der Hohen Geister. Jetzt erinnerte sich Mirka wieder. Sie nickte heftig:
„Oh, ja, ich danke Euch. Es war ausgezeichnet. Wo bin ich hier?“ Sie
sah sich neugierig um. Wieder überall Kerzen, in allen Farben, Größen,
Düften. Einige schwebten sogar an der Decke.....es war ein grauer Raum,
ohne Fenster, Türen, die Wände glitzerten seltsam....“Setz Dich auf
den Boden, Mirka. Bist Du bereit, dem ins Auge zu blicken.....was Deine
Mutter so sehr quält? Damit Du eine Vorstellung davon bekommst, was
Dich erwartet, wenn Du zur Seelenjägerin wirst? Du brauchst keine
Furcht zu haben. Der Dämon wird sich Dir nur zeigen. Er wird Dich weder
angreifen, noch zu Dir sprechen. Doch sieh Dich vor! Laß nicht zu, daß
er Dir zu lange in die Augen sieht! Denn das Böse erkennt all jene, die
sich ihm entgegenstellen und es wird sie immer wiedererkennen und alles
daran setzen, ihn zu vernichten. Hast Du das verstanden, Kind? Das ist
keine Illusion, es ist echt. Wir können das Böse befehligen, zu
erscheinen, wir können das Böse in Körper fahren lassen, um Auserwählte
zu prüfen, doch vernichten....können wir es nicht. Es ist immer da.
Auserwählte wie Du sind dazu bestimmt, es in seine Schranken zu weisen.
Bist Du bereit?“ Mirka
schluckte. Sie setzte sich auf den Boden und sah die Decke an. Langsam
nickend, die Tränen zurückhaltend sagte sie laut und deutlich: „Ja.
Ich bin bereit.“ **** 3.Das Böse hat ein Gesicht Kaum
hatte Mirka den letzten Satz ausgesprochen, kam eine orkanartige Windbö
auf und Mirka mußte sich zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien.
Die Kerzen wurden ausgeblasen, es klang wie ein Wehklagen. Auch die
Kerzen, die schwebten, vielen von der Decke und Mirka mußte aufpassen,
nicht von ihnen erschlagen zu werden, denn es waren zum Teil große,
schwere Kerzen. Mirkas
Herz klopfte bis zum Hals, als die Windbö verschwand. Es war
stockdunkel. Sie glaubte, ihren eigenen Herzschlag hören zu können.
Ihre Hände zitterten. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt
hatten, hörte sie leise die Stimme der Hohen Herren ganz nah hinter
sich: „Sprich den Namen des Dämons aus, wenn Du bereit bist. Und denk
daran. Er wird Dir nichts tun. Er sieht Dir direkt in die Augen. Zähl
bis 20 im Geiste, so schnell Du es vermagst. Dann blicke auf den Boden.
Und alles ist vorüber. Und Du wirst wissen, woran Du bist. Und wir können
mit Deiner Ausbildung beginnen, Mirka.“ Die junge Frau umschlang ihre
Arme um ihre Knie. Schloß die Augen, rief sich innerlich zur Ruhe. Sie
atmete durch die Nase ein, durch den Mund aus. Die Stille war kaum zu
ertragen. Dann öffnete sie die Augen wieder und sah ins Dunkel. Sie öffnete
den Mund. Mit fester Stimme sprach sie den Namen aus: „Schattendämon!“ Eine
Weile lang passierte gar nichts. Mirka wollte noch mal rufen, doch da hörte
sie plötzlich ein Brummen. Sie konzentrierte sich wieder auf die
Dunkelheit. Das Brummen war tief und wurde langsam lauter. Mirkas Herz
klopfte schneller. Es schmerzte schon in ihrer Brust. Ihre Angst wuchs.
Das Brummen war jetzt ganz tief und schien direkt vor ihr. Wie ein
Singsang hörte es sich an. Dann sah sie den Dämon deutlich. Nur zwei
Schritte trennten sie voneinander. Ein weißes Licht blitzte vor Mirka
auf. In kurzen Abständen kamen Blitze, die seine Gestalt zeigten. Er
war dünn, hatte ein langes, knochendürres Gesicht, fast wie ein
Totenschädel. Seine Augenhöhlen glühten rötlich. Seine Zähne waren
die eines Raubtiers, lang und spitz ragten die Eckzähne aus seinem
Maul. Seine Arme fuchtelten wild durch die Luft, seine Klauen deuteten
auf Mirka. Er trug ein kaputtes, graues Gewand. Mit Kapuze. Mirka wollte
sich die Ohren zuhalten, als der Brummton lauter und höher wurde. Sie zählte
so schnell die Zahl 20 im Geiste, wie sie konnte. Er blickte auf sie
herunter und sie hing an seinem Maul, als sie kurz in seine Augen
blickte. Als der Brummton so hoch war, das Mirka ihn kaum mehr wahrnahm,
war alles vorbei. Als sie wieder hinunterblicken wollte, sah sie eine Pfütze
vor sich, wie ihre Mutter im Bett lag und dem Dämon immer ähnlicher
wurde. Sie sprang auf und schrie.....schrie...... **** Es
wurde wieder hell. Diesmal taghell. Mirka taumelte an eine weiche Wand,
holte Atem, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte einfach
nur noch weg. Sie fühlte sich elend. Sie hatte den Feind gesehen. Ihren
Gegner. Und er hatte sie gesehen. Sie war völlig verängstigt, als sie
ihre Mutter sah, die dem Dämon mehr und mehr glich. Das schmerzte sie
so sehr, daß ihre Gefühle aus ihr herausbrachen. Und niemand war da,
der sie tröstete. Keine Großmutter. Keine Geschwister. Kein Wolle.
Keine Rosalie. Sie war allein. Mit einer höheren Macht. „Mirka? Es
ist gut. Die erste Hürde ist überwunden. Komm.“ Sie sah auf. Vor ihr
stand ein junger Mann, der Malte sehr ähnlich sah. Sie ergriff
automatisch seine Hand, die er ihr da bot und ließ sich mitschleifen.
Es war gut, etwas menschliches, vertrautes zu sehen, dachte sie. War es
Zufall, das der junge Mann Malte ähnelte? Die Hohen Herren schienen
anscheinend alles über sie zu wissen. Mit wackligen Knien, verweintem
Gesicht, verängstigt, war sie nun gefaßt, auf ihre nächsten Aufgaben.
Die Ausbildung...... **** Die
warme, weiche Hand, die sie hielt, lies sie los. Als sie aufblickte, war
sie erneut allein. Sie war vor der Höhle! Eine frische Brise strich
durch ihre Haare, die Luft war klar. Vogelzwitschern war aus der Ferne
zu hören. Mirka atmete die Luft tief ein. Sie reckte sich. Der schmale
Gang war wieder vor ihr. Die lange Brücke mit den Stufen sah sie vor
sich, am Ende des Ganges. „Der Dämon kennt Deine Berufung. Du hast
sein Wesen erkannt. Das Böse in seinen Augen gesehen. Die Kälte, die
von ihm ausging, gespürt. Dein Instinkt wird Dir später verraten, wie
Du ihn dorthin schickst, wo er herkam. Geh nun wieder den Weg, den Du
gekommen bist. Alles weitere ergibt sich von selbst. Du wirst eine gute
Kämpferin, Mirka. Du bist sehr tapfer. Blick nicht zurück. Laß Deine
Jugend hinter Dir. Mit jedem Schritt, den Du von nun an gehst, werden
die Erinnerungen an Deine Menschlichkeit schwächer. Mehr und mehr wirst
Du das, wozu Du auserkoren bist. Eine unsterbliche Ritterin. Wenn Du an
einen See gelangst und hinein blickst, erkennst Du Deine zukünftige
Gestalt. Und erfährst Deinen neuen Namen, erhältst Deine Waffen, erfährst
alles über die Legende Deiner Wesenheit. Ab da beginnt Dein Lernprozeß.
Nun geh, Kriegerin. Und beeile Dich. Die Zeit läuft gegen Dich. Christa
ist sehr, sehr schwach. Der Dämon wird zusehends stärker. Martha
verliert mehr und mehr an Magie und Stärke. Besinne Dich auf die Liebe
zu Deiner Familie. Das ist das Einzige, was Dich noch antreibt. Wir
wissen das. Doch Du wirst jetzt mehr und mehr ein Wesen der jenseitigen
Welt. Das ist das Opfer, das Du bringst, um diejenigen zu retten, die
Dich lieben. Du wirst sie vergessen. Du wirst ein völlig neues Leben
beginnen, das sich nur nach den Missionen richtet, die wir Dir erteilen.
Wir wünschen Dir Kraft. Geh!“ ertönte noch einmal die Stimme der
Hohen Geister. Mirka lief sofort los. Nur mit einem Gedanken an ihre
Mutter. Sie sah das Bild vor sich, wie Christa immer mehr zum Schattendämon
mutierte. Sie sah nicht zurück. Nun wurde sie zur Seelenjägerin. Sie
konnte es förmlich spüren, wie ihre Kräfte wuchsen. Hohen Hauptes,
neuen Mutes, mit wallendem Gewand, wehenden Haaren lief sie den engen
Gang entlang so schnell es ging, um die Treppen hinunter zu steigen, die
sie zuvor erklommen hatte..... **** 4. Die Verwandlung Immer
wieder stolperte Mirka auf die Knie, rappelte sich wieder hoch, lief
weiter. Blickte sich nicht um. Sie fühlte eindeutig etwas hinter sich
oder auch die Augen, die sie von allen Seiten zu fixieren schienen. Ihr
Blick war starr nach vorn gerichtet. Ihre Lungen brannten vor Schmerzen,
sie keuchte, schwitze, die Haare klebten an ihrem Gesicht. Stimmen
ihrer Familie drangen wie ein Flüstern, das langsam lauter wurde an
ihre Ohren. Mit Tränen in den Augen und zusammengebissenen Zähnen lief
sie weiter. Die Uhr lief. Sie vermochte nicht daran zu denken, wenn es
zu spät war. Der Schattendämon war eine grausige Gestalt mit viel Wut
in sich. Und er war mächtig. Als Mirka erneut hinfiel, ruhte sie ein
paar Minuten, um Engerie zu tanken. Sie
sah sich um. Sie war an einem kleinen Waldstück angelangt. Weiches Moos
unter ihren wunden Knien, Füßen. Wasser rauschte in der Nähe. Sie
hatte Durst. Sie ging dem Geräusch nach, sah einen kleinen Wasserlauf,
lief darauf zu und hielt inne. Ein
wunderschöner, schwarzer Panther saß geduckt an dem Bach und trank.
Mirka schluckte. Sie liebte Panther, hatte viel darüber gelesen und gehört.
Sie verharrte und sah das schöne, schlanke Tier, dessen schwarzes Fell
glänzte zu. Die grünen hellen Augen blitzen kurz auf. Das Tier schien
sie nicht zu bemerken. Langsam
ging Mirka auf den Bach zu, der Durst trieb sie, auch wenn sie damit
rechnete, das Tier würde weglaufen. Doch hier war nichts normal. Es könnte
auch ein Wesen sein....das verflucht war. Mirka mußte an den Werwolf
denken. Sie
kniete sich nieder und hielt ihre Hände in das kühle Wasser. Sie
besprenkelte ihr Gesicht damit und schöpfte mit den Händen etwas
Wasser hinaus um zu trinken. Als sie in Richtung des Raubtiers blickte,
war es.....nicht mehr an der Stelle. Sie sah neben sich. Er hockte
direkt neben ihr. Hechelnd. Seine Augen fixierten sie. Mirka
hatte seltsamerweise nicht die Spur von Angst. „Trink Dich satt. Folge
mir. Ich bringe Dich zu einem verwunschenem See. Dort badest Du. Wenn Du
auftauchst, wirst Du anders sein.“ Sprach das Tier mit einer
weiblichen, hellen, verführerischen Stimme zu ihr im Geiste. Mirka lächelte.
Sie wollte dem Panther über den Kopf streicheln, doch da erhob er sich
und trottete davon. Sie
bekam Hilfe. Sie wußten, was mit ihr war. Sie war dem Tier dankbar. Sie
wurde nervös. Sie würde anders sein. Wenn sie in diesem See badete.
Mirka trank noch ein paar Mal und stand dann auf, um der Fährte des
Tieres zu folgen. Als
sie das schöne Tier erblickte, das auf sie gewartet hatte, setzte die
Großkatze sich in Bewegung. Sie liefen durch eine schmale Gasse. Es war
still. Seltsames Licht in allen Farben umspielten die zwei Gestalten.
Dann kamen sie zu einer kleinen Lichtung. Ein großer See, dessen Wasser
schwarz war und leichter Nebel ihn einhüllte, lag vor ihnen. Mirka sah
das Tier an und erwartete wieder eine Stimme in ihrem Kopf: „Zieh Dein
Gewand aus. Tauche tief unter. Halte die Luft an. Hab keine Furcht. Wenn
Du auftauchst, Dich im Wasser spiegelst, wirst Du verstehen. Viel Glück,
Seelenjägerin. Wir heißen Dich in unserem Kreis willkommen.“ Hörte
sie die Stimme wie aufs Stichwort. Sie nannten ihren Namen. Seelenjägerin.
Mirka fühlte sich aufeinmal seltsam wichtig. Es war kein Wind zu spüren,
kein Vogel zu hören. Merkwürdige Atmosphäre hier, dachte Mirka. Sie
sah den Panther an, der schon wieder dabei war, mit der Dunkelheit eins
zu werden. Das Licht war wie ein Wetterleuchten, es veränderte ständig
Größe, Farbe...schimmernd.... Mirka
blickte auf den See. Wabernde Nebelschleier tänzelten wie Wattefäden
über die Oberfläche. Mirka entledigte sich ihres Nachthemdes und der
Unterhose. Langsam schritt die junge Frau in den See. Er war nicht kalt.
Sie genoß das Wasser, entspannte sich, schwamm ein paar Runden. Sie
tauchte unter, schloß die Augen, hielt die Luft an, solange sie konnte.
Eine Minute. Zwei Minuten. Dann tauchte sie auf....und sah eine völlig
andere Welt vor sich! **** Mit
zitternden Knien auf allen Vieren kriechend, verließ Mirka den See. Sie
fror. Sie suchte ihr Nachthemd, was auf dem Boden gelegen hatte. An
seiner Stelle lag dort etwas schwarzes. Sie hob es hoch. Es war ein
schwarzer Lederanzug. Das Leder fühlte sich kalt an und dünn. Sie zog
ihn über. Es paßte wie angegossen. In der Mitte war eine Kordelleiste,
er wurde mit braunen Lederbändern zusammengehalten. Sie schnürte ihn
zusammen und wunderte sich, wie vertraut dieses Gewand ihr war. Sie sah
auf. Ein dichter, dunkler Tannenwald war um den See herum entstanden.
Auch die Stille war verflogen. Vögel zwitscherten. Äste knackten.
Mirka sah auf ihre Hände. Ihre Fingernägel waren seltsam schwarz verfärbt,
länger und spitzer geworden. Sie erschrak. Sie
drehte sich um und sah auf die Oberfläche des Wassers. Ihr blasses,
schmales Gesicht war noch dasselbe. Ihre Haare waren länger, leuchteten
in einem dunkleren rot, waren lockiger. Ihr viel gar nicht auf, das ihr
nasser Körper schnell trocken geworden war. Ihre Augen blitzen in einem
hellen grün auf. Sie
schob den Ärmel hinunter, wo ihr Mal gesessen hatte. Der halbmondförmige
Leberfleck war verschwunden! Sie hatte sich verwandelt. Wie man es ihr
prophezeit hatte. Sie war jetzt eine Seelenjägerin. Äußerlich. Sie fühlte
sich stark. Lächelte. Sah sich um. Ging ein paar Schritte auf den Wald
zu. Atmete die frische Luft ein. Sie reckte sich. Sie
wußte nicht mehr, wie ihr geschah. Sie war zu sehr fasziniert von ihrer
Verwandlung und ihrem Machtgefühl, das sie nicht bemerkte, wie man sie
beobachtete. Erst, als sie ein bedrohliches Knurren hinter sich
bemerkte, blieb sie stehen..... **** Kaum
hatte sie sich an ihre neue Gestalt gewöhnt, mußte sie sich schon mit
neuen Gefahren auseinandersetzen. Das drohende Knurren wurde lauter. War
ganz nah. Mirka schluckte. Sie konnte spüren, wie das Wesen immer näher
kam. Sein Gestank ähnelte dem eines Trolls. Mirka mußte sich
zusammenreißen, um nicht zu würgen. Sie ließ das Wesen nah an sich
heran, bewegte sich nicht. Sie fühlte, wie es um sie herumschlich und
ihre Witterung aufnahm. Es schnüffelte. Aus den Augenwinkeln sah sie
aus ihrem eigenen Blickwinkel nichts....ihr Blick senkte sich nach
unten. Sie fühlte etwas nasses an ihren nackten Füßen. Sie sah
hinunter. Ein am ganzen Körper braunbeharrter, spitzohriger Wichtel,
mit spitzen Zähnen, spitzen Ohren, schmalen, Gliedern schnüffelte an
Mirkas großer Zehe. Mirka mußte fast erleichtert auflachen, als der
Wichtel sein Maul öffnete und gefährlich aussehende spitze kleine Zähne
sich verdächtig nah ihrem Zeh näherten. Der Wichtel war kaum größer
als Mirkas Unterarm, doch schien er nicht friedlich gesinnt zu sein.
Erschrocken wich Mirka zurück, stolperte unglücklich nach hinten und
viel auf den Rücken. Der Wichtel veranstaltete plötzlich ein ohrenbetörendes,
langanhaltendes Siegesgeschrei in einem hohen Krächzen, hüpfte von
einem Beinchen auf das andere und machte Anstalten dazu, sich auf Mirka
zu stürzen, als die Auserwählte sich berappelte und auf die Füße
kam. Ein
Rascheln von allen Seiten ließ sie aufhorchen. Sie war kaum in der Lage
zu sprechen, wagte nicht, zu atmen. Der Gestank wurde stärker. Das
Knurren und Fiebsen von vielen Wichteln drang an Mirkas Ohren. Sie
drehte sich um ihre eigene Achse und fand sich plötzlich umzingelt von
sabbernden, beharrten, zähnefletschenden Wichteln....mehr und mehr
erkannte Mirka, das diese Wichtel gar keine Wichtel waren, sondern
Kobolde...sie kreisten sie ein....Mirka überlegte fieberhaft.....sie
hatte keine Zeit sich mit diesen Wesen anzulegen....ihre Mutter wartete
auf ihre Hilfe. Verzweifelt sah sie auf die hungrige Meute und bekam
Angst...Es wurden immer mehr....was sollte sie tun? **** Der
erste Kobold, der sie entdeckt hatte trat vor. Er öffnete sein Maul und
eine rauhe, krächzende Stimme war zu vernehmen. Die Worte, die er
sprach verstand Mirka nicht. Doch je länger er sprach, um so deutlicher
wurde seine Sprache für sie. Seine kleinen schwarzen Knopfaugen
musterten Mirka von oben bis unten. Plötzlich verstand Mirka seine
Worte.....sie war jetzt ein Teil von jenen, die ihren Weg kreuzten...sie
begriff....sie war neu geboren....sie wurde ihrem Ruf, dem sie folgen mußte,
mehr und mehr gerecht: „Du bist in unserem Revier, was fällt Dir ein?
Mach gefälligst, das Du wegkommst, sonst werden wir Dich in Stücke reißen.
Wir haben seit Tagen nichts gegessen, Frau. Es wäre zu schade, so eine
neugeborene Schönheit wie Dich bis zur Unkenntlichkeit abzunagen. Ich
bin Gildor, Häuptling des Zwergkobolden-Volkes. Sieh sie Dir an. Sie
erkennen Dich. Sie werden Dich immer erkennen. Ich habe nicht jeden von
ihnen unter Kontrolle. Nicht jeder, der es bis hierher schaffte, überlebte.
Nun, Frau....geh. Du wirst gebraucht. Blick nicht zurück. Bleib nicht
stehen. Während wir hier reden, wird der Dämon in Deiner Mutter immer
mächtiger, Frau. Verschwinde!“ Als
Mirka die letzten Sätze Gildors hörte, erschrak sie. Ihr wurde mehr
und mehr bewußt, das ihre eigentliche Aufgabe immer wieder von den
Wesen, die ihr begegneten, in Erinnerung gebracht wurden. Sie selbst
vergaß! Sie vergaß, wer sie war. Ihr Menschsein drängte mehr und mehr
in den Hintergrund. Ihre Verwandlung begann nicht nur äußerlich. Auch
im Inneren wurde Mirka mehr und mehr zu einem unsterblichen Wesen.... Tränen
rannen Mirkas Wangen entlang. Die vielen Kobolde sahen zu ihr auf. Es müßten
inzwischen Hunderte geworden sein. Gildor drehte sich um und hob seinen
kleinen Arm. Eine Gasse wurde gebildet, so daß Mirka hindurchkonnte.
Sie lief in den Wald hinein und hörte ihre Mutter plötzlich rufen:
„Ich sterbe.....hilf mir.....!“ Mirka schrie auf: „Neeeeeiiiiin!“
und lief und blickte nicht hinter sich. Kaum hatte sie die Kobolde
hinter sich gelassen, schrie über ihr etwas Gewaltiges, ein Schatten
legte sich über sie. Riesige Schwingen schlugen über ihrem Kopf
zusammen. Sie blickte sich um, sah nach oben und sah einen riesigen
Greifvogel ein schwarzer Adler, dessen gefährliche lange Krallen immer
näher kamen. Wie ein Flüstern drang eine sanfte, tiefe Stimme an ihr
Ohr: „Ergreife meinen Fuß!“ Sie streckte instinktiv einen Arm nach
oben, bekam eine lange Kralle zu fassen und hielt sich fest.....sie
wurde über den Boden geschliffen und hob in die Luft ab.....sie
hangelte sich an der Kralle entlang, zum Bein und hielt sich an den
Federn fest, kroch am Hals des Vogels hoch, bis sie hinter ihm sitzen
konnte. Sie flog auf einem Adler! Der Wald unter ihr wurde immer
kleiner. Sie sah die Kobolde wie sie unter ihr herliefen und immer
winziger wurden. „Danke...wer bist Du?“ Der Adler stieg immer höher.
Sie hörte eine Stimme in ihrem Kopf: „Mein Name ist Nirm. Es wird
Zeit. Du hast genug durchlitten. Ich bringe Dich zu Lyria, sie ist die
Dunkle Mutter. Sie wird Dich in Kampfkunst und Magie einweisen. Dann
wirst Du wieder zurückkehren. In Deine Welt. Wir hoffen, Du besiegst
den Dämon. Wir sehen uns wieder, Jägerin, Hüterin der Seelen. Halt
Dich fest.“ **** 5. Die Dunkle Mutter Mirka
hielt sich an den weichen Federn des riesigen Adlers fest. Der Wind
pfiff ihr um die Ohren, es klang wie ein trauriges Klagelied. Mirka
legte sich auf den Hals des Adlers, schloß die Augen und viel in einen
leichten Dämmerschlaf. Bilderfetzen wie den lachenden Malte, ihren
Geschwistern, ihrer Großmutter Martha, Wolle mit dem sie im Hof zu
Hause spielte und Rosalie mit der sie im Wald ritt, brachten Erinnerung
an zu Hause. Seufzend krallte sie sie ihre ihre Hände in die Federn des
Adlers. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Sie hörte das monotone
Flügelschlagen der riesigen Schwingen des Greifvogels und fühlte sich
entspannt. Die dunkle Mutter, dachte Mirka. Was für ein Wesen das wohl
sein mag? Eine
wohlige Mattigkeit ergriff ihre Glieder, sie wurden schwerer. Langsam
sank die zukünftige Seelenjägerin in einen erholsamen Schlaf. Nirm
stieg hoch in die Wolken hinauf, flog über Berge, grüne Täler, düstere,
vernebelte Wälder zu dem Hort der dunklen Mutter. Das Wetter schlug
immer mal wieder um. Mal flogen sie durch herrliche Regenbogen, die in
allen erdenklichen Farben schimmerten und eine Brücke zur Erde
schlugen. Dann regnete es und ein orkanartiger Sturm peitschte auf den
Adler hinab, sein Federkleid war jedoch so dicht und fest, daß die
Tropfen ihn nicht schwerer werden ließen und er den Flug abbrechen mußte.
Mirka bekam von alledem nichts mit. Sie wurde durch den Sturm schnell
wieder trocken. Ihr tiefer Schlaf gab ihr Kraft. Nach
gut 2 Tagen ohne Pause landete Nirm in dem verbotenen Tal. Dort hausten
die dunkelsten Geschöpfe, die sich je in den Köpfen der Menschen ein
Nest bauten und Ängste, Aberglaube aufrecht erhielten. Heilige, Götter,
Auserwählte wie Mirka, alles versammelte sich dort. Wesen, die halb
menschlich, halb Tier waren oder auch umgekehrt. Es gab Tiere, die
menschliche Eigenschaften besaßen, um in der Welt der Sterblichen nach
den Schwachen zu suchen, um diese zu beschützen. Die
dunkle Mutter war eine uralte Göttin einer besonderen Rasse von Untoten.
Nirm war ein 1000jähriger Adler, der einst Magiern als Nachrichtenüberbringer
oder Reisegefährt galt. Oft retteten sie auch vielen magischen Wesen während
lebensgefährlichen Kämpfen das Leben oder setzten es aufs Spiel, wenn
die Naturgewalten außer Kraft gesetzt waren und sie im Flug von
riesigen Felsbrocken oder Flutwellen zu verunglücken drohten. Doch
viele Magier, Zauberer oder Nachkömmlinge des Zauberns starben aus oder
wendeten sich dem Bösen zu. Nirm
wurde dazu ausersehen, Menschen wie Mirka zu Orten zu bringen, die sie
zu dem machten, wozu sie bestimmt war. Wenn er seine Aufgabe erfüllt
hatte, flog er wieder zu seinem Platz zurück, einem ruhenden Vulkan, wo
einst Drachen lebten, die unsagbar wertvolle Schätze beschützen und
wunderschöne Jungfrauen töteten, um durch ihr Blut an Lebensenergie zu
gewinnen. Drachen gab es nur noch wenige. Die meisten lagen zum Sterben
tief versteckt in Höhlen oder Vulkanen. Sie erwarteten tapfere Ritter,
Drachentöter, die ihr ewiges Leben beendeten. Nur wenige Lindwürmer
erwachten aus ihrem langen Schlaf und ihrer Lethargie und halfen den
Menschen in Kriegen oder heilten sie mit Schuppen, Blut, Herzstücken,
die heilende Kräfte besaßen. Als
Nirm an dem Tor zum Eingang des Tals landete, schlief Mirka immer noch
tief und fest. Nirm schrie kurz auf, um Mirka zu wecken. Mirka hob den
Kopf, gähnte, reckte sich, rieb sie die Augen und sah sich um, um sich
zu orientieren. Die sanfte Stimme des Tieres in ihrem Kopf, setze sie
davon in Kenntnis, das sie angekommen waren: „Du mußt durch das Tor.
Ich kann nicht mitkommen. Hab keine Angst. Sie wird Dich behandeln, wie
ihre Tochter. Hör auf sie. Und hör gut
zu.“ Mirka
kletterte etwas unbeholfen von dem Hals des riesigen Vogels hinunter.
Ein kurzer Windstoß ergriff sie und sie taumelte nach vorn, auf die
Knie. Sie sah Wirm nachdenklich hinterher, der sich sofort, nach dem
Mirka abgestiegen war, in die Lüfte erhob. Sie stand auf und sah ein
riesiges, schwarzes Tor vor sich aufragen, aus Metall. Mirka schluckte.
Sie schritt langsam auf das Tor zu. Wie von Geisterhand öffnete sich
quietschend eine der Türen......Mirka trat hindurch. Ihr Herz klopfte.
Lyria, die dunkle Mutter....wie sie wohl aussah? **** Die
ersten Schritte kurz vor dem Tor waren zaghaft. Mirkas Herz klopfte so
laut und schnell, daß sie dachte, es würde ihr aus der Brust springen.
Knarrend gleitete die riesige Seitentür ein Stück weiter auf, Mirka
erschrak kurz, ein Zucken durchlief ihren Körper, dann schlüpfte sie
schnell hindurch. Der Boden unter ihren Füßen war kalt und glitschig. Kaum
war sie durch das Tor gegangen, schloß sich die Tür mit einem lauten
Knall hinter ihr. Sie sah überall Fackeln, große, in hellorange
leuchtende Fackeln, die wie lange Stoßzähne in den schwarzen
Nachthimmel ragten. Mirka sah zu Boden. Um
sie herum verstreut lagen Gerippe. Kahle Gerippe von Menschen. Raben,
Ratten und riesige, behaarte Spinnen, die so groß wie Mirkas Hände
waren, krabbelten zwischen den Gebeinen hindurch. Das,
dachte Mirka sich, war anscheinend die weniger schöne Seite dieser
Welt, in der sie hinein geboren wurde.. Ein Zischen vor ihr! Sie sah
ruckartig vor sich. Pfeile schossen plötzlich wie aus heiterem Himmel
aus der Luft, die gefährlichen Spitzen direkt auf sie gerichtet. „Nimm beide Hände in Brusthöhe!“ war Marthas leise Stimme plötzlich
in ihrem Kopf! Reflexartig tat sie, was man ihr rät. Sie
hob sofort beide Arme in Brusthöhe angewinkelt und ihre Hände zeigte
mit der Innenfläche senkrecht nach außen. Die Pfeile blieben einen
knappen Zentimeter vor dieser Schutzhaltung mitten in der Luft stehen.
Mirka hatte die Augen zugekniffen. Als sie die Pfeile auf den Boden
fallen hörte, fiel auch von ihr ein Seufzer der Erleichterung ab.
„Gut reagiert, Auserwählte. Komm näher.“ Hörte sie eine helle,
sanfte Stimme. Lyria. Sie ging der Stimme nach, bis sie an einen Thron
aus Stein gelangte. Dort,
umhüllt von einem wallenden schwarzen Kaputzenumhang, saß sie. Oder
es. Sie wußte nicht ob die dunkle Mutter eine Frau war, die einer Hexe
glich oder ein Wesen der Nacht. Nur eins spürte sie. Ihre Macht. Sie
blieb stehen. Hell leuchtende grüne Schlitze blitzen in der Schwärze
der Kapuze auf. Lange, knochige, dünne Finger, mit stiftartigen Krallen
umschlossen ein Schwert, das silbern glänzte, dessen Griff einen
silbernen Halbmond zierte und merkwürdige, kyrillische Schriftzeichen. „Ich
bin die Mutter aller. Ich bin die Göttin der Untoten und die Lehrerin
von Auserwählten. Dieses Schwert hier, wird Dein Erbe sein. Es ist eine
von vielen Waffen, die Du benutzen wirst, um zukünftige Seelen für
Dich zu beanspruchen. Doch das Wichtigste bei einer Frau......sind immer
noch ihre eigenen Waffen. Sie Dich an!“ Sie deutete auf eine Stelle,
deren Blick Mirka folgte. Ein großer Spiegel, verziert mit vielen
Gesichtern von Trollen, Dämonen, Schlangenköpfen und menschlichen
Totenköpfen zeigte sich ihr. Er entstand wie aus dem Nichts so schien
es. Sie
ging darauf zu. Sie blickte an sich hinunter. Der schwarze Lederanzug
lag eng an ihrem Körper, ihre Hüften und Busen wurden betont. Ihre
dunkelroten, lockigen Haare fielen locker über ihre Hüften. Ihre einst
blauen Augen blitzten grün. Ihre schwarzen Fingernägel glänzten. Auch
ihre Fußnägel waren schwarz. Als
sie wieder hochblickte, sah sie die alte Mirka, sie war in ihrer Tracht,
die sie beim Fest getragen hatte, sah ihr Mal, wie es verschwand. Dann
sah sie sich im Nachthemd, dem Schattendämon gegenüber, sie wich zurück. Am
ganzen Körper zitternd, einen dicken Kloß hinunterschluckend, blickte
sie sich weiter an. „Willst Du sehen, wer Du sein wirst? Wenn ich mit
Dir fertig bin? Schließ die Augen.“ Mirka schloß sie. Sie fühlte
eine Veränderung an sich. Kühles Samt umschloß ihren Körper, sie
trug plötzlich ein Kleid. „Sieh hin!“ Mirka
blieb der Mund offenstehen. Sie trug ein hochgeschlossenes Samtkleid in
Schwarz, mit langen Ärmeln. Ihre Haare waren hochgesteckt. Ihr langer,
schlanker, weißer Hals lies sie größer erscheinen. Sie trug das
Schwert in der Hand, ein Schild, hohe Stiefel. Ihr Dekolleté war tief
ausgeschnitten, der Ansatz ihrer Brüste glänzte vor Schweiß. Mirka
war sprachlos. Sie war wunderschön! „Das sind die Waffen einer Frau.
Ihre Ausstrahlung. Wenn sie in Besitz von Macht und Stärke ist. Das
zeigt sich auch an ihrem Körper, Auserwählte.“ Der
Spiegel hüllte sich in Nebel und wurde schwarz. Mirka hatte das Kleid
immer noch an. Sie fühlte sich wohl. Ihre Angst vor Lyria war unbegründet.
Und auch verflogen. „Fang auf!“ Das Schwert, was ihr mit dem Griff
zuflog, ergriff sie instinktiv. „Mit
diesem Schwert hat einst eine meiner vielen Schülerinnen gekämpft. Sie
war einer der besten. Im Moment beschützt sie Deine Mutter, mein
Kind.“ Mirkas Kinnlade klappte herunter: Tränen glitzerten in ihren
Augenwinkeln. Wortlos formte sie den Namen mit ihren Lippen: Martha! Als
sie Lyria anblickte, konnte sie kurz ihren Mund sehen, einen schmalen
Strich, graue, schmale Lippen, an den Seiten blitzten kurz scharfe,
lange Eckzähne auf. Die Zähne waren weiß wie Schnee. Mirka mußte
sofort an die Legende der Vampire denken und an Geschichten, die sie
ihren Geschwistern aus alten Büchern über diese Wesen vortrug. Sie
selbst fand diese Geschöpfe faszinierend. Sollte sie nun etwa von einem
Vampir eingewiesen werden? Sie sah plötzlich Martha vor sich, wie sie
Seite an Seite mit Mirka vor Christas Bett gestanden hatte. Sie
tritt ihr Erbe an Mirka weiter. Doch dieses Schwert hätte sie doch
gegen diesen verdammten Dämon....ihre Gedanken wurden unterbrochen:
„Sobald die Macht einer Seelenjägerin durch ihr Alter schwindet,
tritt die Kraft automatisch auf die Erbin über. Mit ihr gehen auch die
Waffen, die sie einst führte, wieder an den Ursprung zurück. Und nun
genug geredet. Du weißt, es wird Zeit.“ Vor
Mirka tat sich plötzlich eine Horde von Dämonen zusammen. Sie kamen
von allen Seiten, krochen aus dem Boden, senkten sich aus der Luft
herab. In allen Größen, häßliche, schöne, stinkende, schleimige,
sabbernde Gestalten fixierten sie aus bösen funkelnden Augen.
Bedrohliches Knurren, Fauchen, Wimmern, Stöhnen, ununterbrochenes Geflüster
sollten Mirka verwirren. Einige dieser Geschöpfe kannte sie aus
Geschichten, andere machten ihr nur durchs Hinsehen Angst. Leise und
bestimmt drang die Stimme Lyrias an ihr Ohr. Sie hob ihr Schwert umfaßte
den Knauf mit beiden Händen. Es war nicht sehr schwer. Mirka bekam eine
Gänsehaut und kniff die Augen zusammen. Sie konzentrierte sich. Die
Lehre für die Auserwählte, hatte begonnen..... **** 6. Die Macht der Magie Mit
strenger Stimme und wachsamen Augen instruierte die alte Göttin ihre
Schülerin, gab an, wie sie jene Dämonen bekämpfen, in Schach halten,
täuschen und töten konnte. Sie lehrte Mirka auch die verschiedenen
Sprachen der Wesen, während sie kämpfte. Ab und an mußte Mirka auch
Hiebe einstecken, sie blutete am Kinn, hatte Schrammen an Armen und
Beinen und war mit vielerlei Schleim und Sporen bedeckt, die manche Dämonen
als körpereigene Waffen benutzten. Sie hielt sich tapfer, in geduckter
Haltung, immer wieder im Kreis drehend, ihren Feinden entgegen. Als
sie schließlich mit dem Schattendämon kämpfte, sah Lyria die Bilder
in ihrem Kopf, die Mirka von den Hohen Geistern geschickt bekam, als sie
den Dämon zum ersten Mal sah. Abgelenkt von diesen Bildern, merkte sie
nicht, daß Mirka vor dem Dämon zurückgewichen war. Erst ein Aufschrei
ihrer Schülerin ließ sie die Aufmerksamkeit wieder auf diese lenken.
Die dunkle Mutter erhob sich vom Thron: „Mirka! Steh auf! Stell Dich
ihm entgegen. Sieh ihm in die Augen. Hör nicht auf seine Beleidigungen
und Lügen. Denk an Christa. Schlage ihm den Kopf ab! Schicke ihn zurück
mit den Worten: „Dir soll nicht gehören, was ich liebe!“ Lyria
ballte die Fäuste. Jetzt kam es drauf an. Denn sobald Mirka es
geschafft hatte, den Schattendämon zu besiegen, würde sie mit diesem
Wissen wieder in ihre Welt geschickt, um ihre Mutter von den Qualen zu
erlösen. Wenn das geschehen war, würde die wahre Bestimmung Mirkas
wirken. Die Prüfung die dann folgt, wird für alle Beteiligten noch
schwer genug. Unsicher
sah Mirka kurz zur dunklen Mutter. Sie hatte sie auf die Knie gerobbt,
der Dämon flog dicht vor ihrem Gesicht hin und her, dem Schwert
ausweichend, das Mirka ihm dicht an die Brust hielt. Sie kam auf die Füße.
Begann zu schreien, stob nach vorne. Der Dämon lachte sie aus. Er hob
die Arme, so als wolle er sie hochleben lassen, neigte den Kopf zu ihr
und öffnete sein Maul. Es wurde immer länger und breiter, so daß
Mirka das Gefühl hatte er würde sie verschlingen. Lyria schrie etwas
in einer fremden Sprache, Mirka verstand Fetzen wie: „Fair sein im
Kampf.....Machtgehabe.....Gesetze achten....“. Als der Kopf des Dämons
kurz zu Lyria gewand war, sah Mirka ihre Chance. Sie hob das Schwert in
Schulterhöhe und schleuderte es quer durch seinen Hals. Wie in Zeitlupe
flog sein Schädel zur Seite, grünes Blut spritze von allen Seiten,
auch auf Mirka, wie ein Fontäne aus der großen Wunde. Mirka bekam das
Blut in die Augen, sie keuchte auf, fiel auf den Hintern. Sie sagte die
Worte, die Lyria ihr im Zorn zugerufen hatte: „Dir soll nicht gehören,
was ich liebe!“ zu ihrer Überraschung sprach sie die Worte in einer völlig
fremden Sprache. Der kopflose Körper des Schattendämons bäumte sich
noch einmal kurz vor Mirka auf, sie robbte zurück, erschrak. Dann
zerfiel ihr vor ihren Augen zu Staub. Mirka
atmete heftig, begann zu weinen. Sie lies das Schwert fallen, ihr Körper
gab der Erschöpfung nach. Sie legte sich auf den Rücken, hielt sich
die Hände vors Gesicht. Sie fühlte, wie starke Arme sie hochhoben,
ohne zu erschrecken, ließ sie dies geschehen. Tröstendes Geflüster
der dunklen Mutter drang an ihr Ohr: „Das hast Du gut gemacht, Mirka.
Mit diesem letzten Wissen kannst Du nun endlich zurückkehren. Als
Seelenjägerin wirst Du den Dämon in Christa bezwingen. Dein Schicksal
hat sich erfüllt. Von nun an hast Du Deine sterbliche Hülle abgelegt
und somit auch Deinen Namen. Jetzt bist Du Dina, die Seelenjägerin. Auf
Dich wartet ein schwarzer Hengst, er kennt den Weg in Deine Welt. Sieh
nicht zurück. Laß die Bilder, die Du im Traum sehen wirst, auf Dich
wirken. Es werden die letzten sein, an die Du Dich erinnern wirst, als
Mensch. Wenn Du zuhause angekommen bist, wirst Du Deine Aufgabe erfüllen.
Dein neues Leben wird beginnen. Der Weg erfordert noch viele Schmerzen,
viel Leid, Opfer mußt Du bringen. Du bist stark, Dina. Du gehst Deinen
Weg. Ich glaube an Dich. Und nun geh!“ Dina
fühlte, wie sie auf weichem Moosboden gelegt wurde. Als sie aufblickte,
war Lyria verschwunden. Sie roch Laub. Sie war im Wald. Sie hörte
Schnauben von Nüstern. Sie setzte sich auf. Ein paar Meter entfernt
stand ein wunderschönes, schwarzes Pferd, mit langer Mähne, glänzendem
Fell. Schwarzen, treuen Augen. Es wieherte. Sah sie an. Schabte mit den
Vorderhufen, so als wolle es sagen: „Komm, es wird Zeit.“ Es war
gesattelt. Zitternd
und unsicher ging sie auf den Hengst zu. Ihr fiel etwas auf. Sie sah an
sich hinunter. Ihr Schwert steckte in einem Gürtel, sie trug einen
schwarzen Lederanzug , hohe Stiefel. Sie fühlte an ihrem Kopf. Ihre
Haare waren hochgesteckt. Sie sah auf ihre Fingernägel. Schwarz, lang
und spitz. Ihre Haut war blas. Erneutes Wiehern und Aufbäumen des
Pferdes. Dina atmete tief durch. Sie setzte sich auf den Hengst und kaum
war sie auf ihm, lief er sofort im Galopp los..... Sehr
schnell. Dina ergriff die Zügel und lehnte sich an den Hals des Tieres.
Ihre Augen wurden schwer. Sie begann in einen leichten Schlaf zu fallen.
Und sie träumte... **** 7. Dinas Geburt Gehüllt
in zarte Nebelschleier, wie ein festgehaltener Hauch in der Luft, überfielen
Dina die Bilder ihrer Vergangenheit. Sie sah sich als kleines Kind auf
dem Hof, wie sie mit ihren Geschwistern die Gänse gefüttert hatte,
ihren Vater, der sie auf Rosalie hob, ihre Mutter, wie sie Tabea
stillte, Malte, wie er Mirka damals das erste Mal geküßt hatte, plötzlich
kam Christa ins Spiel, wie sie sich verändert hatte. Sie sah Wolle, wie
er vor Christa zurückwich, sie sah den Schattendämon und sich und
Martha, wie sie versucht hatten, den Dämon zu bezwingen. Bruder
Martin war da, er hatte dicke Bücher vor sich, die er wälzte, an denen
er selbst schrieb, sie sah seine Visionen von Dämonenheeren, wie sie in
das Dorf einfielen und Mirka als Seelenjägerin mittendrin, mit Schwert
und blutverschmiertem Körper, wie sie über die Getöteten stieg...Sie
sah die Elfenkönigin, wie sie mit Martha sprach, sie sah einen riesigen
Schwarm Fledermäuse, der über dem Hof schwebte, viele kleine Lichter
waren dazwischen, doch ihr Licht erlosch, die Kugeln fielen nach und
nach zu Boden....es waren die Elfen, die mit allen Kräften versuchten,
die Macht des Bösen von dem Haus fernzuhalten. Sie sah Wolle, wie er
sich in Rolalies Stall hinter einem Heuballen verkroch, er zitterte am
ganzen Leib und winselte. Dann
fiel der Blick auf ihre Mutter. Die Laken waren naß vom Schweiß,
durchwühlt, Christa, nicht mehr sie selbst, stark abgemagert,
blutunterlaufene Augen, blass wie der Tod selbst, keine Farbe mehr in
den Lippen, warf den Kopf hin und her, stammelte den Namen ihrer
Tochter, doch ihre Stimme war verfremdet, tiefer rauher, als Christa
direkt in Mirkas Augen sah, die mit Martha vor dem Bett wachte, sah
Mirka in rote Augen und Martha packte ihre Enkelin am Arm, um sie
wegzureißen. Dann sah sie Christa mit Martha allein, Martha saß auf
einem Stuhl, sie schlief, ihre Augen waren tief umrandet mit dunklen
Furchen unter den Lidern......Christa schlief unruhig.....ihre Hände
waren schon knöchern, ihre Haare schneeweiß, um sie herum bildeten
sich Spinnenweben, wie ein Kokon, als würde Christa eingesponnen, um
sich hinterher als Wesen der Dunkelheit zu entwickeln..... Während
Dina, die Seelenjägerin ihr Leben im Traum sah, zuckte sie bei den
Anblicken ihrer Familie und Freunde immer wieder hoch, ihre Augen
bewegten sich schnell hin und her, sie krallte sich in die Mähne des
Tieres, Tränen liefen ihr an den Wangen hinunter. **** Donner
weckte Dina aus ihrem Traum. Sie öffnete die Augen, sah hoch und
richtete sich auf. Kälte durchfuhr sie, es war Nacht. Das Pferd
schnaufte, seine Nüstern blähten, die Hufe schlugen beängstigend laut
auf den Boden auf. Sie waren in einem Wald. Dunkle Schatten brachen sich
mit dem Licht des Mondes links und rechts, wohin die Seelenjägerin auch
blickte. Sie hörte Flüstern, fühlte Blicke auf sich ruhen, sah auf
den Boden und erblickte kleine Nager, die vor dem Pferd flohen, um nicht
zertrampelt zu werden, sah Mäuse, Käfer, Spinnen...ihr Blick war geschärft,
ihr Gehör war feiner....sie gehörte jetzt dazu. Sie war ein Wesen der
Nacht und erfuhr nun ihre Stärken. Sie konnte Dämonen spüren, ihren
Geruch wahrnehmen und auch Wölfe, Bären oder Luchse waren vor ihrer
Nase nicht sicher. Selbst wilde Tiere konnte sie wittern. Sie fragte
sich, ob alle Wesen des Waldes auch sie wahrnahmen. Sie hörte ihren
Namen leise geflüstert von allen Seiten und auch das Wort „Seelenjäger“
in verschiedenen Sprachen, die Dina vor kurzem erst gelernt hatte, fiel.
Sie
wurde von vielen begrüßt und einige beschimpften sie auch oder warnten
ihre Gefährten. Sie war jetzt eine Bedrohung für die Untoten oder auch
ein Segen. Sie roch Tote und Kranke und konnte sogar schwach
Schwingungen von sterbenden Untoten wahrnehmen. Einige kurze Visionen überfielen
Dinas Hirn, wie sterbende Vampire, Werwesen sich auf den Boden windeten,
blutend oder sich selbst verletzend, um Erlösung flehend. Sie sah
andere Seelenjäger, verschwommen, wie sie ihre Arbeit
verrichteten....andere....sie fragte sich, wieviele es von ihrer Art
gab... **** Übermannt
von so vielen Gefühlen, Gedanken, Eindrücken vergaß Dina für einen
Moment ihre Mission. Das Pferd fiel in einen lockeren Trab. Mirka
streichelte seinen Hals, hörte das vertraute Schnaufen des Tieres. Sie
blickte nicht zurück. Sie sah nach vorn. Mit den Handrücken wischte
sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen,
Licht blendete sie. Das Pferd fiel in einen schnellen Galopp. Dina hielt
sich geduckt und sah zu Boden. Plötzlich verlor das Tier den Boden
unter den Füßen! Sie schwebten. Der Wald unter ihnen wurde
stecknadelkopfgroß, Dina sah noch, wie kleine Gestalten zu ihr
hinaufblickten und wild mit den Armen fuchtelten. Das Pferd galoppierte,
wieherte und Dina spürte kalten Wind, der ihnen entgegenkam. Sie flogen
auf das Licht zu, es war so hell, daß Dina sich schützend einen Arm
vors Gesicht hielt. Gleißende Regenbogenfarben umgaben die beiden
Reisenden und schlossen sie ein. Sie glitten durch ein Zeitloch, was
ihnen ermöglichte, schneller in der Welt zu sein, wo Dina einst
hergekommen war. Die Reise dauert keine halbe Stunde, dann glitt das
Pferd direkt auf alle Viere vor dem Hof der Kolts auf den Boden auf.
Dina war wieder zu Hause. Als sie die Augen aufschlug, mußte sie
schlucken, da sie erkannte, wo sie sich befand. Sie glitt vom Pferd,
streichelte ihm über das weiche Maul, sah ihm in die Augen um sich so
zu bedanken. Das Tier wieherte kurz auf, stellte sich auf die
Hinterbeine und verschwand vor Dinas Augen...Dinas Hand ging automatisch
zu ihrem Schwert. Sie schluckte. Bedrohlich
ragte ihr einstiges Heim vor der Seelenjägerin auf. Schwach konnte sie
eine Stimme wahrnehmen. Als sie erkannte, wer da ihren Namen rief,
begann sie zu laufen. Es war ihre Großmutter. Und der Geruch an ihr ließ
Dina die Hand vor dem Mund halten. Martha Kolt lag im Sterben.....“Dina...beeil
Dich.....ich kann sie nicht mehr schützen....es geht zu Ende....mach
schnell....“ Auch ein Winseln drang an Dinas Ohren. Es war der Schäferhund
Wolle, der vor der Tür Wache hielt. Als er Dina, alias Mirka erblickte,
begann er die Ohren anzulegen und leise zu knurren. Für den Hund war es
nicht mehr der Mensch Mirka, sondern ein Eindringling. Ein fremdes
Wesen, das versuchte auf den Hof zu gelangen....Wolle, der vorher
gelegen hatte, stand auf, bellte, knurrte, lief nervös hin und her.... Die
Seelenjägerin Dina war zuerst verwirrt über Wolles Verhalten, doch sie
roch jetzt nicht mehr nach Mensch und sah auch anders aus. Sie kam näher.
Wolle knurrte, fletschte die Zähne. Dina zückte ihr Schwert und zeigte
mit der Spitze auf den Hund. Wolle begann zu winseln und sah der Seelenjägerin
in die Augen. Dina ließ kurz den Geruch Mirkas und die Augenfarbe
Mirkas aufblitzen. Sie hatte jetzt die Macht dazu, sich zu verändern.
Wolle legte den Kopf schief, wackelte mit dem Schwanz, hechelte und kam
auf die Seelenjägerin zugelaufen. Dina steckte das Schwert zurück und
streichelte Wolle über den Kopf. Der Geruch von Martha war nah. Eisige
Kälte kam der Seelenjägerin entgegen, als sie das Haus ihrer früheren
Kindheit betrat. Wolle
lief voraus, die Ohren angelegt, der Schwanz eingezogen. Feiner Nebel
durchzog das Haus. Dina ging schnurstracks die Treppe hinauf. Zum
Schlafzimmer von ihrer besessenen Mutter..... **** 8. Der letzte Kampf Vor
der Tür zu Christas Zimmer saß, auf einem Stuhl zusammengesunken, eine
alte Frau. Ein Buch umklammerten ihre dünnen, langen Finger. In der
Mitte des Buches war ein Symbol in Form eines Halbmondes. Als Dina sich
vor dieser alten Frau stellte, blitzte es kurz goldfarben auf und verblaßte
wieder. Als
Dina auf die Frau zugehen wollte, um ihr das Buch zu entwenden, mußte
sie zurückweichen, da eine unsichtbare Barriere sie davon abhielt. Sie
sah auf den Boden. Ein weißer Kreis aus feinem Mehl lag um Mirkas Großmutter.
Dina erkannte ihre Großmutter nicht mehr. Wolle legte sich winselnd,
mit eingezogenem Schwanz, neben Martha, auf alle Viere. Als
die Seelenjägerin ein Stöhnen hinter sich hörte, dem ein bedrohliches
Fauchen folgte, drehte sie sich sofort um, hob ihr Schwert an und stieß
mit dem linken Fuß die Tür auf. Eisiger Wind fegte Dina ins Gesicht.
Sie mußte sich die Hand vor Augen halten, um etwas zu erkennen. Sie
ging ein paar Schritte auf das Bett zu. Der Nebel begann sich zu
lichten. Die Kälte wurde allerdings unerträglich. Der Wind zog sich
ebenso zurück. Dina sah eine völlig abgemagerte Frau vor sich liegen,
leichenblaß, die braunen mit grau durchzogenen Haare im Gesicht
verklebt, aufgesprungene Lippen, die Augen waren geschlossen, doch sie
arbeiteten hinter den Lidern, bewegten sich schnell hin und her. Statt
Atem war ein seltsames Krächzen und Knurren, dunkel und bedrohlich, aus
der Kehle zu hören. Dina
ging langsam auf das Bett zu, stellte sich auf die linke Seite. Ihre
Mutter hatte alle Viere von sich gestreckt. Ihr Körper zuckte, der Kopf
ruckte hin und her. Ihr Nachthemd war zerrissen, die Stoffetzen klebten
an ihrem verschwitzten Körper. Die
Seelenjägerin senkte das Schwert. Sie schloß die Augen. Sie
umklammerte den Griff des Schwertes mit beiden Händen und zeigte mit
der Schwertspitze auf die Brust ihrer Mutter. Schwach senkte diese sich
auf und nieder. Leise begann die Seelenjägerin die Worte zu murmeln,
die ihr die dunkle Mutter beigebracht hatte, um den Schattendämon zu
bezwingen. Ganz automatisch, als hätte sie nie etwas anderes getan,
sprach sie die Worte in der Sprache des Dämons aus: „Du hast Dich
eines schwachen Körpers bemächtigt, um mich zu prüfen. Nun komm
heraus, denn ich bin meinem Ruf gefolgt. Laß diesen Mensch los. Du
willst mich. Denn Dir soll nicht gehören, was ich liebe!!“ Diese
Worte wiederholte Dina immer wieder, wurde dabei immer lauter. Ihr
Schwert lag wie Blei in den Händen, doch sie zitterte nicht, ließ den
Griff nicht los. Als sie die Augen öffntete, waren auch die Augen ihrer
Mutter offen. Ihre
Blicke trafen sich. Christa oder der Dämon in ihr runzelte die Stirn.
Mit heiserer Stimme begann Christa zu sprechen: „Wer bist Du? Was soll
das Schwert? Willst Du mich umbringen? Wo ist Mirka?“ Dina mußte kurz
schlucken. Ihre eigene Mutter erkannte sie nicht mehr. Auch sie selbst
wußte nicht mehr, daß die alte Dame vor der Tür ihre Großmutter
gewesen war. Das war ein weiteres Opfer, was Dina zu bringen hatte, ihr
fielen die Worte Lyrias wieder ein: „Du
mußt Opfer bringen. Deine sterbliche Hülle und Dein Name wirst Du
ablegen. Deine letzten Erinnerungen an Dein anderes Dasein schwindet mit
der Erfüllung Deiner Aufgabe.“ Ein kurzer Schrei holte die
Seelenjägerin wieder in die Realität zurück. Christa sprach mit der
Stimme des Dämons und ihre Augen wurden zu leeren, schwarzen Höhlen:
„Wenn Du mich tötest, stirbt auch dieser Körper. Laß ihn mir und
geh. Ich bin nur der Anfang von vielen Prüfungen, die Du zu bestehen
hast, Seelenjägerin. Sie gehört mir. Du kannst ihr nicht mehr helfen.
Ich habe sie schon fast. Sie ist zu schwach, um Deine lächerlichen Anfänge,
sie zu retten, zu überstehen. Laß sie mir. Geh einfach. Dreh Dich
nicht um. Verlasse dieses Haus, Dein altes Leben und Deine Familie. Du
bist jetzt ein Teil von mir, Kindchen. Du bist auch eine Unsterbliche,
die ihre Aufgabe hat. Genau wie ich!“ Ein häßliches Lachen entfuhr
dem Dämon. Dina
wurde wütend. Sie hob das Schwert an und rief in der fremden Sprache
immer wieder den Befehl, Christa freizugeben. Das Tränen ihre Wangen
hinunter liefen, bemerkte sie nicht. Christas Körper wurde hin und her
geschüttelt. Das Bett begann zu wackeln, das Fensterglas zersprang,
Wind kam auf, der Nebel verfärbte sich rot. Dinas Beschwörungen ging
in ein hohes Kreischen über. Sie ging in die Knie, als der eisige Wind
ihre Augen und Ohren streifte, es tat weh, körperlich weh, als wenn man
ihr Peitschenhiebe zufügen würde..... Doch
Dina gab nicht auf. Immer wieder hob sie das Schwert an die Brust ihrer
Mutter und kämpfte gegen die Stimme des Dämons an. Plötzlich hörte
die Seelenjägerin die Stimme ihrer Großmutter in ihren Gedanken:
„Stoß zu! Christa wird nicht sterben! Der Dämon wird schwächer. Er
straft Dich mit Lügen, hör nicht hin! Stoß zu! Jetzt!“ Von draußen
hörte Dina den Hund schwach bellen. Sie umklammerte den Griff so fest
sie konnte, stand auf. Sie nahm das Schwert in senkrechte Position und
stieß die Spitze in die Brust ihrer Mutter. Ein Aufbäumen des Körpers
erfolgte, ein langgezogener Wutschrei entfuhr Christas Kehle und eine
Fontäne grünen Blutes entwich der Wunde. Dina zog das Schwert heraus,
ohne mit ihrem Beschwörungssatz aufzuhören, sie taumelte nach hinten,
kam wieder auf die Beine und legte das Schwert auf die Körpermitte
ihrer Mutter. Dort, wo sie zugestochen hatte, war keine Wunde mehr zu
sehen. Sie sah ihre Mutter an. Ihr Gesicht war wieder fülliger, die
Wangen rosiger, die Haare braun....nur der Schweiß klebte an ihrem Körper.
Aus ihrem Mund drangen die Namen ihrer Mutter und ihrer Kinder, schwach.
Sie sprach mit ihrer eigenen Stimme. „Martha....wo ist Mirka?
Martin...paß auf Tobi, Rabea, Janus auf...“ stammelte sie. Ein
Lächeln entfuhr der Seelenjägerin. Sie nahm das Schwert an sich,
steckte es in die Halterung. Sie ging auf ihre Mutter zu. Beugte sich zu
ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn. Dann drehte sie sich um,
ohne zurückzublicken und ging aus dem Zimmer heraus. Als sie ihre Großmutter
wach auf dem Stuhl erblickte, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Martha war aufgestanden. Sie sahen sich wortlos an. Auch Martha hatte Tränen
in den Augen. Sie hielt das Buch in den Händen. Mit einem Kopfnicken übergab
sie es ihrer ehemaligen Enkelin wortlos. Dina nahm es an sich. Der
Schutzkreis bestand nicht mehr. Wolle kratzte an Christas Schlafzimmertür.
Ohne ihre Enkelin noch einmal anzusehen, ging sie zu ihrer Tochter. Gerade,
als Dina das Haus ihrer Kindheit verließ, sah sie Bruder Martin mit
ihren Geschwistern auf das Haus zu laufen. Rabea hatte ganz verweinte
Augen und war blaß. Ihre beiden Brüder sahen nicht anders aus. Sie
alle waren in größter Sorge um Christa gewesen. Ein lautes Wiehern ließ
Dina den Blick von ihrer ehemaligen Familie abwenden. Ein hübscher
Junge kam auf den Hof geritten...es war Malte. Auch er hatte verweinte
Augen. Als der Name „Mirka“ aus seinem Mund fiel, mußte die Seelenjägerin
tief durchatmen. Sie
umklammerte das Buch, fuhr mit beiden Händen über das Symbol und wurde
unsichtbar. Sie stahl sich einfach davon. Sie lief in dieser Tarnung zum
Pferdestall, um sich von Rosalie zu verabschieden. Doch anstelle
Rosalies fand sie das Pferd vor, was sie zurück in ihre alte Welt
gebracht hatte. Sie fuhr mit dem Daumen erneut über das Symbol des
Buches. Dina wurde wieder sichtbar. Sie verstaute das Buch in einer der
Satteltaschen, setzte sich auf den Hengst und ritt im schnellen Galopp
davon. Jetzt
lag es an Martha und Bruder Martin die Familie Kolt zu beschützen. Dina
blickte nicht zurück. Als sie in den Wald kamen, öffnete sich ein
Portal, was Dina in ihre jetzige Heimat zurückbrachte. Dort wurde die
Seelenjägerin mit neuen Missionen vertraut gemacht. Es war nicht nur
ihre Aufgabe, die Menschen vor dem Bösen zu schützen. Sie mußte sich
vor allem ihren eigenen Dämonen stellen. Sie mußte ihre Familie
verlassen, ihre Sterblichkeit aufgeben, um ihr Schicksal zu erfüllen. **** Christa
trauerte lange um ihre älteste Tochter, in dem Glauben, sie sei tot.
Als es an der Zeit war, daß Martha und Bruder Martin ihr die Wahrheit
sagen wollten, starb sie an gebrochenem Herzen. Mit dem letzten
Herzschlag ihrer Mutter spürte auch Dina, das etwas von ihr gegangen
war. Ein kurzer Schmerz in der Brust verriet der Seelenjägerin, was
geschehen war. Sie
war gerade dabei, in dem Buch der Seelenjäger zu lesen. Ihr Hengst
graste auf einer Wiese. Um Dina herum flogen die Elfen, die sie damals
mit ihrer Großmutter im Wald angetroffen hatte. Sie führten einen
kleinen Tanz auf und erhoben ihre feinen Stimmen, um Dina etwas von
ihrer aufkommenden Trauer abzulenken. Die Seelenjägerin schloß die
Augen, denn sie empfing wieder eine vertraute Stimme in ihren Gedanken:
„Christa hat ihren Frieden. Sie liebt Dich, Kind. Sie ist Dir dankbar.
Deinen Geschwistern geht es gut. Natürlich vermissen sie Dich, Malte
auch. Doch sie sind tapfer. Ich werde Dir bald in der Geisterwelt
erscheinen, dieser letzte Kampf war meine Aufgabe für Dich, Dina. Ich
bin stolz auf Dich.“ Als
die Seelenjägerin die Augen wieder öffnete, hatte sie die letzten
Worte ihrer Großmutter bereits vergessen. Sie schloß das Buch, erhob
sich, löste den Knoten aus ihren langen, lockigen, roten Haaren, hob
beide Arme in die Höhe. Den Blick in den Sternenhimmel gerichtet, wo
zwei Monde auf den Wald herab schienen, stimmte sie in den Gesang der
Elfen mit ein. Sie drehte sich im Kreis und vollführte einen Tanz,
barfuß, fröhlich, impulsiv. Sie begrüßte ihr neues Dasein als
unsterbliche Ritterin. Noch wußte nicht, was ihr neues Leben für sie
bereit hielt. Sie würde viele Abenteuer bestehen. Und hier beginnen
wieder neue Geschichten über eine neue Heldin, die ihr eigenes Leben für
andere opferte, die sie liebte. Sie laß bereits die Legende der Seelenjäger
in dem Buch, was ihre Großmutter ihr vermacht hatte. Auch sie würde
ihre Geschichte aufschreiben. Und so erfüllt sich das Schicksal einer
Heldin, die für sich allein entschieden hatte, ein neues Dasein in Kauf
zu nehmen, um ihre Familie zu schützen. Auch wenn diejenigen, die sie
liebten, in dem Glauben waren, sie sei tot. Dina
tanzte noch lange, bis zur Erschöpfung mit den Elfen um die Wette. Erst
im Morgengrauen wurde sie müde und ließ sich ins weiche, grüne Moos
unter einer riesigen Tauerweide fallen, um neue Kraft zu tanken. Denn
die nächste Mission, welche die Hohen Geister für sie bereit hielten,
wartete schon...... ENDE |
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